Upward Failing: Wie man in Österreich Karriere macht

Herbst 2020: Die erste von vielen Grafiken mit Inzidenz, Hospitalisierung und den Aussagen von “Scheinexperten”, die sich heute alle noch in Amt und Würden befinden (bis auf Allerberger, der pensioniert wurde) oder sogar befördert wurden.

Während die Pandemie immer noch läuft, findet bereits deren Aufarbeitung statt, als würde es sich um ein Ereignis der Vergangenheit handeln. Zur Erinnerung: Ende Dezember 2022 gab es das berüchtigte Interview mit Virologe Drosten, wo er ankündigte, dass wir diesen Winter die erste endemische Phase von SARS-CoV2 erleben würden, um wenig später, aber zu spät zurückzurudern, dass man das erst hinterher wüsste, ob wir tatsächlich die endemische Phase erreicht hätten. Daraufhin beendete die österreichische Regierung jubelschreiend die Pandemie. Kurz darauf überschwappte uns aus den USA die kontagiösere Variante XBB.1.5, deren Höhepunkt an die Größenordnung der bisher höchsten BA.2-Welle im Vorwinter herankam. Nach allen epidemiologischen Definitionen – kontinentübergreifend und vom Ausmaß her klar die vorherigen Wellenberge überragend – befanden und befinden wir uns weiterhin in einer Pandemie. Aktuell sinkt zwar die XBB.1.5-Welle langsam ab, aber aus Indien droht mit XBB.1.16 neues Ungemach. Die Faktenlage ist also so, dass wir uns weiterhin in einer Pandemie befinden, denn die Definition orientiert sich nicht an der Kapazitätsüberschreitung von Intensivbetten in österreichischen Spitälern.

Eine objektive, unabhängige Aufarbeitung der bisherigen Pandemiephase wird in Österreich nicht stattfinden. Das ist weder von den aktuellen politischen Akteuren gewünscht noch mit den wissenschaftlichen Akteuren möglich, die tonangebend bei der Aufarbeitung sind.

Ganz anders, wenn man in die USA schaut, wo Immunologe Anthony S. Fauci, der erst Trump und dann Biden beraten hat, am Montag, 27.03.23 einen Vortrag gehalten hat. Unter den 10 Lehren aus der Pandemie nennt Fauci als Erstes folgende Punkte (“expected the unexpected”), die nicht erwartet oder nicht von Beginn an gewürdigt wurden:

  • ein stark mutierendes Virus, dass der Immunantwort, Therapien und Impfstoffen entkommen kann
  • asymptomatische und präsymptomatische Übertragung ist häufig (59%, davon 35% präsymptomatisch, 24% asymptomatisch)
  • die Übertragung über Aerosole dominiert (Singen reicht, man braucht keine Symptome)

SARS-CoV2 mutiert sehr stark von Wuhan zu XBB.1.5 jetzt, ebenso die Wachstumskapazität ist stetig gestiegen, und es gibt mehrere Wellen der gleichen Ober-Variante, was so nicht erwartet wurde.

In der österreichischen Berichterstattung werden bis heute alle drei Punkte nicht ausreichend anerkannt, darüber aufgeklärt und die notwendigen Verhaltensempfehlungen daraus abgeleitet – etwas, das ich durch meinen Survival Guide versucht habe abzudecken, aber eigentlich Aufgabe von Kampagnen der Regierung, Gesundheitsbehörden und auch des staatlichen Rundfunks wäre.

Von den genannten 10 Lehren sind vor allem Nr. 9 (Desinformation ist der Feind der Pandemie Kontrolle) und Nr. 10 (For COVID19, it ain’t over till it’s over) noch eine gesonderte Erwähnung wert. Fauci ist der Ansicht, dass Eliminierung von COVID19 wie bei Masern oder Polio nicht (mehr) möglich ist, weil Voraussetzungen für Eliminierung sind: kein Tierreservoir, stabiles Virus, verbreitete Impfungen und lebenslange Immunität. Demzufolge sei nurmehr Kontrolle über wiederholte Impfschutzauffrischung wie bei Influenza möglich. LongCOVID hat er im Vortrag aber nicht erwähnt, das kann man nicht negieren.

Was macht eigentlich …?

Ich habe in den vergangenen drei Jahren viele medial aktive Akteure der Regierung, der Medien, der Medizin und der Wissenschaft intensiv verfolgt und einschlägige Aussagen dokumentiert. Wie verlief ihre Karriere seitdem? Da zeigen sich schon gewisse Muster, die für Österreich durchaus typisch sind, möchte ich sagen. Meine ausländischen Follower:innen werden jetzt sagen – aber bei uns ist das auch so – dann, bitte, dokumentiert das! Macht einen Blog, sammelt Zitate und Fakten!

Bernhard Tilg, Landesrat in Tirol (ÖVP)

Im Tiroler Skimekka Ischgl hat alles begonnen. Die Behörden reagierten verzögert, obwohl aus skandinavischen Ländern Warnungen und erste Meldungen von Ansteckungen kamen. Am 5. März 2020 hat Island Ischgl zum Risikogebiet erklärt, erst am 10. März wurde die Kitzlochbar geschlossen, die Skibetriebe liefen noch bis zum ersten Lockdown. Tilg dazu in der ZiB2: “Die Behörden haben alles richtig gemacht.” (STANDARD, März 2020)

Im Februar 2022 wurde Tilg zum Vizerektor der Tiroler Privatuniversität UMIT ernannt.

Köksal Baltaci, Journalist der Tageszeitung “Die Presse”

Seine Leitartikel und Interviews fallen in die Kategorie “False Balance”. Am 2. Oktober 2020 schrieb er einen verharmlosenden Beitrag zum Coronavirus:

Große Fortschritte lassen hoffen, es dürfte für den Großteil der Bevölkerung relativ harmlos sein.” und “bei jungen, gesunden Personen eilt die Impfung nicht”

Vom Intensivmediziner der Klinik Ottakring, Burkhard Gustorff, gab es daraufhin einen geharnischten Leserbrief (vom 6.10.20), worin er schrieb, dass er “in den vergangenen Wochen mehrfach schwangere Frauen, jung, gesund und wohlauf bis zur Covid-Erkrankung” gesehen habe, mit “schwerer Atemnot, tagelang künstlich beatmetet und um ihr Leben ringend.” Er könne seine schreibtischferne Einschätzung beim besten Willen nicht teilen.

