Die neue Volkskrankheit verdient eine eigene Kategorie zum Thema – wie kann ich LongCOVID vorbeugen, worauf muss ich nach der Akutinfektion achten? Welche medizinischen Checks soll ich angehen, bevor ich mich wieder voll belaste bzw. wenn ich Beschwerden verspüre?
Prävention vor der Infektion
Die wichtigste Empfehlung ist die Vermeidung einer Covid19-Infektion.
- FFP2-Masken bei Indoor-Treffen sowie bei Outdoor-Treffen über längere Zeit
- Saubere Luft in Innenräumen: HEPA-Filter, Luftfilter/Luftreiniger und Frischluftzufuhr durch offene Fenster/Querlüftung
- Potentielle Cluster-Situationen meiden, wenn die Inzidenz hoch ist: Feiern, Feste, Kantinen, Konferenzen
Die zweitwichtigste Empfehlung ist, am aktuellen Stand der Auffrischimpfungen zu sein. Das sollte aktuell (30.10.22) eine kürzlich zurückliegende Impfung mit einm OMICRON-Bestandteil sein, vorzugsweise BA.5, aber auch BA.1, wenn BA.5 nicht erhältlich ist.
Die Impfung verringert das Ansteckungsrisiko nur vorübergehend – nachlassender Antikörperschutz und Aufkommen neuer Varianten, die den Immunschutz besser umgehen können, sorgen dafür, dass man sich wenige Wochen nach der letzten Impfung wieder anstecken kann.
Die Impfung verringert das LongCOVID-Risiko im Fall einer (symptomatischen) Durchbruchsinfektion nicht auf Null. Das sollte man sich trotz anderslauternder Impfkampagnen der Regierung und Stadt Wien immer bewusstmachen. Das Risiko bleibt auch mit Impfung im einstelligen Prozentbereich, was individuell betrachtet gering erscheint, aber auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet viel ist und sich mit Reinfektionen akkumuliert. Präventive Verhaltensregeln gelten also auch nach der Impfung.
Die Impfung verhindert in den meisten Fällen einen schweren Akutverlauf mit Hospitalisierung – und nach einer Hospitalisierung ist das Risiko bleibender Schäden oder LongCOVID deutlich höher als nach einem leichten Akutverlauf. In Zeiten kollabierender Gesundheitssysteme erhöht bereits die Verrmeidung jedes Spitalsbesuchs durch Prävention die Überlebenschancen und den Erhalt der Lebensqualität. Eines klares Pro für die Impfung also.
Ebenso gibt es wirksame Medikamente, die einen schweren Verlauf verhindern, wie Paxlovid – leider weiß das fast die Hälfte der Österreicher nicht. Der Wechselwirkungsrechner klärt in den meisten Fällen, ob es Wechselwirkungen von Paxlovid mit Dauermedikamenten gibt. Wichtig ist vor allem, Paxlovid nicht zu früh abzusetzen, um einen Rückfall (Rebound) zu vermeiden.
Zusätzliche Vermeidungstaktiken sind wissenschaftlich nicht belegt. Gut befeuchtete Schleimhäute durch Tabletten und Sprays können gegen jede Infektion vorbeugen, die über die Atemwege stattfindet und mitunter die Krankheitsdauer verkürzen. Ich würde aber kein Nasenspray nehmen, um mich dann bewusst einer Risikosituation auszusetzen, sondern eher in den bestehenden Risikosituationen eine zusätzliche “Käsescheibe” in Anspruch nehmen – etwa, wenn sich ein Familienbesuch nicht vermeiden lässt, PCR-Tests nicht verfügbar sind, kann man zusätzlich Rachen- oder Nasenspray nehmen, und vor bzw. nach dem Treffen mit Listerine spülen.
Nach Klein et al. (2022) sind niedrige Cortisolwerte der stärkste Hinweisgeber für LongCOVID-Risiko und -Schwere. Cortisol wird in der Nebennierenrinde gebildet. Eine Unterfunktion macht sich durch niedrigen Blutzuckerspiegel, Natriummangel, Übelkeit, Fatique, Frösteln/Frieren, Muskel-, Gelenk- und Knochenschmerzen bemerkbar. Auch häufiger Harndrang in der Nacht ist typisch. Ursachen sind u.a. Störungen/Erkrankungen der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse), Bluthochdruck- und Herzschwächemedikamente, Schädigungen der Niere nach Dauertherapie mit Schmerzmitteln, bei immunsupprimierten Patienten etwa nach einer Krebsbehandlung oder Organtransplantation, sowie Erkrankungen der Niere selbst.
Prävention nach der Infektion
Ruhe und Schonung ist angesagt

