
Mein starker Reflux derzeit ist keine Reaktion auf den Unsinn vermeintlicher Experten, aber ich könnte es glatt so interpretieren. Die gestrige Lektüre des Transkripts des ZiB2-Interviews von Martin Thür mit Epidemiologin Eva Schernhammer hat die Symptomatik jedenfalls nicht verbessert. Es scheint alles so aussichtslos derzeit. Noch nie hab ich mich hoffnungsloser in den letzten drei Jahren gefühlt. Ich stehe wie vor über 25 Jahren, als ich im Religionsunterricht klar Stellung gegen die Todesstrafe bezog, weiterhin dafür ein, dass es richtig ist, Infektionen zu vermeiden. Krank sein ist nichts erstrebendswertes. Das können viele Menschen, die nicht chronisch krank sind, leider kaum nachvollziehen. Ein paar Wochen Krankenstand durch Infekte oder unfallbedingt, aber chronisch krank sein ist doch noch einmal etwas anderes. Wer chronisch krank ist, konnte früher davon ausgehen, dass im Notfall die beste gesundheitliche Versorgung möglich ist. Jetzt ist das Gesundheitspersonal seit Jahren überlastet und seit diesem Herbst spitzt sich die Situation mit dem Wegfall aller Maßnahmen weiter zu. Plötzlich ist es nicht mehr garantiert, im Notfall rasch und bestmöglichst versorgt zu werden. Triage war noch im ersten Pandemiejahr in aller Munde, davon hört man die letzten Monate leider wenig. Plötzlich findet man sich selbst in der Situation wieder, wo man einerseits hofft, sich nicht beim Besuch des Hausarztes mit einem der dort kursierenden Viren anzustecken, und andererseits betet, dass die eigenen Beschwerden eine leicht zu beseitigende Ursache haben und kein Spitalsbesuch notwendig wird, eben um jenem Chaos aus dem Weg zu gehen, dass das konsequente Ignorieren der Pandemie und seiner Folgen durch die Bundespolitik verursacht hat.
Ich schreibe das so persönlich, um zu zeigen, dass man nicht einmal ein schwerkranker Risikopatient sein muss, um in der jetzigen Phase der Pandemie mit Unterversorgung im Gesundheitswesen konfrontiert zu sein. Es kann auch vormals gesunden Menschen passieren, die ein ganz gewöhnliches Lebensrisiko haben, ob ein Unfall auf der Skipiste, ein sich plötzlich bemerkbar machender Blinddarm oder eine Nierenkolik. Aus eigener Erfahrung kann ich nur davon abraten, mit einer akuten Nierensteinkolik stundenlang in der Notaufnahme auf Behandlung warten zu müssen. Vergleichbar werden diese Schmerzen nur mit Geburtswehen beschrieben.
Es scheint wie gesagt aussichtslos, etwas gegen die gezielte Volksverdummung ausrichten zu können. Ich weiß, dass sich viele Menschen in Österreich fast ausschließlich über den ORF informieren, über Landesstudio-Berichte, Zib1, Zib2 und die blaue Seite. Was dort nicht steht, existiert nicht. Was dort falsch steht, wird für bare Münze genommen. Und wenn Experten interviewt werden, hinterfragt man weder Expertenstatus noch den Inhalt. “Ich verlasse mich auf die Experten”. Ich werde so nie sein können. Nicht nur, weil ich in Deutschland trotz etlicher ähnlich schieflaufender Entwicklungen immer noch eine breitere Medienvielfalt wahrnehme als in Österreich, sondern auch aufgrund meines autistischen “thinking outside the box”. Wahrscheinlich kann ich mich dewegen so schlecht anpassen in Hierarchien, tu mir schwer mit Vereinen und Gruppen, aber eben auch mit politischer Obrigkeitshörigkeit. Wenn ich hier nicht so klar sagen würde, dass ich pro Wissenschaft, pro Gesundheit, pro Impfung und vor allem pro Schutz des Lebens bin, könnte man meine Worte auch als Statement eines Leerdenkers interpretieren. Das unterscheidet uns eben: Ich vertrete meinen Standpunkt nicht aus Eigennutz, sondern weil ich überzeugt bin, dass es gesamtgesellschaftlich den größten Benefit bringt, gesund zu bleiben.