Ein Interview mit dem Verband der Privatkrankenanstalten vom 24. Juli 2019 gibt interessante Einblicke in sein Weltbild, demzufolge sollen Versicherte mehr bezahlen, wenn sie einen ungesunden Lebensstil pflegen. Diese Ideologie kam im Interview mit Gustorff am 28.11.20 zum Vorschein, als er insinuierte, dass der überproportional hohe Migrantenanteil auf den Intensivstationen an derem ungesunden Lebensstil liegen würde. Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger forderte damals mehr Differenzierung, denn es gibt starke sozioökonomische Benachteiligung, mehr Armut führt nachweislich zu schlechterer Gesundheit, zu mehr Vorerkrankung und zu fehlendem Schutz, weil man auf engem Raum lebt, zudem sind Migranten in systemerhaltenden Berufen überrepräsentiert. Von Baltaci ist nicht alles schlecht – so interviewte er als einer der ersten Journalisten eine LongCOVID (jetzt: MECFS)-Betroffene. Durch seine Leitartikel zog sich aber eine konsequente Ablehnung gesamtgesellschaftlicher Public-Health-Interventionen (Maske, Tests, Isolationspflicht) und eine Verharmlosung der Erkrankung, auch seine Fragen wurden oft tendenziös gestellt.

Am 01. Jänner 2023 behauptete er in einem Leitartikel, dass das Virus einer Saisonalität unterliegen würde, “das haben die vergangenen drei Jahre eindeutig gezeigt.

Eindeutig nein: Keine Saisonalität erkennbar, sondern Wiederanstiege jeweils nach Aufhebung der Maskenpflicht bereits im Frühsommer. Mit OMICRON-Untervarianten sogar mehrere Wellen in kürzerer Zeit.

Rückendeckung bekommt Baltaci von Kollegen. So lobte ZiB2-Anchorman Martin Thür Baltaci am 16. Jänner 2023 auf Twitter mit den Worten: “Meine persönliche Pandemie-Bilanz: Köksal Baltaci hatte die stabilste Berichterstattung.”

Am 26. November 2020 erhielt Baltaci den ÖGARI-Medienpreis (Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin) mit der Begründung “sachgerechte und kritisch-hinterfragende Art und Weise”. Weiters wurde er zum “Corona-Erklärer des Jahres 2020”, “Journalist des Jahres 2021” in der Kategorie Wissenschaft und “Journalist des Jahres 2022” im Branchenmagazin “Österreichs Journalist:in” ausgezeichnet.

Petra Apfalter, Infektiologin und Leiterin des Instituts für Mikrobiologie, Hygiene und Tropenmedizin in Linz

Sie hat ihr Diplom 2001 an der London School of Hygiene and Tropical Medicine gemacht. Zu dieser Zeit war Chris Whitty Professor und hielt Vorlesungen zur Pandemiebekämpfung. Whitty hat später den ehemaligen UK-Premier Boris Johnson beraten und wollte Herdenimmunität über Durchseuchung erreichen. Unter Whitty machten auch Rendi-Wagner, Anders Tegnell und Daniela Schmid ihren Abschluss.

Apfalter ist außerdem Mitglied in der Expertengruppe “Arznei und Vernunft”, einem Projekt des Dachverbands der Österreichischen Sozialversicherung, Pharmaunternehmen, Ärztekammer und Apothekerkammer, sie ist im Management des Diagnostiklabors Analyse BioLab tätig. Sie sitzt bis heute gemeinsam mit Allerberger-Nachfolger Bernhard Benka im Advisory Forum des ECDC für Österreich.

Am 6. Oktober 2020 lehnte sie im ORF-Magazin REPORT die Einführung von Gurgeltests an den Schulen vehement ab:

Gurgeltests sind absolut abzulehnen (siehe meine beiden Faktenchecks von Tag 238 und Tag 239)

Diese Aussage hat mich damals auch deswegen verwundert, weil schon damals im Abnahmebuch ihres Labors Gurgeltests für die vier gewöhnlichen Coronaviren vermerkt waren, Stand 28.03.23 auch für SARS-CoV2. Warum lehnte sie dann Gurgeln für SARS-CoV2 ab? Apfalter sprach sich dafür aus, nur symptomatische Personen zu testen, Kinder unter 10 Jahren sollten gar nicht getestet werden – was die hohe Dunkelziffer in der zweiten Welle erklärt hat, was wiederum von AGES, Regierung und Opposition sowie Journalist:innen aufgegriffen wurde, zu behaupten, dass Kinder keine Rolle im Infektionsgeschehen spielen würden.

Ihren berühmtesten Verhauer leistete sie sich mit der Aussage: “Wir haben keine zweite Welle, sondern einen technischen Labor-Tsunami” (18.09.20) in einer Presseaussendung der Oberösterreichischen Ärztekammer, gemeinsam mit Martin Sprenger, Franz Allerberger und Günter Weiss.

Am 02. November 2020 gab sie dennoch eine Pressekonferenz mit dem damaligen Bildungsminister der ÖVP, Heinz Faßmann, wo sie es für richtig hielt, die Kindergärten und Schulen weiterhin offenzuhalten, und sich eben auf die durch Untertestung selbst generierten niedrigen Fallzahlen bei Kindern und Jugendlichen berief. Inoffiziell wurde bekannt, dass Apfalter Faßmann beraten habe, unklar, ob das auch bei Polaschek der Fall war.

Petra Apfalter wurde von der damaligen Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) bereits 2017 zur Vizepräsidentin in den Obersten Sanitätsrat gewählt, auch aktuell ist sie bis 2025 dort gewähltes Mitglied.

Nikki Popper, Simulationsforscher und Unternehmer

Popper gehörte zu den ständigen Beratern der Regierung und war auch in der unverbindlichen Beraterkommission GECKO vertreten. Am 17. Jänner 2021 deutete er in der ORF-Diskussionssendung “Im Zentrum” bereits die strategische Kehrtwende der Regierung an, die sich durch die Impfung abzeichnete:

“Das Impfen funktioniert ja deshalb so jetzt in dieser Priorisierung bei den Alten, bei den Vulnerablen, damit diese Quote gesenkt wird, damit das Gesundheitssystem entlastet wird, dass wir dann im Umkehrschluss wieder mehr zulassen können.”

Ähnliche Aussagen hörte man später auch von Virologe Bergthaler und Virologin von Laer, aber auch Epidemiologin Schmid. Der damals einheitliche Tenor: “Sobald die Vulnerablen geimpft sind, kann man höhere Infektionszahlen zulassen.” Was sich übrigens mit Baltacis Aussage vom Herbst 2020 deckt. Dass auch junge Menschen schwer erkranken können und LongCOVID für alle Altersgruppen unabhängig von Vorerkrankungen eine Rolle spielt, wurde damals ausgeblendet. Ein unverzeihlicher Fehler.

