

Zum Verständnis für die Leser: SARS-CoV2 wird über die Luft übertragen und zwar in Form von winzigen Tröpfchen, die die noch kleineren Viren enthalten, und beim Ausatmen freigesetzt werden. Größere Tröpfchen, die vor allem beim Husten und Niesen entstehen, enthalten kaum infektiöse Viren, sondern vor allem die kleinsten Aerosole, wo es bereits ausreicht zu atmen, sprechen, schreien oder singen. Je anstrengender die Aktivität, desto stärker wird ausgeatmet. Bei den neuen Varianten werden mehr Viren ausgeatmet (Lai et al. 2022, Jimenez et al. 2022).
Die Shanghai-Regierung ließ bereits am 8. Februar 2020 verlautbaren, dass SARS-CoV2 über die Luft übertragen wird. Bei der Pressekonferenz der WHO am 11. Februar 2020 sagte WHO-Chef Tedros in Minute 40:27 “Covid is airborne”. Um Minute 42:00 sieht man Tedros und den WHO-Geschäftsführer Mike Ryan reden, bei 46:23 sagt Tedros lachend, er hätte irrtümlich den militärischen Begriff airborne verwendet, danach redete er nurmehr von Tröpfchen. Es dauerte bis zum 30. April 2021, dass die WHO Aerosole als Hauptübertragungsweg anerkannt hat, seit 24. Dezember 2021 wird überhaupt nur noch von aerosol/airborne transmission gesprochen, die Schmierinfektion steht an dritter Stelle.
Die österreichische Gesundheitsbehörde AGES, die dem Landwirtschafts- und Gesundheitsministerium unterstellt ist, verwendet – Stand 13.03.23 – immer noch die veraltete WHO-Definition:
“Die Übertragung von SARS-CoV-2 erfolgt hauptsächlich über Tröpfchen, z. B. beim lauten Sprechen, lautem Singen oder durch Husten oder Niesen. Eine Übertragung kann in bestimmten Situationen auch über die noch kleineren Aerosole (feinste luftgetragene Flüssigkeitspartikel) erfolgen, die längere Zeit in der Luft schweben können, z. B. wenn viele Personen in nicht ausreichend belüfteten Innenräumen zusammenkommen.”
Nicht nur in bestimmten Situationen. Immer: Aerosole verhalten sich wie Rauch. Am stärksten ist die Aerosolwolke dort konzentriert, wo die emittierende Person steht. Dort ist auch das Ansteckungsrisiko am höchsten. Mit zunehmender Entfernung wird die Wolke ausgedünnt. In Innenräumen kann das über mehrere Meter Entfernung noch zu Ansteckungen führen – wenn zu wenig gelüftet oder die Raumluft nicht gefiltert wird.
Die Regierung weiß, dass saubere Luft wichtig ist
HEPA-Filter (High Effiency Particulate Air) der Klasse H13, wie am Podium von Bundeskanzler Nehammer, entfernen 99,95% aller Luftpartikel wie Pollen, Schadstoffe, Staub, Pilzsporen oder eben Viren. Ein mobiler HEPA-Filter ist eine Box mit einem Filter und einem Ventilator, der Luft durch den Filter zieht und zurück in den Raum bläst. Fest verbaute mechanische Lüftungsanlagen sind oft effektiver in der Umwälzung der Raumluft, speziell sogenannte Quell-Lüftung, die durch Düsen am Boden Luft in den Raum bläst und an der Decke abzieht. Dann sammelt sich die Dreckluft nicht um die Personen, sondern über ihnen und kann nicht eingeatmet werden. Mobile Luftfilter sind mitunter geräuschintensiv und stehen oft in der Ecke entfernt von Personen, was Luftverteilungsprobleme verstärkt. Besser ist ein Platz in der Mitte (also da, wo Nehammer steht). Nach der Rede wurde Nehammer noch in der U-Bahn ohne Maske gesichtet – man fragt sich, wie ernst er den Infektionsschutz selbst nimmt.