Das falsch interpretierte Drosten-Interview

Von der Langfassung des insgesamt informativen und durchaus alarmierenden Interviews mit Virologe Drosten brachte der Tagesspiegel am Vortag nur eine (frei zugängliche) Zusammenfassung und griff dabei die am wenigsten relevante Schlagzeile “Nach meiner Einschätzung ist die Pandemie vorbei.” heraus. Die Presse stürzte sich wie Geier auf die Schlagzeile, ohne zu hinterfragen, was “endemische Welle” bedeutet und ob Drosten damit implizieren wollte, dass man nun alle restlichen Maßnahmen abschaffen könnte. Hat er nicht.
In einem früheren Pandemia-Podcast vom 21. November 2022 hatte sich Drosten bereits ähnlich geäußert. Damals argumentierte er folgendermaßen: Unter der Voraussetzung, dass BA.5-verwandte Subvarianten von OMICRON dominant werden/bleiben (BF.7) und die Abflachung der zweiten BA.5-Welle im Frühherbst auf das ungewöhnlich warme Wetter zurückzuführen war, erstmals ein echter saisonaler Effekt also, und somit schon kleinste äußere Veränderungen wie eine Temperaturerhöhung entscheidender wären als Immun Escape der Varianten, würde man jetzt den Übergang in endemische Wellen sehen. China als Unsicherheitsfaktor bleibt. Nebenbei haben wir massive Krankheitswellen durch RSV und Influenza. Und da drückte sich Drosten meiner Ansicht nach schon in diesem Podcast fatal aus: Masken würden auf Bevölkerungsebene nurmehr einen geringen Effekt gegen OMICRON haben, weil es so ansteckend sein würde (in Deutschland wurden jedoch vielfach auch nur OP-Masken getragen, die deutlich weniger wirksam sind, weil sie nicht so dichtsitzen). Selbst wenn das zutreffen würde, dann nützt es gegen RSV und Influenza doch deutlich effektiver, da deren Reproduktionszahl kleiner ist. Im Podcast kommt generell LongCOVID erst am Ende und ähnlich wie im österreichischen Variantenmanagementplan nicht in Zusammenhang mit Primärprävention.
China hat allerdings aufgemacht, mit katastrophalen Folgen für sich selbst und durch Lieferkettenschwierigkeiten auch für den Rest der Welt, wie die australische Epidemiologin Dr. Zoe Hyde hier ausführt. In Deutschland ist BF.7 zwar dominant, weltweit drohen aber neue, gefährlichere Varianten. Nach Singapur ist nun auch in den USA die Subvariante XBB.1.5 dominant geworden, die infektiöser als die Muttersubvariante XBB ist und bei älteren Menschen zu schwereren Verläufen führen könnte. (Eric Topol, 23.12.22). Die Entwicklung der konvergenten Varianten mit ähnlichen Spike-Mutationen geht schon seit BA.2 wieder in Richtung Schwere der DELTA-Variante, sowohl vom Zelleintritt als auch der betroffenen Lungenverläufe (Nchioua et al. 2022). Das gegenüber DELTA mildere BA.1 war also kaum mehr als ein “Zufall” der Virusentwicklung und nicht der Beginn einer neuen Epoche dauerhaft harmloserer Verläufe. Kürzlich zeigten Moriyama et al. (2022), dass die OMICRON-Subvarianten die T-Zellen-Immunität besser umgehen können.
Bei so einem hohen endemischen Niveau gibt es keine Täler mehr, wo man von einer deutlichen Entspannung im Gesundheitwesen reden kann. Und dort hält die Flucht in andere Berufe oder in den Burnout an. Das heißt, ein immer weniger belastbares Gesundheitspersonal trifft auf anhaltend hohe Krankheitswellen mehrerer Viren gleichzeitig. Das soll Grund zur Freude sein, wie die österreichische Presse unisono insinuiert?