Am 4. November 2021 (DELTA-Welle) gab Popper zu:

“Die Hoffnung war, dass wenn die Grunddynamik stärker wird, wir das durch die Immunisierung ausgleichen können. Jetzt sehen wir, dass das nicht der Fall ist. Das prognostizierten wir aber seit Sommer.”

In seinen oft gelehrig klingenden Worten verbirgt sich die Aussage: Man dachte, Impfung und Infektion führen zur Herdenimmunität. Die Durchimpfung geriet im Sommer jedoch ins Stocken und DELTA machte einen Strich durch die Rechnung.

Am 27. Dezember 2021, als sich OMICRON bereits langsam ausbreitete, ging Popper davon aus, dass die heimische Bevölkerung “mittlerweile recht gut immunisiert ist.” Was zu diesem Zeitpunkt bereits falsch war, denn der Schutz vor Reinfektion sank von 85% bei DELTA auf 19% bei OMICRON, wie britische Daten gezeigt hatten.

Am 11. Jänner 2022: “Das ist keine Durchseuchung, sondern eine Immunisierung.” (ZiB2)

Am 11. März 2022 am Höhepunkt der BA.2-Welle: “Den Anstieg haben wir nicht ganz konkret so gesehen.” (Puls24)

Am 17. Juni 2022: “Zu schützen gelte es vor allem vulnerable, ältere Menschen, Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip würden kaum mehr Wirkung zeigen: “Wenn man das Land zusperrt, verschiebt man nur den Abfall der Immunisierung.” (Krone)

Das erinnert an den schwedischen Epidemiologen und Great-Barrington-Declaration-Mitbegründer Johan Giesecke: “Lockdown verschiebt Tote in die zukunft” (April 2020).

Was Popper unterschlug: LongCOVID kann alle Menschen betreffen, egal ob vorerkrankt oder jung. Ebenso lohnt sich natürlich die Verschiebung von Infektionen in die Zukunft, wenn man auf angepasste Impfstoffe und bessere Medikamente hoffen kann, zu diesem Zeitpunkt waren das die bivalenten Impfstoffe sowie Paxlovid. Und was er als “Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip” bezeichnete, ist in Wahrheit “Public Health” statt “focused protection”, die nicht funktioniert (Stoddard et al. 2023). “Das Land zusperren” war natürlich ein klassischer Strohmann (PLURV), denn niemand forderte das mehr. Test, trace, isolate, quarantine, Masken, Airborne Measurements hätten ausgereicht – auch ohne “zusperren”.

Am 8. November 2022 bewegte er sich im Einklang mit Gesundheitsminister Rauch:

“Wir haben jetzt ganz andere Mechanismen, die funktionieren – weil wir geimpft sind, weil wir Therapien haben und weil wir schon lange mit diesem Virus zu tun hatten.”

Kinder sind großteils ungeimpft, für sie gibt es auch keine Medikamente – noch dazu einen akuten Medikamentenmangel, der sich schon im Herbst 2022 abzeichnete, die Medikamente sind nicht für den breiten Einsatz gedacht, für Immungeschwächte gibt es keine wirksamen Antikörpertherapien mehr und die LongCOVID-Betroffenen haben auch keine Garantie auf wirksame Therapien.

Popper erhielt den “Preis der Forschung” als Österreicher des Jahres 2021 – nominiert war u.a. auch Virologe Florian Krammer.

Florian Klenk, Journalist und Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung FALTER

Vor allem die FALTER-Journalisten Klenk und Barbara Tóth haben sich früh auf den “Schwedischen Weg” gestürzt, wodurch Schweden ohne Maßnahmen angeblich so viel besser durch die Pandemie gekommen als Österreich. Im ersten Lockdown war ich durchaus noch auf Blattlinie, dass die Polizei überhart gegen Spaziergänger und Parkbanksitzer vorgegangen ist. Auch die Sperrung der Bundesgärten (und Spielplätze) war kontraproduktiv. Allerdings versteiften sich die FALTER-Journalisten mehr auf den “Freiheitseinschränkungen” als auf die tatsächliche Gefährdung durch das Virus selbst.

In zwei ausführlichen Beiträgen habe ich begründet, weshalb ich das FALTER-Abo gekündigt habe und dem Chefredakteur erklärt, warum er ZeroCovid nicht verstanden hat.

„Ein “Lockdown” dient dazu, die Kapazitäten in den Spitälern nicht zu sprengen. Aber er dient natürlich nicht dazu, die Ansteckungen komplett zu verhindern. Das wäre komplett totalitäres Denken. Es gibt schon auch noch andere
Interessen in einer Gesellschaft .“


„Aber in vorarlberg liegen derzeit 14 personen auf der intensivstation. Da muss man keine panik verbreiten.“

(Tweets am 21. April 2021, am Ende der ALPHA-Welle)

Empathie kann man nicht kaufen. Was sind die “anderen Interessen” in der Gesellschaft? Menschen, die es gerne bequem haben, und sich für andere nicht einschränken wollen, nicht einmal in einer Pandemie, nicht einmal für wenige Wochen, wenn – wie noch im Frühling 2021 – eine hohe Durchimpfungsrate eine deutlich bessere Ausgangslage für weitere Infektionswellen bedeutet hätte. Und einschränken, was heißt das überhaupt? Maske tragen ist wie Helm tragen oder Gurtpflicht keine Einschränkung.

Am 11. November 2022 schrieb Klenk auf Twitter wieder einen von vielen maskenkritischen Tweets:

„In fast keinem Staat der Welt trägt man Maske in Öffis. In Wien (und in D) schon. Wieso sind die Gesundheitsminister fast aller anderen Länder der Meinung, dass man sie dort nicht mehr braucht? Sind sie zu unvorsichtig? Oder ist Wien zu vorsichtig?”

In zahlreichen Ländern herrschte da noch Maskenpflicht, in Ländern wie Mexiko, Japan oder selbst im “Land der Freiheit” USA, genauer gesagt Kalifornien, trugen viele Maske auch ohne Pflicht.

Florian Klenk wurde “Journalist des Jahres” 2021 und agitiert bis heute gegen Masken und negiert Studien zur Kindergesundheit, die andere Faktoren als nur geschlossene Schulen miteinbeziehen.

Daniela Schmid, Epidemiologin bei der AGES

Im Fernsehen oft “Chefepidemiologin” genannt, war sie lange Zeit Sprecherin der Corona-Kommission. Eine ihrer ersten öffentlichen Wortmeldungen fiel mir damals noch positiv auf, wo sie die bei Kindern beobachteten häufig asymptomatischen Verläufe anführte, dass es dadurch schwieriger sei herauszufinden, welche aktive Rolle sie bei der Übertragung spielen würden. Leider hat sich ihre damalige Empfehlung, in Öffis auf Telefonate zu verzichten, nie durchgesetzt.

