

Rechts: Johannes Rauch im STANDARD am 03. März 2023, links: Der österreichische Gesundheitsminister Johannes Rauch (Die Grünen), der nach eigenen Angaben entweder selbst twittert oder sein Team twittern lässt – womit es sich um einen offiziellen Account eines steuerfinanzierten ranghohen Regierungspolitikers handelt, blockierte am Karfreitag und Weltgesundheitstag (07. April) eine schwer an LongCOVID/MECFS erkrankte junge Frau, die ihn regelmäßig auf die Missstände in der Gesundheitsversorgung von LongCOVID/MECFS-Patienten hinwies.
Laut aktuellem Abwassermonitoring haben wir Glück im Unglück – die XBB.1.5-Welle ist durch und wir erleben gerade ein Wellental. Allerdings ist die Talsohle immer noch höher als zwischen den letzten Wellen, das heißt, es zirkuliert immer noch signifikant SARS-CoV2. Die Ferien dürften sich jetzt vorteilig auf den Abwärtstrend auswirken, wenngleich das zu kalte Aprilwetter und der starke Reiseverkehr entgegenwirken. Eine gute Nachricht ist auch der Abwärtstrend bei den Influenzazahlen, dessen Positivrate in Kalenderwoche 14 mit 7% erstmals unter dem epidemischen Niveau liegt. Die schlechte Nachricht ist, dass der Statistiker Erich Neuwirth laut eigener Aussage die aktuell niedrige Inzidenz nicht mit den Abwasserdaten vergleichen kann, weil er die Daten aus dem Gesundheitsministerium nicht bekommt. Ein Schelm, wer Böses denkt.
Wie schon vor vier Wochen angekündigt, bahnt sich bereits die nächste Welle an. Die Rekombinanten-Tochtervariante XBB.1.16 hat deutliche Fitnessvorteile gegenüber den anderen Varianten und verdrängt diese in Indien rasch. Erste Labordaten zeigen, dass eine Durchbruchsinfektion (nach Impfung) mit BA.2 bzw. BA.5 nicht gegen eine Infektion mit XBB.1.16 schützt. Bisher haben vor allem Mutationen auf dem Spike-Protein zum Fitnessvorteil gegenüber anderen Varianten beigetragen. Das scheint sich gerade zu ändern: Es gibt mehr Mutationen in den Nicht-Spike-Regionen wie N-Protein und ORF-Proteine. Diese unterdrücken die erste Reihe der Immunantwort (innate immune system) effektiver.
Laut aktuellen Daten (Yamasoba et al., 06.04.23) verursacht XBB.1.16 zwar nicht mehr schwere Akutverläufe, zu LongCOVID werden wir aber erst in einigen Monaten belastbare Zahlen haben – oder hätten wir, wenn wir noch testen würden. Denn wer ungetestet einen milden Anfangsverlauf hat, und später an einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder einer Lungenembolie stirbt, der wird nicht als Covid19-Toter in die Statistik eingehen. Beim Haus- oder Facharzt wird der überlebende LongCOVID-Patient als neuer Diabetes-Patient oder mit anderen Autoimmunerkrankungen verschlüsselt werden – auch dann wird er nicht in die Statistik mit Covid-Bezug eingehen.
Was der neue Corona-Gesetzesentwurf für die Öffentliche Gesundheit bedeutet
Die nächste Welle wird wahrscheinlich im Mai oder Juni bei uns durchrauschen. Jahreszeitbedingte Verlagerung von Aktivitäten ins Freie werden den Perkolationseffekt dämpfen. Große Cluster durch Großveranstaltungen, Konferenzen oder Workshops sowie durch die ungebremste Ausbreitung in den Kindergärten und Schulen werden aber die Infektionszahlen wieder steigen lassen. Ab Ende April fällt dann auch im Gesundheitswesen die Maskenpflicht wie bereits in zahlreichen anderen Ländern weltweit, ab Ende Juni wird der Zugang zu PCR-Tests und selbst Antigentests deutlich eingeschränkt.
SARS-CoV2 ist weiterhin schlimmer als die Grippe
SARS-CoV2 solle behandelt werden “wie andere nicht-meldepflichtige Atemwegsinfekte” auch – so steht es im Entwurf. (Stellungnahmen können übrigens auch von Privatpersonen hier eingebracht werden).