Wie dem auch sei. The “first frame wins” hab ich im ersten Pandemiejahr gelernt. “Was liegt, das pickt” – die österreichische Entsprechung. Das heißt, selbst wenn Drosten nachträglich seine Aussage korrigiert oder elaboriert, wird bei der Mehrheit der Leser hängen bleiben, “dass die Pandemie vorbei sei und man alle Vorsicht sein lassen könnte.”
Das eigentliche Interview las sich anders als die Zusammenfassung. Darin sprach Drosten von einer langen Notsituation in den Spitälern durch die gleichzeitige Belastung mit vielen Infektionserregern.
Drosten differenziert zwischen ZeroCovid in China [alle Infektionen verhindern wollen] und den NoCovid-Versuch in Deutschland [Niedrig-Inzidenzstrategie, um Zustand halten zu können]. Er habe sich dieser Gruppe aber bewusst nicht angeschlossen, “weil ich sowieso schon Projektionsfläche für alles Mögliche war.”
Schwaches Argument.
“Das Ziel aber war richtig, nur war immer klar, dass man es gesellschaftlich nicht erreichen würde.”
Und warum nicht? Mangels Health Literacy in deutschsprachigen Ländern. Politische Gründe, Maßnahmengegner, laute Minderheit an Schwurblern, Wirtschaftlich kurzsichtiges Denken. False-Balance-Berichterstattung, zu wenig Gewicht auf LongCOVID. Gesundheitspersonal im Stich lassen, etc. Wie hat man nur damals erreicht, dass man Polio weltweit durch die Impfung nahezu ausgerottet hat? Niemand hat je gesagt, dass man dafür nichts tun muss, dass vernunftgesteuertes Verhalten von alleine kommt.
Ich möchte vor allem dieses Zitat hervorheben:
“Derzeit bekommen Immunologen Befunde, die suggerieren, dass diese Alterung des Immunsystems bei Kindern nach Coronainfektion viel fortgeschrittener ist, als man es erwarten würde. Man kann sich nun zugespitzt fragen, ob ein ungeimpftes Kind nach Infektion vielleicht mit 30 das Immunsystem eines 80-Jährigen haben wird. Die Durchseuchung der Kinder wäre dann ein riesiger Fehler gewesen. Das wäre ein extremes Szenario, das man aber mit erwägen muss. Allerdings haben wir keine Infektionskrankheit so gut erforscht wie Sars-Cov-2. Gut möglich, dass es sich bei anderen Infektionen auch so verhält und das Phänomen nach zwei, drei Jahren verschwindet, weil gerade junge Kinder noch naive Immunzellen nachproduzieren können. Wir wissen all dies noch nicht. Ich hatte aus Vorsicht immer für die Impfung und den Infektionsschutz von Kindern plädiert.”
Wie hätte die Schlagzeile des Tagesspiegels aussehen können? “Corona lässt Immunsystem unserer Kinder rapide altern!”
Stattdessen hat man sich für die wirklich unglückliche Aussage von Drosten entschieden, er hätte das angesichts unserer politischen Entwicklung und Berichterstattung zur Pandemie voraussehen müssen. Wenn nicht, soll er sich bitte einen Pressesprecher besorgen.
“Ja, wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-Cov-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei.”
Zu seinem Statement passt allerdings die Variantenentwicklung nicht wirklich, auch im Hinblick auf die zunehmende Diskrepanz zwischen Abwassermonitoring, Hospitalisierungszahlen und Fallzahlen, die aufgrund der Dunkelziffer und nachlassender Testraten auseinanderdriften. Mit anderen Worten: Seine Ansicht, dass wir diesen Winter bereits in der endemischen Phase sind, wird nicht von jedem seiner Kollegen geteilt. Zudem sagen sie auch klar, dass es nichts an der hohen Belastung der Bevölkerung durch die hohen Infektionsraten ändert, ob man den aktuellen Zustand nun Pandemie oder Endemie nennt.
Die Verantwortung eines kommunizierenden Infektionswissenschaftlers sei es, “zu sagen, was man weiß, zu kennzeichnen, was man nicht weiß und nicht zu verschweigen, was unpopulär ist.”