“Der aktuelle Forschungsstand ist, dass Kinder im Rahmen einer Infektion eine vergleichbare Viruslast wie Erwachsene aufweisen.” (08. Mai 2020, ORF)

Ab Herbst 2020 reihte sich Schmid ein in die generellen Maßnahmenkritiker und stellte die Schule als Hauptübertragungsort in Frage.

“Generell werden Kinder nicht als Treiber der Epidemie angesehen.” (27. September 2020, Presse am Sonntag)

Ebenso wie Apfalter und Allerberger und plädierte sie dafür, nur symptomatische Personen zu testen, die dafür extra den Hausarzt aufsuchen sollten. “Diese Situation ist nicht viel anders als in der Grippe- oder Masernsaison.”

Im Presse-Interview sprach sie sich außerdem gegen den Begriff Welle aus: “Die Welle ist ein Angst-Wort und falsche Kommunikation.”

Unvergessen ihr Statement am 22. Oktober 2020 zu den ominösen Haushaltsclustern:

“Wie das Virus in die Haushalte kommt, wissen wir nicht. Jeder Haushaltscluster hat einen Quellenfall, dessen Quelle wiederum ungeklärt ist.”

Könnten es möglicherweise die dramatisch untertesteten Kinder und Jugendlichen in Kindergärten und Schulen sein, welche das Virus in die Haushalte getragen haben? Alles sehr mysteriös.

Dennoch behauptete Schmid am 19. Dezember 2020 im STANDARD erneut:

“Wir haben aus den Daten keinen hinweis darauf, dass Kinder im Pflichtschulalter die Schulen zu Hotspots machen.”

Ihre Fehlprognose am 09. Jänner 2021 im STANDARD:

“Impfen, impfen, impfen, denn sind erst einmal die vulnerablen Gruppen geschützt, wird sich die Lage insgesamt entspannen.”

Übrigens eine Haltung, die viele ihrer Kolleg:innen teilten, aber da hatte man weder die Zahl der vulnerablen Personen noch der nicht-vulnerablen Personen einkalkuliert, die an LongCOVID erkrankt sind.

Am 16. Februar 2021 gab sie ihr berühmtes FALTER-Interview, wo sie behauptet hatte, dass Volksschulen nie geschlossen werden hätten müssen. Darin behauptetete sie außerdem, dass vor allem Lehrer das Virus in die Schule tragen würden. Kinder wären weniger empfänglich und könnten das Virus auch nicht so leicht übertragen – ganz im Gegensatz zu allen bekannten Corona-, RS- und Influenzaviren. Auch das mit den Aerosolen schien sie nicht ganz verstanden zu haben:

„Wenn nur die Hälfte der Kinder in einer Klasse ist, brauchen sie keine Maske mehr zu tragen.“

Daniela Schmid wurde 2021 Leiterin der neu gegründeten Abteilung für Infektionsepidemiologie in der AGES.

Heinz Faßmann, Bildungsminister der ÖVP, später abgelöst von Martin Polaschek (ÖVP)

Faßmann ist Universitätsprofessor für Angewandte Geographie, Raumforschung und Raumordnung an der Uni Wien. Als Bildungsminister wurde er unter anderem von Infektiologin Apfalter, Ex-NEOS-Chef Matthias Strolz und Kinderarzt Reinhold Kerbl, Präsident der ÖGKJ beraten – das Trio infernale, wenn man so möchte, denn Strolz fiel wiederholt durch esoterische Ansagen Marke Rudolf-Steiner auf:

“Wenn Kinder eine Krankheit durchmachen, sind sie anschließend oft in einer Art nächster Entwicklungsetappe angekommen. Kinderärzte nennen das “Entwicklungskrankheiten”. (Nein, seriöse Kinderärzte wollen, dass Kinder gesund bleiben, deswegen impfen sie gegen vermeidbare Krankheiten)

Kerbl machte bei “Eine andere Freiheit” von Til Schwaiger und Nina Proll mit, die damit gegen die Impfung von Kinder und Jugendlichen agitierten.

Im Herbst 2020 hielt Faßmann die Pressekonferenz gemeinsam mit Apfalter (siehe oben). In einem Interview mit dem PROFIL räumte Faßmann den beschränkten Nutzen der sogenannten Nasenbohrertests an den Schulen ein. Bei asymptomatischen Infizierten würde die Trefferquote nur bei 56% liegen.

Faßmann geizte nicht mit Mathematikkenntnissen:

Ich bin froh, wenn ich die Hälfte entdecke. Außerdem testen wir zwei Mal die Woche. Das heißt, bis zu einer gewissen Wahrscheinlichkeit entdecke ich jene, die durchrutschen, in der zweiten Runde.”

Es ist genau dieselbe Wahrscheinlichkeit wie bei der ersten Runde.

Im Februar 2021 entdeckte Faßmann den Labor-Tsunami wieder, denn er kommentierte den starken Anstieg bei Volksschülern so:

„Wir führen das nicht auf eine steigende Infektionshäufigkeit zurück, sondern auf eine vermehrte Testroutine“. „Gerade
Volksschulkinder verstehen es von Woche zu Woche besser, die Probenentnahme durchzuführen und damit für valide Ergebnisse zu sorgen.“
(APA, 17. Februar 2021)

Höhepunkt seiner Schaffenszeit war eine Aussage in der ZiB2 im Juni 2021:

„COVID ist keine Kinderkrankheit. Das ist etwas, was sich glaub ich unbestritten im letzten Jahr herausgestellt hat.“

Kinderarzt Karl Zwiauer, der außerdem Mitglied im Nationalen Impfgremium ist:

„Wir kennen keine Kinderkrankheit, die so belastend ist wie die Covid-Erkrankung.“ (17. September 2021, “NÖ Heute”)

In der schweren DELTA-Welle hielt Faßmann die Schulen offen mit der Begründung “weil wir systematisch testen”. Schutz der Schulkinder? Fehlanzeige.

“Wenn die Schulen geschlossen würden, hätte man ein wichtiges Mittel zur Pandemiebekämpfung weniger, argumentierte der
Bildungsminister. Anhand der vielen Tests erhalte man einen guten Überblick über das Infektionsgeschehen, zeigte er sich mit dem Testsystem zufrieden.“
(29. Oktober 2021, Puls24)

Schrödingers Pandemiebekämpfung, denn mit Schutz in den Schulen und phasenweise Distance Learning hätte man ein wichtiges Mittel zur Pandemiebekämpfung mehr gehabt, und insgesamt weniger Infektionen. Später galt zwar eine Maskenpflicht, nicht aber im Unterricht, wo die Kinder stundenlang auf engem Raum zusammenkommen.