Der Witz: Gegen alle Viren, die über die Atemwege übertragen werden, helfen dieselben Maßnahmen wie bei SARS-CoV2: Saubere Luft, Maske tragen, Testen, Isolation und Quarantäne. Dreifach-Antigentests gegen C19, Influenza und RSV existieren bereits ebenfalls. Statt aus der Pandemie die richtigen Lehren zu ziehen und künftig neben Covid19-Todesfällen und Langzeitfolgen auch Influenza- und RSV-Tote zu verhindern, insbesondere auch bei Kindern, akzeptieren wir diese Todesfälle als Laune der Natur, als gottgegeben, als selbständlichen Teil des Lebensrisiko jedes Einzelnen.
Die Politik hat sich ihre eigene Handlungsblockade ins Gesetz geschrieben – unter tatkräftiger Mithilfe ihrer Berater:innen, die entweder in guter Absicht gehandelt haben und naiv waren, oder in böser Absicht, um sich einen Karrierevorteil zu erhoffen. Es gab das Future Operations Papier Vs.1, dann Vs.2 und schließlich die Umsetzung im offiziellen Variantenmanagementplan.
Zur Annahme, dass SARS-CoV2 künftig “rechtlich wie andere nicht-meldepflichtige Infektionskrankheiten zu behandeln” sei, verwiesen die Entwurfersteller in der “Problemanalyse” auf eine Einschätzung des ECDC vom 13.01.23 zur dominanten XBB.1.5-Variante. Demnach sei XBB.1.5 nicht schwerer als frühere OMICRON-Subvarianten, woraus offenbar geschlossen wurde, dass OMICRON nur zu milden Verläufen führen würde. LongCOVID wird dabei ignoriert. Ebenso würden antivirale Medikamente weiterhin wirksam sein, was aber nur jenen nützt, die keine Kontraindikationen haben oder alt genug für eine medikamentöse Behandlung sind. Dasselbe gilt bei Impfstoffen – insbesondere (ehemalige) Leukämiepatienten haben das höchste Sterberisiko aller Krebserkrankungen und die geringste Ausbildung von Immunschutz nach Impfung.


Die Daten widersprechen den kolportierten Daten im Entwurf, das könnte jeder Journalist:in einfach recherchieren. So zeigen die Statistik-Austria-Daten vom 21. Februar 2023, dass Covid19 trotz OMICRON dritthäufigste Todesursache in Österreich ist. Influenza kommt nicht einmal annähernd heran.
Patienten mit OMICRON haben ein 1,5fach höheres Sterberisiko verglichen mit Influenza (Portmann et al., 2023), auch eine kürzliche Studie zeigt eine 60% höhere Sterblichkeit bei Covid als bei Influenza (Xie et al. 2023). In einem Übersichtsartikel zur allgemeinen Entwicklung von SARS-CoV2 und der voraussichtlichen zukünftigen Entwicklung (Markov et al. 2023) rechnet man mit drei Mal so viel Influenzatoten pro Jahr, unter der Annahme, dass die Infektionssterblichkeit vergleichbar sei und alle vier Monaten neue Wellen erwartet werden. Die Autoren halten vor allem dezidiert fest, dass “endemisches SARS-CoV2 bei weitem kein Synonym für harmlose Infektionen, mildes Covid19 oder eine niedrige Bevölkerungssterblichkeit und Krankheitslast sei”. Insbesondere haben mehrere Studien gezeigt (z.B. Wong et al 2023), dass die Schwere von OMICRON vergleichbar mit dem des Wildtyps sei. Lediglich Impfung und Reinfektion mildern die Schwere – dies bezieht sich aber rein auf Hospitalisierungsrisiko, nicht auf LongCOVID.
Was ändert sich ab Juli 2023?
Wennn man sich die Gegenüberstellung der geltenden Fassung (links) mit der vorgeschlagenen Fassung (rechts, gelb markiert) anschaut, dann sieht man erst das Ausmaß der ganzen Sauerei.
- keine Kostenübernahme mehr für personenbezogene PCR-Tests bei niedergelassenen Ärzten, auch nicht bei Symptomen
- Es werden nur Kosten für Antigen-Schnelltests übernommen und nur unter bestimmten Voraussetzungen (Patient geeignet für antivirale Medikamente)
- keine Tests für alle unter 18 Jahren (keine Covid-Medikamente zugelassen)
Wer also …
- keine Symptome hat, aber z.B. eine vulnerable Person schützen will
- ein Kind mit Symptomen hat
- immunkompetent ist und Symptome hat, aber einen positiven PCR-Nachweis im Schadensfall oder für LongCOVID-Ambulanzen möchte,
der muss die PCR-Tests, die in Apotheken zu unregulierten Preisen des freien Markts angeboten werden, bezahlen .
Bei jedem fünften positiven Schnelltest (nicht: Patienten) muss eine Probe für eine PCR eingesandt werden. Sowohl für PCR- als auch Antigentest gibt es jeweils 25 Euro für Ärztinnen bzw. Laboratorien. Warum lässt man dann nicht mehr PCR zu?
Implikationen:
- falschnegative Antigentests (mangelnde Sensitivität) deutlich häufiger als bei PCR, da Schnelltests häufig erst bei höheren Viruskonzentrationen anschlagen, d.h. später im Krankheitsverlauf: Für die Wirksamkeit antiviralen Medikamente ist es aber essentiell, sie so früh wie möglich zu geben
- Speziell Patienten, die monoklonale Antikörper brauchen, weil die Impfung nicht wirkt oder vertragen wird, ist es essentiell, die jeweils vorherrschende Variante zu wissen, da bestimmte Antikörper unterschiedlich wirksam je nach Variante sind
- Prä- und asymptomatische Personen sind gar nicht mehr vorgesehen bei Covid19-Tests – eine langjährige Forderung von Allerberger, Apfalter, Weiss, Sprenger und Gartlehner umgesetzt [ = antiwissenschaftliche und rechtsextrem unterlaufene Einflusskräfte innerhalb der Medizin und Wissenschaft haben GEWONNEN]
- Ärzte dürfen nicht mehr selbst entscheiden, was zur Diagnostik angewendet werden darf, die Politik schreibt die Diagnostik vor – ein einmaliger Vorgang?
Die Schutzmaßnahmen für Hochrisikogruppen werden ebenfalls ersatzlos gestrichen.
Ziel des Gesetzes sind für ganz Österreich pro Woche nicht mehr als
- 400 PCR-Tests
- 2000 Antigentests
- 2000 Medikamentenabgaben
Es ist daher zweifellos nicht geplant, dass Kinder und Jugendliche noch getestet werden (keine Medikamente), man rechnet aber mit einer Positivrate von 100% bei Schnelltests.
Die Kritik am Entwurf zusammengefasst gibt es auch hier im Interview mit Genetiker Ulrich Elling mit Puls24.
Wo bleibt der Sturm der Entrüstung/Empörung?
Es ist leise im Blätterwald, nicht einmal ein Rauschen… wo sind die empörten Stimmen von …
- SPÖ (mit sich selbst beschäftigt, derzeit wegen prorussischer Haltung in den Schlagzeilen)
- Gewerkschaften
- Arbeiterkammer
- Behindertenorganisationen und -medienvertreter
- Bundes-Behindertensprecherin (von den Grünen)
- Behindertensprecher innerhalb der Parteien
- gibt es keine Journalisten, die der aktuelle Kurs aufstößt????????????
Zwei treffende Artikel:
- Paul Schuberth: Nach der Pandemie ist in der Pandemie (16.02.23)
- Erwin Riess: Eine Aussprache in Fischamend oder Vom Untergang der Linken (18.02.22)
Zurück zu Rauch:
Problematisch ist es dann, wenn die Grünen-PolitikerInnen den eigenen Regierungsspin glauben, wie hier Klubobffrau und Landessprecherin der Grünen im Burgenland:

Halten wir das mal klar fest: ES GIBT KEINE SPEZIFISCHE BEHANDLUNG FÜR LONGCOVID!
Long COVID ist ein riesiges Spektrum

Herzerkrankungen, Schlaganfälle und andere geschädigte Organe oder neu ausgelöste Autoimmunerkrankungen wie Diabetes sorgen vielfach für bleibende Schäden und mitunter verkürzte Lebenserwartung. Es gibt zwar für spezifisch nachgewiesene LongCOVID-Ursachen (Biomarker!) Behandlungsversuche, allerdings sind sowohl Diagnostik als auch Therapieformen häufig offlabel und/oder werden von den Kassen nicht übernommen.
Nachfolgend ein paar kritische Antworten unter dem oben zitierten Tweet:
- Ohne nachgewiesenen positiven PCR-Test gibt es keinen Warteplatz bei LongCOVID-Ambulanzen
- Wurde das Webtool je evaluliert? Wie vielen Patienten wurde geholfen? Wird es von Ärzten überhaupt angenommen und benützt? Vor allem von Ärzten, die ihren Patienten vorwerfen, sie würden nur simulieren?
- kaum öffentliche Berichterstattung zu LongCOVID und wohin man sich wenden kann, wenn nach der Infektion weiterhin oder plötzlich neue Symptome auftreten
- kein einziges Wort zur Prävention von LongCOVID: Covid verhindern (saubere Luft, Masken)
- es gibt kaum wirksame Therapien, keine Behandlungsplätze, oft auf Jahre ausgebucht, auch privat kaum Zugang zur Hilfe, LongCOVID-Kids werden im Stich gelassen
- Der Vorgänger von Rauch, Wolfgang Mückstein, ließ in einer Stellungnahme an MECFS-Betroffene am 21. Februar 2022 ausrichten, dass die Zuständigkeiten bei MECFS unklar sein würden, und es auch wenig Forschung geben würde, um das feld voranzubringen. Es wurde außerdem behauptet, dass es bei MECFS keine klaren biologischen Marker geben würde, eine eigene Anlaufstelle für MECFS-Patienten war nicht geplant. Am 8. April 2023 war MECFS kurz Thema im Parlament, wo die MECFS-Petition dem Gesundheitsausschuss zugewiesen wurde.
- Der im Variantenmanagementplan vorgesehene Versorgungspfad für LongCOVID/MECFS-Patienten funktioniert nicht.
Statt sich also am Weltgesundheitstag mit teils schwerst betroffenen Patienten auseinanderzusetzen, denen nurmehr Twitter als Kommunikationsmittel bleibt, blockiert sie Gesundheitsminister Rauch der Reihe nach und Grünen-Politiker:innen verteidigen Rauch, der ihrer Meinung “alles richtig gemacht” hat.
Ich lass das mal so stehen.