Unpopuläre Maßnahmen wie Maske tragen, kostenintensive Maßnahmen wie Luftfilter und saubere Raumluft sowie LongCOVID hat er allerdings im Interview verschwiegen. Nach drei Jahren Pandemie und allem, was man bisher über LongCOVID weiß, halte ich den alleinigen Fokus auf Verhinderung schwerer Akuterkrankungen für zu einseitig.
Das ZiB2-Interview mit Schernhammer
Einleitung:
Eva Schernhammer hat Medizin in Wien studiert, eine Ausbildung zur Onkologie-Fachärztin absolviert und ist 1999 nach Harvard gegangen, um über Krebsprävention zu forschen. Dort machte sie ihren Master in Krebsvorbeugung und 2003 das Doktorat in Public Health. Sie erhielt ein Stipendium vom Wissenschaftsministerium, damalige Ministerin war Elisabeth Gehrer (ÖVP), von Harvard selbst und vom AIT Seibersdorf ein Dissertationsstipendium.
Cor: Schernhammer hat bei zahlreichen epidemiologischen Arbeiten mitgewirkt, u.a. bei Czypionka et al. (2022), der für eine NoCovid-Strategie eintrat (!), zu Übersterblichkeit im ersten Pandemiejahr (Achilleos et al., 2022), über den Zusammenhang zwischen Zögerlichkeit bei der Impfung und dem Vertrauen in die Regierung (Schernhammer et al. 2021, und als Co-Autorin bei Weitzer et al. 2022), bei Polechová et al. (2022) über die Vorteile von Antigentests in österreichischen Schulen, über Impfraten und Covid19-Inzidenz in Österreich (Blasche et al. 01.02.2022), einen Monat nach der Veröffentlichung des Papers wurde sie in die Impfpflichtkommission berufen und stimmte für die Aussetzung der Impfpflicht, “weil es für Omicron nicht mehr notwendig war.” Bei Riesenhuber et al. (01.04.22) wurde mithilfe von Antikörpertests untersucht, wie hoch die Prävalenz bei Gesundheitspersonal und Patienten über einen längeren Zeitraum war.
Aufhorchen ließ mich diese Aussage:
“Wenn überhaupt vergleichbar, gibt es auch in Österreich gut funktionierendes Mentoring, aber meist nur für Männer: nämlich die klassischen Burschenschaften.” (Quelle, 2005)
Am 8. Dezember 2021 saß Schernhammer neben dem damaligen Tiroler Landeshauptmann Platter (ÖVP), als es um die (zu) frühen Lockerungen nach dem 4. Lockdown ging. Schernhammer ist Präsidentin des OeGEPi, ihre Sekretärin ist Reinhild Strauß, die die Abteilung für Öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium leitet und den Herdenimmunitätsverfechter Anders Tegnell zur Teilnahme an einer Coronakommission-Sitzung einlud. Strauß machte ihr Diplom 1995 bis 1996 an der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Bis 1995 war der schwedische Great-Barrington-Mitbegründer Johan Giesecke dort Senior Lecturer für Pandemiebekämpfung, ab 1996 bis 2008 übernahm das Chris Whitty, der später Boris Johnson Tegnells Durchseuchungsstrategie empfehlen sollte. Von 1998 bis 2000 war Strauß am Schwedischen Institut für Infektionskrankheitenkontrolle. In der Zeit Whittys haben auch Rendi-Wagner, Tegnell, Schmid und Apfalter ihre Ausbildung dort beendet.
Am 14. Februar 2021 gab Schernhammer der “Welt der Frauen” ein Interview mit weiterem Ausblick zum Pandemieverlauf. LongCOVID, Kinder und Masken Fehlanzeige. Außer Lockdowns fielen ihr keine “globalen” präventiven Maßnahmen gegen die Pandemie ein.
Meine Kritik an Schernhammer ist nicht neu.
“Das Problem sind weniger die steigenden Zahlen, als die Überlastung der
Intensivstationen. Wäre Letzteres nicht der Fall, könnten die steigenden Zahlen
durchaus länger toleriert und Erkrankungen in Kauf genommen werden” (Presse, 31.03.21)
“Aber wenn jetzt tatsächlich eine Abwärtstendenz weitergeht, dann wäre es natürlich fein, wenn der Lockdown früher enden könnte.” (06.04.21, Zib2)
„Ich glaube, dass wir schon mit Ende dieses Jahres Herdenimmunität erreichen werden und die Pandemie zur Endemie mit bewältigbaren Infektionswellen wird – wie bei der Grippe“ (Presse, 14.08.21)
“Haben die Pandemie in zwei, drei Monaten hinter uns.”