Kanzler-Pressesprecher Kosak und Vizebürgermeister von Altlengbach behauptete außerdem: “Es gibt offenbar Modelle mit ähnlicher Optik. In diesem Fall diente das Gerät der Kühlung.” In einem klimatisierten Raum, Mitte März. Alle Dyson-Modelle enthalten den Luftreiniger.
[Das ist wenig verwunderlich, wurde doch in der Rede viel heiße Luft produziert. So bezog sich Nehammer u.a. bei dem “Untergangsirrsinn” der Klimakatastrophe, die er als “win-win”-Situation bezeichnete, auf Michael Shellenberger, einem bekannten Klimakrisenleugner. Am 13. März 2023 veröffentlichte die UN ein Statement, wonach die Beweise klar, überzeugend und unwiderlegbar sind: Wir befinden uns an der Schwelle zum irreversiblen Umkehrpunkt. Aber das nur nebenbei als weiterer Beweis für die reaktionäre wissenschaftsfeindliche Politik der ÖVP, die sich auf eine erneute Koalition mit der FPÖ vorbereitet]
Das sollte er wissen. Denn seit Oktober 2021 sind Volksschule und Kinderbetreuungseinrichtungen in Altlengbach. mit Luftfiltern und CP2-Messgeräten augestattet.
„Die Kombination dieser drei Maßnahmen, den Luftfiltern, der CO2-Ampeln plus dem Lüften ist aus unserer Sicht die sicherste Methode die Situation zu bewerkstelligen“ so Kosak am 15.10.21
Die SPÖ hatte bereits im Frühjahr 2021 den Antrag auf Luftfilter gestellt, ist aber von der ÖVP blockiert worden.
Verschiedene Aufnahmen aus dem Bundeskanzleramt zeigen, dass schon seit längerem Luftfilter im Einsatz sind (31.03.21, 08.03.23). Hier handelt es sich um den DeLonghi AC 230 Luftreiniger, der schon seit Herbst 2020 im Kanzleramt im Einsatz ist. Laut Datenblatt kann er nicht einmal kühlen.


Ein Schelm, wer Böses denkt – denn aufwendige Schutzmaßnahmen gab es auch für den Weltwirtschaftsgipfel in Davos im März 2023 – ich hatte darüber gebloggt. Bei den engagierten Verfechtern heißt es seitdem nurmehr DavosStandard, wenn wir über saubere Luft reden. Wir wollen Davos-Standard, Nehammer- und Rauch-Standard auch in den Kindergärten und Schulen, in Öffentlichen Verkehrsmitteln und generell in öffentlichen Räumen und in Betrieben. Die ÖBB verwenden lediglich G4-Luftfilter, die keine Virenpartikel wie SARS-CoV2 herausfiltern können, die Wiener Linien geben ihre Filterbauart nicht bekannt – nachdem sie nicht damit werben, muss man davon ausgehen, dass sie auch keine HEPA-Filter der Klasse H13 verwenden.
Für den Pöbel ist das mit dem Schutz nicht so einfach.
Die Initiative Gesundes Österreich (IGÖ) schreibt via Twitter, dass ihnen mehrere Anfragen von Eltern vorliegen würden, die den Schulen und Kindergärten mobile HEPA-Luftfilter schenken wollten. Diese sind mit verschiedenen Argumenten abschlägig beantwortet worden. Zugelassen sind sie nur, wenn die Schulleitung zustimmt – reine Glückssache also, wenn man an eine Schule gerät, die das Thema Infektionsschutz ernstnimmt. Eine Userin teilt mit, dass die Kindergartenleitung in Wien nachgefragt habe, ob sie die Filter und CO2-Messgeräte zur Verfügung stellen dürfe – das wurde nicht erlaubt. Kein Einzelfall, wie sich herausstellt.