weiterhin gültige Empfehlungen (Pneumonie: Lungenentzündung, Myokarditis: Herzmuskelentzündung)
Die Empfehlungen richten sich an Profisportler, gelten aber generell für alle, die sich körperlich wieder betätigen wollen (Hobbysportler) oder müssen (Haushalt, Job, Kinder). Grundsätzlich sollte man bei symptomfreien Verläufen 2 Wochen auf intensive Belastung verzichten, bei symptomatischen Verlauf mindestens 2-4 Wochen. Wenn zusätzlich eine Lungenentzündung aufgetreten ist, mindestens 4 Wochen und bei Herzmuskelentzündung mindestens 3 Monate lang keine sportliche Belastung.
Die Empfehlungen unterscheiden sich vor allem in der Länge der Schonungsphase. Der Physiotherapeut und Neurobiologe Prof. David F. Putrino rät nach leichten bis mittelschwerden Symptomen zu mindestens 6 Wochen Pause, und sich auch nicht zu schnell wieder gesund für die Arbeit melden. Wer zu früh beginnt, riskiert anhaltende Lungen- und Herzprobleme und PEM (Post Exertion Malaise), die in einen chronischen LongCOVID-Verlauf übergehen kann. Im hochrangigen British Journal of Sports Medicine veröffentlicht, raten Elliott et al. (22.06.20) bei einem Verlauf, der zu Hause auskuriert werden kann, zu 10 Tage Ruhe ab Symptombeginn und danach mindestens sieben Tage Symptomfreiheit sowie keine Medikamenten-Einnahme mehr.
Auf Überlastungssymptome (Post Exertion Malaise) achten
Erst dann darf man zurück ins Training einsteigen, im ersten Stadium (10 Tage Minimum) sind Gehen, Alltagsaktivitäten erlaubt, im zweiten Stadium (2 Tage Minimum) Gehen, leichtes Joggen, kein Widerstandstraining (Kraftraining), danach schrittweise Trainingssteigerung. Übertragen auf Hobbysport heißt das wohl, erst Gehen, dann Spazieren und leichte (kurze) Wanderungen in der Ebene, ehe man schrittweise Länge, Höhenmeter und Tempo steigert.
Bevor man schrittweise das Training oder seinen Hobbysport wieder aufnimmt, sollte man tägliche Aktivitäten und 500 Meter Strecke in der Ebene gehen überstehen, ohne danach ausgeprägte Erschöpfung (Fatique) oder Kurzatmigkeit zu empfinden. Fitness-Uhren helfen bei der Überwachung, zu hoher Puls ist ein Warnzeichen, ebenso Schlafqualität und Auftreten von Muskelkater. Sobald eine Aktivität Symptome nach sich zieht, sollte man wenigstens 24 Stunden lang symptomfrei sein, bevor man erneut beginnt. Bei länger anhaltender Erschöpfung muss man darauf achten, die persönlichen Belastungs- und Energiegrenzen strikt einzuhalten, um PEM zu mildern – siehe dazu diesen Vortrag von Dr. Michael Stingl, Neurologe und LongCOVID/MECFS-Experte.
Am wichtigsten ist: Auf keinen Fall gegen den Körper arbeiten!
Die Anschaffung einer Fitnessuhr bzw. Smartwatch kann helfen, Überlastungen oder Symptomveränderungen frühzeitig zu erkennen, etwa verringerte Sauerstoffsättigung oder überhöhter Puls – hier heißt es aber aufzupassen, dass man keinen Suchtcharakter entwickelt und ununterbrochen auf die Werte bzw. Abweichungen schaut.

Vorsicht vor Aktiv-Reha-Angeboten! Anders als bei gewöhnlicher Rehabiliation kann man sich aus einer Covid19-Infektion nicht heraustrainieren! Körperliche Aktivität kann sogar schädlich sein und die Beschwerden verschlechtern und chronifizieren! Bei einem Teil der LongCOVID/MECFS-Betroffenen ist Überaktivierung schädlich – wie dieser Fall zeigt – leider sehr häufig aufgrund des Unwissens vieler Patienten und Ärzte. Die WHO warnt in ihren Richtlinien ausdrücklich vor aktivierender Reha, wenn PEM/PESE vorliegt.
Weitere Infektionen vermeiden
Studien zur Auswirkung von Covid19-Infektionen auf das Immunsystem, etwa ….
- I’ve had COVID and am constantly getting colds. Did COVID harm my immune system? Am I now at risk of other infectious diseases? (18.09.22)
- Govender et al., T cell perturbations persist for at least 6 months following hospitalization for COVID-19 (08.08.22 – nach schweren Verläufen für mindestens 6 Monate geschwächtes Immunsystem)
- Phetsouphanh et al., Immunological dysfunction persists for 8 months following initial mild-to-moderate SARS-CoV-2 infection (13.01.22)
- Jing et al., SARS-CoV-2 infection causes immunodeficiency in recovered patients by downregulating CD19 expression in B cells via enhancing B-cell metabolism (22.09.21)
zeigen…, dass das Immunsystem nach einer Covid19-Infektion noch mehrere Monate lang geschwächt ist. In der Studie von Phetsouphanh et al. hatte die Kontrollgruppe die vier gewöhnlichen Coronaviren. Im Vergleich dazu waren nach Covid19 mehrere Zytokine auch vier Monate nach der Infektion stark erhöht.
Weitere Infekte, aber auch innere (Organe, Stirnhöhlen) und äußere Entzündungen (Gelenke, Haut) treten gehäuft auf. Infektionsprophylaxe bleibt daher wichtig, also unbedingt auch nach einer Covid19-Infektion weiterhin FFP2-Maske tragen!
Diagnostik
Information für Hausärzte

Bei Vorerkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Nierenerkrankungen sollte man eine medizinische Untersuchung und Beratung zu Rate ziehen. Bei langwierigen Verläufen braucht es weitere Untersuchungen, wie Entzündungsmarker im Blut, u.a. auch C-reaktives Protein, Troponin (Herzmuskel), D-Dimer (Gerinnungsfaktor, Thrombose), Herz- und Lungenfunktionstest, Überwachung der Nierenfunktion.
Manche Ärzte raten aber auch nach milden Symptomen zu einem Gesundheitscheck, um etwa eine verschleppte Lungen- oder Herzmuskelentzündung auszuschließen. Verbinden ließe sich das zu.B. mit einer Gesundenuntersuchung, falls der Hausarzt sich weigert, die Sporttauglichkeit nach einer Covidinfektion zu überprüfen. Sonst kann man auch einen Sportmediziner aufsuchen oder den Betriebsarzt ansprechen.
Besondere Vorsicht sollte man walten lassen, wenn elektive Eingriffe (Galle, Leistenbruch, chronische Sinusitis, etc.) geplant sind. Nach einer Infektion sollte man mindestens zwei Monate warten, sonst besteht ein erhöhtes Risiko für Lungenentzündungen. Auf jeden Fall sollte man jede, auch symptomfreie, Infektion dem behandelnden Arzt bzw. Anästhesisten bekanntgeben.
Ausführliche Diagnostik-Empfehlungen wurde in diesem Leitfaden für US-Veteranen mit LongCOVID beschrieben.
- Schellong-Test machen wegen Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS)
- Small-Fiber-Neuropathy (kann mit Nervenbiopsie getestet werden)
- Pupillenreaktion beeinträchtigt – korreliert oft mit Lichtempfindlichkeit
- Gefäßveränderungen im speziellen MRT/CT nachweisbar
- Finde die Blutgerinnsel. Sie sind da. Wenn nicht Lungenembolie oder tiefe Venenthrombose, dann winzige Blutgerinnsel. 100% der getesteten LongCOVID-Patienten haben sie – weitere Empfehlungen für Ärzte von LongCOVID-Ärztin Dr. Claire Taylor
Was in Österreich nicht auf Kassenschein möglich ist:
- Hautbiopsie bei dringendem Verdacht auf Small-Fibre-Neuropathy
- Genetik und Hautbiopsie bei hypermobilem EDS
- Spezialmikroskospie wegen Microclots
- Muskelbiopsie wegen Kapillardichte und Entzündungen im Muskel
- Test auf Autoantikörper (G-Protein binding Receptor)
- Schellongtests nicht abrechenbar
- Endothel Dysfunction: Brachial artery flow-mediated dilation (FMD) and arterial stiffness (carotid-femoral pulse wave velocity, cfPWV): Flow-mediated dilation or EndoPAT test
- spezifische Immunmarker
- Tryptase Basiswert und Anstiegswert im 7-Std-Fenster nach Schub bei MCAS
- validierte Fragenbögen zu autonomer Dysfunktion, SFN, PEM und FAS werden ignoriert
- fMRT, PET für Gehirndurchblutung
Ohne diese genaue Diagnostik kommt es weiter zur Dauerschleife: a) kein biologisches Substrat, wird nicht anerkannt b) können keine guten Subgruppen für spezifischen Therapiemöglichkeiten gefunden werden!
z.b. nicht-zielgerichtete Gabe von Antikoagulation (auch pflanzliche) nicht zielführend, sondern nur gefährdend, wenn gar keine Microclots oder endothel. Dysfunktion vorliegen. Immunapharese ohne Vorliegen von Autoantikörpern wird vmtl. kaum helfen.
Fazit: Ein echter Versorgungspfad fängt mit zielgerichteter Diagnostik an, daraus folgt eine zielgerichtete Therapie.
Biomarker?

Unter “Suche nach Biomarkern und Prädikatoren” sind all jene Studien aufgelistet, die nach eindeutigen Merkmalen eines LongCOVID/Post-Covid-Syndroms suchen.
Derzeit geht man von 4 Haupt-Hypothesen für LongCOVID aus:
- Autoimmunreaktion (Peluso et al. 2022)
- Entzündung (Fernández-Castaneda et al. 2022, Phetsouphanh et al. 2022, Schultheiß et al. 2022,
- Anhaltender Virus oder „Virus-Reste“ im Körper (Chertow et al. 2021, de Melo et al. 2021, Swank et al. 2022, )
- Gerinnungsstörungen wie winzige Blutgerinnsel (Pretorius et al. 2021, Chanprapaph et al. 2021, Prasannan et al. 2022, Iwamura et al. 2022, Patel et al. 2022, Turner et a. 2022, Xu et al. 2022 )
Therapien

Long-COVID treatments: why the world is still waiting (09.08.22 – derzeit mehr als 25 randomisierte Versuche am Laufen in verschiedenen Stadien)
You must be logged in to post a comment.