„Daran, dass die Intensivstationen in Österreichs Spitälern in den kommenden
Wochen und Monaten an ihre Grenzen stoßen könnten, glaubt sie aus
verschiedenen Gründen nicht mehr. Selbst dann, wenn es in der kalten
Jahreszeit noch einmal zu einem Aufwärtstrend kommen sollte.“ (Presse, 17.10.21)
„Ja, ich denke, dieses Zurücknehmen der massenhaften Tests ist durchaus gerechtfertigt.“ (16.03.22, zib2, beim Stand von 60 000 Neuinfektionen)
“Epidemiologin Eva Schernhammer von der Medizinischen Universität Wien erklärt im Gespräch mit Moderatorin Anita Kiefer, warum sie auf Eigenverantwortung setzt, sie jetzt keine Maskenpflicht wiedereinführen würde und wie ihre Haltung zu einer Abschaffung der Isolationspflicht für Infizierte ist.“ (01.07.22, Kurier-Podcast)
Als die Bundesregierung am 24. Mai 2022 überraschend entschied, die Maskenpflicht ab Juni in öffentlichen Verkehrsmitteln und im gesamten Handel abzuschaffen, wurden Schernhammer und Gartlehner in den ORF-Abendnachrichten dazu interviewt, wo sie die Regierungslinie bestätigten. Ich fasste mir damals ein Herz und schrieb Schernhammer persönlich an, wo ich kurz Revue passieren ließ, wie ich ihr öffentliches Auftreten bis dahin wahrgenommen hatte. Ich schrieb u.a.:
Zitat
Am 23. März 2021 plädierten Sie für einen kurzen, harten Lockdown, am 31. März 2021 äußerten Sie, dass steigende Infektionszahlen länger toleriert werden könnten, wenn die Intensivstationen nicht überlastet werden., am 14. August 2021 hielten Sie die Gefahr eines erneuten Lockdowns für gleich Null. Sie rechneten mit Herdenimmunität bis Jahresende und Übergang zu einem endemischen Zustand mit bewältigbaren Infektionswellen, am 17. Oktober 2021 orakelte Sie, dass die Pandemie in zwei, drei Monaten überwunden wäre, und dass die Intensivstationen nicht mehr an ihre Grenzen stoßen könnten (die DELTA-Welle bewies das Gegenteil.). In der Impfpflichtkommission entschieden Sie sich, die Impfpflicht auszusetzen. Am 11. März 2022 sprachen Sie sich für die Impfpflicht im Medizinbereich aus und rechneten aufgrund der Öffnungen mit dem “Freedom Day” „möglicherweise doch mit systemkritischer Auslastung in den Spitälern“. Wer soll sich bei diesen vielen, widersprüchlichen Aussagen noch auskennen?
Laut Ex-GECKO-Mitglied leiteten Sie eine Arbeitsgruppe Schulen, kurz darauf fiel Anfang Februar die Maskenpflicht an Volksschulen trotz hoher Inzidenzen in dieser Altersgruppe.
Am 14. Juni 2021 sagten Sie im STANDARD:
„Das ist insgesamt vielleicht gar nicht so schlecht, wenn man so auf natürliche Weise in jungen Jahren eine Immunität erwirbt, denn wir sehen ja, dass die Kinder an und für sich eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit haben, schwer zu erkranken.“
Zitat Ende
Ich verstand nicht, warum man im Herbst 2021 nicht bis zur Zulassung der Kinderimpfung gewartet hat, wie es selbst ihr Kollege Kollaritsch aus dem Impfpflichtgremium gesagt hat. Dann ging ich auf ihre Aussagen ein und brachte zahlreiche Gegenargumente untermauert mit Fachliteratur. Ich endete meine E-Mail mit …
“Ich kann nachvollziehen, dass es schwierig ist mit Interviews, wenn jeder Satz auf die Goldwaage gelegt wird, aber Sie haben hier eine tragende Rolle in der Pandemie, Sie rechtfertigen die politischen Entscheidungen. Widerspruch sieht leider anders aus. Ich weiß nicht, ob diese Kommunikation dazu beiträgt, Vertrauen in der Bevölkerung zu erwecken, wenn auf klare Aussagen verzichtet wird, geschweige denn wenn man das Risiko generell kleinredet, denn dann wird sich niemand bemüßigt fühlen, erneut impfen zu gehen.”
Ihre Reaktion war ein einziger Satz: “Vielen Danke, dass Sie das Leben in unserem schönen Land Österreich so wertschätzen.”
Vielleicht ließ mich deswegen die Aussage mit den “klassischen Burschenschaften” aufhorchen, denn Burschenschaften sind meistens katholisch oder rechts, jedenfalls eher im patriotischen Bereich anzusiedeln.
Das Interview
Ich hab gerade begrenzte Lust, mich damit auseinanderzusetzen. Daher nur ein paar Anmerkungen.







Immer, wenn man in Österreich etwas mit Logik nicht erklären kann, sollte man an Verhaberung denken. Es gilt natürlich die Immununschuldsvermutung.
Nature never draws a line without smudging it.
Wenn man eines gelernt haben sollte in der Pandemie: Einschätzungen, die auf Hoffnung und Wunschdenken beruhen, erwiesen sich bisher als falsch. Weder haben wir eindeutig nun die Pandemie hinter uns gelassen, noch müssen wir uns gar keine Sorgen darum machen, dass Chinas FullCovid-Kurs keine neuen Varianten ausbrütet, die für uns gefährlich werden können. Die Testpflicht für Chinesen ist natürlich trotzdem absurd, wenn man bedenkt, dass wir seit Monaten Fallzahlen von über 5000 haben mit entsprechender Dunkelziffer.
Molekularbiologe Elling sieht es eher als unwahrscheinlich an, dass sich in China gefährliche Varianten ausbrüten können, weil das Virus dort auf eine immunnaive Bevölkerung trifft und sich eher in der Infektiösität anpassen wird (wie damals DELTA) und nicht auf Immun Escape gehen muss (wie BETA, GAMMA und OMICRON).
Virologe Bergthaler: “Ich wäre vorsichtiger, die Pandemie für grundsätzlich beendet zu erklären“. Das “gesamtgesellschaftliche Bedrohungspotenzial hat sich massiv reduziert”, jedoch bleibe Covid-19 eine Gefahr für vulnerable Gruppen, und auch die, mit Long Covid konfrontiert zu sein, bestehe weiter.
Paläovirologe Aris Katzourakis ist weniger optimistisch bezüglich China:
“Unquestionably the most important aspect of the unfolding covid wave in China will be the human tragedy that will unfold. I’ve seen the argument floating about that, in terms of viral evolution, this will be of little consequence to the shape of the pandemic. I don’t agree.”
und begründet das so:
“Sheer numbers per unit time. I am not going to predict a direction (that would just be foolish/impossible), but there will be a whole lot of opportunity for rapid change. One can argue about impact of a (relatively) immunonaive population on this, but rate/scale matter.”
Die schiere Anzahl an Neuinfektionen in kürzester Zeit bietet dem Virus also Möglichkeiten für wilde Sprünge.
Cui bono? Pandemierevisionismus
Der Kurs der Bundesregierung ist klar: Die Geschichte der Pandemie soll umgeschrieben werden. Das Sterben und die hohe Krankheitslast in der Bevölkerung wurde erfolgreich normalisiert: Major Consensus Narrative (Was die Mehrheit der Gesellschaft für die Wahrheit über Ereignisse, Personen oder Sachverhalte hält – was nicht zwingend mit den Fakten übereinstimmen muss.)
Lockdowns hat man immer widerwillig als ultima ratio eingesetzt, weil man bis dahin versagt hat, gelindere NPIs zu ergreifen und positiv zu besetzen. Langfristige Präventativmaßnahmen waren nie ein Thema, weil mit Ankunft der Impfung automatisch vom Pandemieende ausgegangen wurde. Die Abschaffung aller Schutzmaßnahmen sollte Wählerstimmen sichern und der Wirtschat entgegenkommen. Die Individualisierung der Pandemie durch Eigenverantwortung hätte mit Aerosol-Übertragung nicht funktioniert, denn dann flöge das Virus weiter als einen Meter Entfernung und Indoor-Luft müsste als behördliche Vorgabe gereinigt werden. Atemluft ist nun mal nicht privat. Die ständige Weiterentwicklung von SARS-CoV2 mit Immun Escapes machte dem Projekt “Pandemie politisch beenden” jedoch einen Strich durch die Rechnung. Nachdem die Impfung alleine nicht ausreichte, um die Pandemie zu beenden, und eine Impfpflicht Wählerstimmen gekostet hätte, änderte man die Überwachung, Testangebot und Zählweise in den Spitälern, um die Folgen der Pandemie zu verschleiern. Die wahre Infektionsrate zeigt sich nurmehr indirekt im Abwassermonitoring und in der Übersterblichkeit. LongCOVID als schwerwiegendste Konsequenz (neben dem Tod) einer Durchseuchung mit “Impfung nur, wenn man möchte” (und selbst dann mit mühsamen Diskussionen durch die starren Vorgaben des NIG, in Deutschland anlog mit der STIKO) wird seit vielen Monaten vernebelt. Obwohl es so viele wissenschaftlichen Daten gibt, spielt man das Ausmaß herunter.
Es wurde früh gewarnt, dass der Wegfall aller Schutzmaßnahmen im Herbst 2022 zu einer Rückkehr der Influenza führen würde. Dazu kommen zahlreiche andere Infektionskrankheiten, die nun wieder stärker zirkulieren, aber aufgrund mutmaßlicher Immunschwäche nach einer Covid19-Infektion auch schwerere Verläufe mit sich bringen können. Die Lehre aus den letzten Jahren hätte jetzt sein müssen: Dank Masken und Lüftungsmaßnahmen können wir *alle* Infektionskrankheiten, die über die Luft übertragen werden, eindämmen. Covid19-Infektionen sind zu vermeiden, weil sie zumindest kurzzeitig für ein geschwächtes Immunsystem sorgen können, was bei Gleichzeitigkeit anderer Erreger zu einer Systembelastung und hohen Krankenstandswellen führt.
Stattdessen hat man die vermeintliche Immunschuld als bequemes Narrativ erkannt, ohnehin unpopuläre Maßnahmen wie Lockdowns und Masken nachträglich als Fehler zu framen. Dabei waren die Maßnahmen ab dem zweiten Lockdown immer so halbherzig, dass sie länger gelten mussten, ohne markant sinkende Fallzahlen zu erzeugen. Hätte man Kindergärten und Schulen mit Luftreiniger und Maskenpflicht ausgestattet, hätte man weitere Lockdowns womöglich verhindern können. So aber wird die Maskenpflicht nun dauerhaft negativ besetzt, umgeframed als “verhindert, das Immunsystem zu trainieren”. Public Health heißt fortan, dass gefährliche Krankheitserreger gut für dich sind, denn sie geben Dir langfristig bessere Immunität – außer Du stirbst vorher daran.
Obrigkeitshörige und wissenschaftsfeindliche Journalisten helfen aktiv mit, die Ziele der Regierung (aber auch der Opposition) zu erreichen, die dauerhaft erhöhte Übersterblichkeit zu verschleiern, und die umgesetzte “Great-Barrington”-Strategie, die so nie genannt wurde, aber eine Kopie des Schwedischen Wegs war, als einzigen logischen Ausweg aus der Pandemie seligzusprechen.
“Für mich gibt es kein anderes Mittel, dem Morden Einhalt zu tun, als die schonunglose Entlarvung meiner Gegner, und niemand, der das Herz auf dem rechten Fleck hat, wird mich tadeln, dass ich diese Mittel ergreife.”
Ignaz Semmelweiss aus einem Brief an den damaligen Professor der Geburtshilfe an der k.k. Josephs-Academie in Wien
“Lauter liebe Leut. Aber bösartig und unwichtig. Und katholisch.”
Thomas Bernhard über Österreich