Dass verstärkte Lüftung Infektionen in den Schulen reduzieren kann, zeigen etliche Studien, z.B. Buonanno et al. 2022, Villers et al. 2022).
Entgegen den Regierungsnarrativen sind Kindergärten und Schulen als wesentliche Antreiber im Infektionsgeschehen seit langem belegt und bei Eltern auch schon lange bekannt, wenn sie sich bei ihrem verschnupften Kind anstecken. Während DELTA und BA.1 gab es in UK die meisten Infektionen bei Kindern und Jugendlichen (ONS, 11.02.23). Kinder zwischen 10 und 19 Jahren spielten bei der Verbreitung der OMICRON-Varianten die größte relative Rolle, sagt Edward Goldstein in seinem Preprint 2022, gefolgt von den Kindern zwischen 0 und 9 und jungen Erwachsenen zwischen 20 und 29. Ausführlicher in der Sektion Kinder und Jugendliche auf meinem Blog.
Wir wissen, dass saubere Raumluft nicht nur einer Infektion mit der Multisystemerkrankung SARS-CoV2 vorbeugt, sondern auch Influenza, RSV, gewöhnliche Coronaviren und andere Atemwegsinfekte verhindern kann. Dazu ist kürzlich ein wichtiger Nature-Artikel erschienen (Lewis 2023). In Belgien gelten ab Juli bereits neue Gesetze, die saubere Raumluft garantieren sollen, auch in anderen Ländern wird daran gearbeitet, saubere Luft gesetzlich zu verankern. Nur in Österreich passiert nichts – sogar das Gegenteil:
- Die SPÖ hat einen Antrag für Luftfilter im Nationalrat eingebracht, wurde aber von ÖVP und Grünen abgeschmettert – leider bleibt Rendi-Wagner auffallend stumm, was das Thema betrifft. So wichtig sind Kinder und Jugendliche sowie *wenigstens* vulnerable Angehörige dann doch nicht.
- Die NEOS sind gegen Masken und Luftfilter.
- Die FPÖ würde am liebsten alle Befürworter von Schutzmaßnahmen vor Gericht stellen.
- Die Grünen fahren einen rechtsliberalen Kurs, der sich bis auf die Impfung eins zu eins mit der FPÖ deckt.
- Die ÖVP verwendet für ihre Arbeitsräume und teilweise auch Gemeinden bereits Luftfilter, aber das gemeine Volk, ja selbst die eigenen Mitglieder werden für blöd gehalten (Nehammer sinngemäß bei einer Parteiveranstaltung: “Viele Menschen in einem Raum, aber jetzt kümmert uns das Virus nicht mehr.”)
Stimmungsmache gegen Maskenträger
“Menschen, die heute noch Maske tragen, sind die Führungskräfte von morgen. Nicht, weil sie das Leben anderer respektieren, sich solidarisch zeigen, ihren Überzeugungen treu sind, Rückrat zeigen.., sondern weil sie die einzigen sind, die noch klar sehen und denken können” (@walzsu, 13.03.23)
Auch darüber hab ich kürzlich gebloggt. Eigentlich hätte es damit geklärt sein müssen. Wurde es aber nicht. Alle Zeitungen haben das angebliche Maskenverbot rauf und runtergespielt, sodass es viele Menschen verunsichert hat, die bisher weiterhin eine Maske getragen haben.
Beispiele aus Twitter, anonymisiert:
“Ich wurde heute von einer besorgten Frau gefragt, ob ich keine Angst vor einer Strafe hätte. Sie ist heute ohne Maske mit den Öffis in die Arbeit gefahren, da sie sich 150 Euro Strafe fürs Masketragen nicht leisten kann.”