Der damalige Schulsprecher der AHS-Rahlgasse in Wien, Mati Randow, sah das naturgemäß anders:

„Man hat die Quarantäne-Maßnahmen gelockert, damit weniger Leute, weniger Schülerinnen und Schüler zu Hause sitzen. Nichtsdestotrotz sind 44% der Infektionen der gesamten Pandemie seit Schulstart passiert. Da kann man nicht von einer guten Strategie, von einem gelungenen Schulstart sprechen.“
„Ich sehe im Moment keinen Weg, der an Distance Learning vorbeiführt.“
„Ganz klar ist halt auch, wer dafür die Verantwortung trägt, und das ist der Bildungsminister, das sind die politischen Verantwortlichen. Man kann einfach nicht sagen, dass es jetzt so alles gut ist. Also es liegen seit ein paar Wochen immer mehr Kinder auf Intensivstationen zum Beispiel. Und wenn wir genug Impfstoff haben seit Monaten, dann ist doch jedes Kind auf einer
Intensivstation ein Totalversagen der politisch Verantwortlichen.“
(15. November 2021, ZiB2)

Je länger die Pandemie, desto ehrlicher wurden die Antworten von Faßmann auf die Frage, warum man die Schulen weiterhin geöffnet ließ:

“Weil nirgends so systematisch getestet wird, wie in Schulen, um eine weitere Belastung für Schüler nach zwei Jahren Pandemie zu vermeiden und um zur Entlastung des Gesundheitspersonals Betreuungspflichten zu erfüllen.” (18. November 2021, Oberösterreichische Nachrichten)

Der schwedische Epidemiologe Anders Tegnell, dessen schwedischer Weg ja weiterhin Vorbild für Österreich ist (samt Pandemierevisionismus), äußerte sich am 15. April 2020 nämlich so:

“If children don’t go to school their parents need to stay at home and we know of economic calculations that have been given to us that then about 20% of the workforce disappears from the Swedish work market”

Am 1. Juli 2022 wurde Heinz Faßmann zum Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ernannt.

Monika Redlberger-Fritz, Virologin der MedUni Wien

Wir erinnern uns noch dunkel an das erste Jahr der Virusvarianten. Impfstoffzulassung zu Jahresbeginn, allgemeine Zulassung für die Normalbevölkerung im Frühling. “Für Geimpfte ist die Pandemie vorbei” von Ex-Kanzler Kurz. Die britische Variante ALPHA konnte durch zwei Impfungen noch gestoppt werden, die indische Variante DELTA erst mit drei Impfungen. Im Sommer blieb die Impfkampagne im Bundeskanzleramt liegen, denn im Herbst waren die Landtagswahlen in Oberösterreich und die ÖVP wollte weder die Impfgegnerpartei MFG noch die Coronaleugner der FPÖ verschrecken. Auch die anderen Parteien wollten sich keine Blöße geben und gar erneute Maßnahmen fordern. Wir wissen, dass der vierte Lockdown viel zu spät kam, zumal am Anfang nur für Ungeimpfte, und das waren nun einmal mehrheitlich Gegner von Maßnahmen. Dass bereits DELTA in der Lage war, den Impfschutz soweit zu umgehen, dass Geimpfte sich und andere anstecken konnten, blieb lange Zeit unbekannt oder wurde ignoriert.

.”Früher oder später wird es eine ganz normale Zirkulation eines respiratorischen Virus werden, das wir auch von anderen Viren kennen. Wann das sein wird? Wenn genügend Leute eine Impfung erhalten haben oder natürliche Immunität erlangen.” (PROFIL, 01. Oktober 2021)

Die lange vertretene, pseudooptimistische Mär der Herdenimmunität, die OMICRON dann ausgehebelt hat. SARS-CoV2 ist kein normales Atemwegsvirus, sondern eine Erkrankung der Gefäße (Vaskulitis), was zu den gefürchteten neurologischen Erkrankungsbildern führen kann. “Normal” hieße, es würde einen saisonalen Verlauf nehmen mit einem monatelangen Minimum im Sommer und einem meist kurzen, aber heftigen Maximum im Winter. Tatsächlich befinden wir uns auch eineinhalb Jahre später weit weg von saisonalen Wellentälern- und bergen.

Die Virologin Monika Redlberger-Fritz und den Vizerektor der Med-Uni Wien, Oswald Wagner. Beide erklärten öffentlich, dass eine Herbstwelle zwar zu erwarten war, die Schärfe der Welle aber unterschätzt worden sei. (PROFIL, 13. November 2021)

Es wurde frühzeitig gewarnt, u.a. auch von Gesundheitsökonom Czypionka, dass die Durchimpfungsrate (zwei Impfungen!) in Österreich nicht ausreichen würde, eine starke Herbstwelle zu verhindern. Mit der liegen gebliebenen Impfkampagne ging im Sommer nichts mehr weiter. Es ist aber noch pikanter:

Das Gesundheitsministerium gab eine Modellrechnung an die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) in Auftrag, ab wie vielen Neuinfektionen pro Tag die Intensivstationen kollabieren würden (Ergebnis: 3000 bis 10000 pro Tag). Mit Schulbeginn im Herbst 2021 änderte man den Stufenplan und koppelte die Maßnahmen (z.B. Maske tragen im Unterricht) an die Intensivbettenbelegung. Damit wurde klar: Kinder sollten nicht geschützt werden, sondern waren das Vehikel für die Durchseuchung. Erst wenn die Intensivstationen kollabierten, wurden Kinder geschützt. Das war aber auch ein Eingeständnis der Regierung/des Ministeriums, dass man sehr wohl um die treibende Rolle der Schulen gewusst hat.

Die Coronakommission hatte jedenfalls schon am 17. Juni 2021 vor der DELTA-Welle gewarnt, die bereits ab dem Sommer Fahrt aufnehmen könnte.

Seriöse Wissenschaftler:innen haben jedenfalls vor einer Herbst/Winterwelle gewarnt, und mit DELTA und der niedrigen Durchimpfungsrate in Österreich, die aufgrund der Erfahrungen mit Influenza und allgemeiner Wissenschaftsskepsis zu erwarten war und durch den ständigen Wahlkampf verschärft wurde, kam es genau so wie befürchtet.

“Die Varianten haben für Kinder jetzt keinen Einfluss” (23. März 2021, Stadt Wien Podcast)

Das bezog sich auf die damalige ALPHA-Variante. Schon damals gab es anekdotische Berichte über mehr Übertragungen im Haushalt bzw. große Ausbrüche in den Schulen. Die erhöhte Übertragungsrate mit ALPHA bei Kindern wurde von Gorgels et al. (2022) bestätigt. Auch hier gilt wie sonst auch: Warum sagte sie nicht, dass man nicht weiß, ob die Varianten die Übertragungsrate verändern? Gerade im Hinblick auf die systematische Untertestung von Kindern und Jugendlichen. Stattdessen dogmatische ja/nein-Aussagen zu einem Zeitpunkt, wo man das de fakto noch nicht wusste.

Gesamtverlauf der Pandemie in der Grafik von Statistiker Neuwirth, Quelle: AGES

“Wir haben einen sehr starken Anstieg der Infektionszahlen, aber der Anstieg der Hospitalisierungen wegen Covid19 steigt nur ganz, ganz langsam an.“ (08. Juli 2021, ZiB2)

Seit der zweiten Welle hören wir solche Aussagen von Politikern und sogenannten Expert:innen, die offenbar weder exponentielles Wachstum noch die Verzögerung zwischen Infektionszeitpunkt – Hospitalisierung – und Todesfälle verstehen. Die DELTA-Welle führte zum zweithöchsten Peak der Pandemie bis dahin, die Hospitalisierung war in der Größenordnung der schweren zweiten Welle.

Thür (ZiB2): „Halten Sie das für sinnvoll, dass noch bevor eine Zulassung da ist, Menschen ihre vielleicht sogar gesunden Kinder impfen lassen?
Redlberger-Fritz: „Ich denke, wir sollten wirklich auf die Zulassung warten. […]

Was Redlberger-Fritz hätte antworten können: Selbstverständlich soll man auch seine gesunden Kinder impfen lassen, das ist schließlich der Sinn der Impfung als Präventionsinstrument, dass gesunde Kinder nicht krank werden. Etwa die Hälfte der Kinder mit LongCOVID/ dem Multientzündungssyndrom MISC hatte keine Vorerkrankungen. Zudem verhindert die Impfung auch die Ansteckung und Übertragung bei Kindern, sodass geimpfte Kinder ihre Eltern und Großeltern schützen. Insgesamt spricht alles für die Impfung der Kinder unabhängig von Vorerkrankungen.

Wir erinnern uns – die Stadt Wien bot am Höhepunkt der DELTA-Welle bereits offlabel die Kinderimpfung (5-11jährige) an.

Monika Redlberger-Fritz wurde “Kommunikatorin des Jahres” 2021.

Martin Thür, ZiB2-Anchorman neben Armin Wolf im ORF

Das ist jetzt nicht einmal dezidiert auf ihn gemünzt, bei Armin Wolf und den anderen ZiB2-Journalist:innen erkennt man ähnliche Fragemuster.

Sie müssen ihre Meinung nicht teilen, aber sie werden kaum eine berufenere Person zu dem Thema in Österreich finden als die Chefin der Epidemiologie an der größten medizinischen Universität des Landes.” (29.12.22)

Sie sind ja ein lustiges Kerlchen. Aber bitte kein Comic Sans, da krieg ich Augenkrebs.” (06.05.22)

Beide Zitate wurden auf Twitter getätigt, letzteres war eine Reaktion auf kritische Nachfragen zum obigen Interview mit Redlberger-Fritz, wo ich mich daran störte, dass er das “vielleicht sogar gesunde Kinder” so betonte.

“Die ZiB2 ist keine Studie. Wir versuchen Fragen zu stellen, auf die das Publikum gerne eine Antwort hätte.” (06.05.22)

Daher gab es die letzten Jahre immer wieder die gleichen Fragen:

“Brauchen wir wieder einen Lockdown?”

“Waren die Schulschließungen ein Fehler?”

“Warum herrscht in Wien noch Maskenpflicht?”

“Muss man wieder mit einer Überlastung der Intensivstationen rechnen?”

Das ist aber nicht das, was ich unter dem Bildungsauftrag (!) des gebührenfinanzierten Rundfunks verstehe. Von diesem erwarte ich Recherche im In- und Ausland, etwa die Beispiele Neuseeland und Australien, der Benefit, der sich auch in den absoluten Todeszahlen bemerkbar machte, die Untersterblichkeit, weil man durch Maske tragen auch andere Infektionskrankheiten an der Ausbreitung gehindert hat, saubere Luft in Innenräumen und Beispiele wie Belgien oder Italien oder Japan als Vorreiter, differenzierte Betrachtungen zu den Auswirkungen von Schulschließungen, nämlich auch sozioökonomische Benachteiligungen und Leben im Angst vor Ansteckung von Schattenfamilien mit vulnerablen Haushaltsmitgliedern. Ausmaß und Dramatik von LongCOVID für Betroffene in allen Altersgruppen (Krankenstände kein gutes Maß, Pensionisten, Arbeitslose, Studenten und Kinder nicht erfasst, Teilzeit aufgrund von LongCOVID auch nicht). Es hätte so viele wichtige Fragen gegeben und nicht nur die obigen vier.

“Ein sehr emotionales Thema ist ja die Impfung von Kindern. Die ist jetzt ab fünf zugelassen. Wird tagtäglich tausende Male zurzeit vergeben. Seit Beginn wird ja über die Gefahr, die für Kinder ausgeht, diskutiert. Was sind da Ihre Erlebnisse in der Praxis? Sind Kinder durch Covid gefährdet? Welche Erlebnisse haben Sie da in der Praxis?” (05.12.21, ZiB2)

Für die Grundsatzfrage, ob Kinder durch Covid gefährdet sind, gibt es wissenschaftliche Studien und Beobachtsdaten. Es ist gefährlich, anhand subjektiver Beobachtungen auf die Gesamtheit zu schließen. Bestes Beispiel sind Intensivmediziner, die selten “milde” Verläufe mit anschließendem LongCOVID sehen. Als mit OMICRON und zunehmender Immunität gegen schwere Verläufe die Intensivbettenbelegungen deutlich zurückgingen, erklärten einige Intensivmediziner die Pandemie öffentlich für beendet. Auch hier wurde die Frage einem Intensivmediziner gestellt. Was wäre, wenn er nein gesagt hätte?

Ich habe leider schlicht nicht die Ressourcen dafür, aber es wäre eine spannende Bachelor- oder Masterarbeit, einmal die Fragen der ZiB2-Journalisten zu Pandemiethemen zu kategorisieren, ob sich da bestimmte Muster wiederholen, insbesondere auch das fehlende Nachhaken. Welche Themen kamen gar nicht vor? Wie oft ist z.B. der Begriff Lockdown gefallen, wie oft LongCOVID – insbesondere im Kontext Prävention?

Martin Thür erhielt den “Robert Hochner-Preis 2022”. Er überzeugte die Jury durch seine akribische Arbeit, persönlichen Mut und konsequent geführte Interviews, wie es in einer Aussendung hieß.

Peter Klimek, Komplexitätsforscher und Mitglied im Prognosekonsortium und in der GECKO-Kommission

Ähnlich wie bei Redlberger-Fritz gibt es nicht nur schlechte Aussagen, so sagte Klimek im August 2020 die zweite Welle korrekt vorher. Im März 2021 kritisierte er die überraschende Lockerung der Schutzmaßnahmen in die ALPHA-Welle hinein.

“Die Länder rufen nach Öffnungen und der Gesundheitsminister muss als Spielverderber mit Überlastungsszenarien in der Intensivmedizin dagegenarbeiten. Da werden zwei Bereiche, das Gesundheitssystem und die Sehnsucht nach einem normalen Leben und Wirtschaften, gegeneinander ausgespielt. Dabei stehen diese Ziele nicht im Widerspruch. Je besser wir die Situation epidemiologisch kontrollieren können, desto eher kann man öffnen. Ich verstehe nicht, warum man das nicht einsieht.“ (24. März 2021, DiePresse)

„Das heißt, wenn wir jetzt immer wieder davon reden, dass sich eh niemand an die Maßnahmen hält, dann muss man schon hinterfragen, ob man da nicht vielleicht auch genau das damit erreicht, nämlich, dass man den Leuten den Eindruck vermittelt, vertraut euren Mitmenschen nicht, die halten sich nicht daran, also braucht ihr euch auch nicht daranzuhalten.“ (24. März 2021, Zib2)

Da hat er eh zwei wesentliche Punkte der Risikokommunikation genannt.

In “Wien Heute” behauptete er am 19. Mai 2021 dann, dass man ab 40% Impfungsrate keine Maskenpflicht mehr brauchen würde. Im August 2021 hielt er gemeinsam mit Epidemiologe Gartlehner eine Überlastung der Intensivstationen und großflächige Schließungen im Herbst für unwahrscheinlich. (Kleine Zeitung)

OMICRON war keine Wand, sondern führte zu dauerhaft hohen Inzidenzen. Zwischen Beginn und Ende der BA.1/BA.2-Welle lagen schlappe fünf Monate. OMICRON herrscht immer noch – nach BA.2 kam zwei Mal BA.5, eine mixed-variant-Welle und die hohe XBB.1.5-Welle im Spätwinter 2023

“OMICRON kommt wie eine Wand. Aber positiv ist, dass je höher die Welle wird, desto früher ist sie vorüber.” (21. Dezember 2021, KURIER)

“Im März fallen fast alle Corona-Maßnahmen” (15.02.22, Kleine Zeitung) kündete Klimek im vorauseilenden Gehorsam zur Regierung an.

Im Herbst/Winter 2022 schon wieder Wunschdenken statt wirklich wissen:

“Je höher jetzt die Virusaktivität im Sommer ist, desto niedriger kann dann die Herbstwelle ausfallen.” Zib1-Sprecher: “Dadurch werden auch die fehlenden Impfungen kompensiert.”(09. Juni 2022, ZiB1)

Es war zwar korrekt, die zweite BA.5-Welle fiel niedriger aus als die Sommerwelle, aber es schlossen sich noch eine dritte und vierte Welle an. Zusätzlich gab es eine schwere RSV-Welle und eine starke Influenzawelle. Beide könnten die verminderten Coronawellen zwischen September 2022 und Februar 2023 erklären (Interferenz). “Gewonnen” hatte man dadurch aber nichts. Die hohe Übersterblichkeit im Dezember 2022 war auf die vielen Influenzatoten zurückzuführen – und durch RSV wurden zahlreiche Säuglinge und Kleinkinder schwerkrank.

Wie ein roter Faden durch alle Interviews mit Peter Klimek zieht sich die völlige Ignoranz von LongCOVID. Es ist nicht so, dass er vehement entsprechende Datenverknüpfungen gefordert hat. Die Prognosen sollten die Überlastung der Normal- und Intensivbetten erkennen, aber die langfristige Belastung durch LongCOVID spielte keine Rolle bei kurzfristigen Präventions- oder vielmehr Lockerungsüberlegungen. Später verharmloste er den Impact von LongCOVID noch und verglich ihn mit denen von anderen Infektionskrankheiten:

“Mittlerweile zeigt sich bei Long COVID, dass die Symptome bei den allermeisten Betroffenen nach eineinhalb
Jahren verschwinden bzw. deutlich nachlassen.”
(01.01.23, Presse am Sonntag)

Wambeke et al, Two-Years Follow-Up of Symptoms and Return to Work in Complex Post-COVID-19 Patients (17.01.23 – 09/21- 03/22, also DELTA und BA.1/BA.2, n = 105, nur 9% erholten sich, 40% konnten Vollzeit arbeiten, 36% gar nicht, 24% Teilzeit)

“Zu der einen Variante, die binnen kurzer Zeit einen Großteil der Bevölkerung anstecken kann, kommt es dann nicht mehr.” (ebenda)

XBB.1.5 belehrte uns bald eines Besseren.

Peter Klimek wurde Wissenschaftler des Jahres 2021 und 2023 zum Leiter des neu gegründeten “Austrian Supply Chain Intelligence” ernannt.

Gerald Gartlehner, Epidemiologe von der Donau Uni Krems.

ÖVP-Mikl-Leitner war bis 2023 Vorsitzende des Niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds (NÖGUS). NÖGUS und Gartlehners Cochrane Institut richten gemeinsam das jährliche Europäische Forum für evidenzbasierte Gesundheitsförderung und Prävention (EUFEP) aus – vorher Sobotka (Beispiel), Stiftungsprofessur für Gartlehner von NÖGUS 2007-2008, als Sobotka Vorsitzender der NÖGUS war.

Gartlehner wirkte auch beim Impfgegnerfilm “Im Stich gelassen” von Impfgegner und AIDS-Leugner Bert Ehgartner mit. Ehgartner hat wiederum mit Robert Cibis von der Verschwörungsplattform OvalMedia einen Coronaleugnerfilm gedreht, wo u.a. Wodarg, Bonelli, Bhakdi, Ioannidis und Allerberger mitwirkten.

(insert Zitate here)

Gartlehner darf seit Anfang März 2023 gemeinsam mit Popper beim Forschungsprojekt “Being Equipped to Tackle Epidemics Right” (BETTER) mitwirken und uns erklären, was wir künftig besser machen können.

Downward Failing

Genauso wie zahlreiche Expert:Innen und Journalisten einen Karriereschub und/oder Preise erhalten, geht es auch in die umgekehrte Richtung. Seriöse ExpertInnen, die nach und nach verstummen, weil sie aus wichtigen Positionen abgezogen oder ihre Projekte aufgekündigt werden.

Molekularbiologe Ulrich Elling

Da gibt es z.B. das Abwassermonitoring von Ulrich Elling und seinem Team, das in Zusammenarbeit mit der AGES Patientendaten mit Sequenzierungsdaten verknüpft hat. So konnte man Rückschlüsse auf die Schwere verschiedener Varianten und dem Immunstatus der Bevölkerung ziehen. Elling sagte die Doppelwelle mit BA.1 und BA.2 korrekt voraus, sah Lockerungsmaßnahmen häufig kritisch und bezeichnete GECKO einmal als “Hinterzimmer-Debattierclub”. Er widersprach dem Narrativ, dass sich bei CoV2 um eine saisonale Krankheit handeln würde, und nannte es absurd, “sich mit einer potentiell tödlichen Krankheit zu infizieren und so einen Immunschutz gegen diese potentiell tödliche Krankheit aufzubauen.” Zudem gab er zu bedenken, dass die meisten von uns zur vulnerablen Gruppe gehörten, ohne es zu wissen oder es sich einzugestehen. Auf Puls24 forderte am 01. Juli 2022 Belüftungen für Schulen und CO2-Sensoren.

“Schulen könnten im Herbst zum Problem für die gesamte Gesellschaft werden, weil dann leiden wir alle unter höheren Zahlen.” (Puls24)

Der Vertrag mit Elling wurde nicht verlängert und läuft Ende März 2023 aus. Ob die Nachfolger so transparent und zeitnah berichten wie Elling auf Twitter, ist unbekannt.

Austrian Corona Panel Project (ACPP)

Insgesamt 33 Erhebungen und Auswertungen hat das Projektteam rund um Medienwissenschafter Jakob-Moritz Eberl zur Pandemie gemacht, um die Stimmungslage der Bevölkerung zu erfassen.

Mitten in der Sommerwelle 2022 endete die Finanzierung des ACPP.

Eberl engagiert sich weiterhin fürs IGÖ für saubere Luft in den Schulen und publizierte kürzlich als Co-Autor zur “Impfmüdigkeit” (Stamm et al. 2023).

Infektiologe Richard Greil

Er irrte sich nur einmal, nämlich zu Beginn der Pandemie, als er das Grippevirus für gefährlicher als Corona hielt. Schon im Mai 2020 warnte er vor einer zweiten Welle. Im Oktober 2020 berichtete er schonungslos von den katastrophalen Zuständen in den Spitälern, auch auf den Normalbetten. Im Juni 2021 berichtete er auch über die Folgen von LongCOVID bei Kindern und Jugendlichen.

„Es ist klar, dass eine solche Erkrankung vor allem im jugendlichen Alter, wenn sie nur mit einer Minderung von Leistungsfähigkeit beispielsweise in der Schule verbunden ist, mit einem langen Krankenstand verbunden ist, zu einem Ausfall eines ganzen Schuljahrs und Freundesverlust führen kann, das dazu führen kann, dass die Tätigkeiten in der Familie, die Alltags- und die Freizeittätigkeiten mit der Familie nicht mehr stattfinden können und es zu einer zunehmenden Ausgrenzung kommt. Und das kann natürlich auch schwere langfristige Nebenwirkungen für die berufliche Tätigkeit und Entwicklung haben, und auch
wirklich schweren volkswirtschaftlichen Schaden auslösen.”
(01. Juni 2021, Ö24)

In der DELTA-Welle warnte er erneut vor der starken Zunahme an schweren Verläufen und den wachsenden Kollateralschäden durch die Überlastung des Personals. Zudem kritisierte er den Gesundheitsminister dafür, mit den Intensivbettenauslastungen die falsche Ziel- und Steuerungsgröße gewählt zu haben. (05. November 2021, ZiBNacht)

Greil war im Beraterstab von ÖVP-Landeshauptmann Haslauer (Salzburg) und erhielt im Februar 2022 das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Genützt hat es freilich wenig. Im Juli 2022 stellten die Landeskliniken Salzburg auf “dezentrale Betreuung” um, d.h. Covid-Patienten sollten – überspitzt gesagt – zuhause sterben, bis sie ins Spital eingeliefert werden. Die Zahl der in den Spitälern angesteckten Patienten ist höher denn je und hat natürlich negative Auswirkungen auf deren Heilungsverlauf. Mit dem Ergebnis kann Greil schwerlich zufrieden sein.

Mikrobiologe Michael Wagner

Er bemühte sich maßgeblich um das Schulprojekt “Alles gurgelt” mit PCR-Tests im Spätwinter 2021, das später auf die ganze Wiener Bevölkerung ausgerollt wurde und im Herbst 2021 auch auf die anderen Länder. Mit OMICRON vollzog die Regierung allerdings eine Kehrtwende und fuhr lieber die Strategie Durchseuchung. Ab April 2022 wurde das bundesweite PCR-Gratisangebot auf fünf PCR-Tests pro Monat begrenzt, ab Juni 2022 wurden verpflichtende PCR-Tests abgeschafft.

Michael Wagner beriet bis zuletzt die Wiener Stadtregierung um SPÖ-Bürgermeister Ludwig. Wie er sich zum Fall der Maskenpflicht ab März 2023 äußerte, ist nicht bekannt.

Sonst sind in Österreich die vernunftgesteuerten Stimmen leider weitgehend verstummt – mit Ausnahme von Gesundheitsökonom Thomas Czypionka, Umweltmediziner Hans-Peter Hutter und Genetiker Ulrich Elling, die sich derzeit am ehesten mit Klartext zu Wort melden. Gelegentlich liest man noch informative Seuchenkolumnen von Robert Zangerle.

Der Grund für den Rückzug vieler sind einerseits wiederholte Anfeindungen und Drohungen nach Auftritten in der Öffentlichkeit, andererseits hat die Politik das Pandemieende einzementiert und anderslautende Forderungen und Einschätzungen “will keiner mehr hören”.

PS: Die Liste der Up- und Downwardfailings erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Leave a Reply

Please log in using one of these methods to post your comment:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.