
Die Idylle einer Landschaft genießen dürfen
Gestern Abend bin ich über diesen Kommentar gestolpert und habe mich darüber geärgert:
Für die, die keine kleinen Kinder haben, jene, die nicht vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, für die das alles nur ein wenig nervig ist, ist das wirklich keine so fürchterliche Herausforderung, dass man gleich die Nerven wegwerfen muss. […] Ich will niemandes subjektives Leid relativieren. […]
Zunächst das Totschlagargument “Wenn Du Kinder hättest ….”, mit der man jede Kritik im Keim ersticken kann und dann relativiert der Autor subjektives Leid sehr wohl und möchte gleichzeitig vorschreiben, wie man in der aktuellen Situation zu empfinden hat. Er spricht von manchen mit Existenzsorgen, sieht aber viele nur aus Bequemlichkeit jammern. Ja, die kann es geben, aber es gibt auch Gründe zu jammern, selbst wenn man keine kleinen Kinder hat oder nicht vor den Trümmern der Existenz steht. Hier geht es nicht einmal darum, dass man für ein paar Wochen auf die Alltagsroutinen verzichten muss, sondern es sieht – für jene unter uns mit mehr Weitsicht – nach einer unabsehbaren gravierenden Krise aus, die die ganze Welt erfasst hat, und je stärker die Maßnahmen gelockert werden, desto deutlicher wird das Ganze. Es ist völlig unklar, welche Branchen das auf Dauer überleben können, wie viel vom Kulturbereich einfach ausstirbt, da hängen nicht manche, sondern unzählige Existenzen daran. Es sind nicht manche, sondern viele, die psychisch unter der Situation leiden, die vorher schon gelitten haben und denen jetzt noch weniger Beachtung geschenkt wird, weil in der politischen Landschaft keiner auf das Thema Psychohygiene achtet. Letzendlich hängt übrigens an jeder Bequemlichkeit, die wir derzeit abgeben, ein Arbeitsplatz, der vorübergehend oder dauerhaft verloren geht. Das war eine ad hoc-Reaktion am Anfang, als man die Bilder aus Italien sah. “Na, besser daheim bleiben, wozu brauchen wir jetzt Konzerte und Theater?” Ja, WIR brauchen das nicht, aber die Mitbürgerinnen und Mitbürger, die davon leben, die brauchen die Einnahmen! Ich kann mir abseits der im Zitat genannten Situationen noch etliche vorstellen, bei denen man sehr wohl die Nerven wegschmeißt. Es steht auch einem Journalisten und Sachbuchautor nicht zu, für uns zu entscheiden, ab wann man die Nerven wegschmeißen darf.
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