“Es ist einfach nur mehr verrückt Am Donnerstag, ich geh mit FFP2 in ein Geschäft..das Verkaufspersonal..” Sie wissen aber schon, dass Maske tragen ab jetzt strafbar ist” Heut in der Strassenbahn..ich hab Maske auf..ist ja klar..” Sie wissen aber schon, dass Masken verboten sind… der Witz bei der Sache war..das waren keine typischen Maskenverweigerer..da ist eine junge Frau dazugekommen, wir hatten alle ein nettes Gespräch, hatte die Maske in der Tasche und sagt, sie würde die Maske normalerweise tragen, war verunsichert, hatte Angst sie würde bestraft.”
“Früher hat mich nie jemand darauf angesprochen! Jetzt tragen noch weniger Menschen Maske und man wird sogar darauf aufmerksam gemacht, man müsse Strafe zahlen. Hab dann höflich erklärt, dass dies Blödsinn ist. Aber die Leute glauben es, weil es in der Zeitung stand!”
Eine mir bekannte LongCOVID-Spezialistin wurde im Zug angepöbelt, weil sie eine FFP3-Maske trug.

Wir haben jetzt also die Situation, dass …
- wir ein hohes Infektionsgeschehen von SARS-CoV2 haben, dazu kommen etliche andere Viruserkrankungen und vor allem bakterielle Infekte wie Scharlach und Streptokokken
- gleichzeitig haben wir akuten Medikamentenmangel, neben Antibiotika fehlt es auch zunehmend an Medikamenten für Chemotherapie
- praktisch keine Sau trägt mehr Maske in der Öffentlichkeit – wer seine Ohren offen hält, wird ein nie dagewesenes Hustenkonzert vernehmen
- auch viele klar vulnerable Personen wie ältere Menschen tragen keine Masken mehr
- immunsupprimierte Patienten liegen mit infizierten Patienten in einem Zimmer, ohne Testpflicht in den Spitälern und mit schlampig getragenen Masken sind Patienten generell gefährdet, sich anzustecken.
Das Gerede um das angebliche Maskenverbot und dass man gesundheitliche Gründe angeben muss, wird dahingehend interpretiert, dass Eigenschutz nur dann notwendig sein würde, wenn man an der Infektion versterben kann (“vulnerabel”), aber nicht, wenn man als gesunder Mensch Langzeitfolgen verhindern will, die nicht-vulnerable genauso betreffen können und nicht selten sind (5-10% aller Infektionen auch bei Geimpften, 10-20% bei Ungeimpften).
Während die Debatte sich also nur darum dreht, dass “gesundheitliche Gründe” Vorerkrankungen sind, müsste man die Argumentation umdrehen: Präventive Maßnahmen wie Maske tragen verhindern, dass aus gesunden Menschen (chronisch) kranke Menschen werden. Das ist vernünftig, vorbildlich und solidarisch.
Es ist sonnenklar: Wäre die FPÖ jetzt in der Regierung, hätten wir das Maskenverbot schon lange. Gleichzeitig hat es das Innenministerium (ÖVP) offenbar nicht eilig, für die Bevölkerung, aber auch für die ihnen unterstellte Polizei klarzustellen, dass Maske tragen weiterhin erlaubt ist, selbst wenn die Meldepflicht für SARS-CoV2 einmal fällt. Denn die Ausnahmegründe gelten bei Infektionsgefahr generell, aber auch bei Luftverschmutzung oder Allergien. Schließlich läuft niemand zum Spaß mit einer FFP2- oder teureren FFP3-Maske herum.
Man sieht aber auch die Scheinheiligkeit vieler Journalisten, wie etwa Chefredakteur Klenk, der sich vehement (und zurecht) für bestrafte Parkbankbenutzer im ersten Lockdown eingesetzt hat, aber jetzt, wo sich ohnehin nur noch eine viel zu geringe Minderheit in der Bevölkerung schützen muss oder will, bleibt er auffällig ruhig – er hatte allerdings auch monatelang immer wieder die Maskenpflicht in Frage gestellt, sogar schon im ersten Lockdown:
