Coronadingsbums

Die gewöhnliche Influenza ist immer noch sehr umtriebig, auch in der elften Kalenderwoche gibt es 11600 Neuerkrankungen alleine in Wien. Die Vorbeugemaßnahmen sind identisch zum Coronavirus, mit den Griffeln nicht ins Gesicht fassen, keine Türklinken oder Haltestangen in den Öffis anfassen. Und wenn man es tut, Hände waschen, mit Seife, sonst kann es gleich bleiben lassen, und mindestens eine halbe Minute, besser eine Minute, was so gut wie niemand macht. Gegen die gewöhnliche Grippe hat sich nur etwa 20% der Bevölkerung impfen lassen. Aber, das große Aber… warum verbreiten sich Influenza und Corona so gut in Europa? Zum Einen durch den Massentourismus, zum Anderen durch Menschen, die krank arbeiten gehen [müssen]. Der Billigflugtourismus ist, seit es Niedrigstdumpingpreise bei den Fluglinien gibt, aus dem Ruder geraten. Und ob man sich im Urlaub befindet oder in der Hackn, gebucht ist gebucht, Arbeit ist Arbeit, daheim bleiben die wenigsten. Die Werbung und Apotheken propagieren an jeder Ecke ihre Grippemittelchen, Neocitran und Co, mit denen man so tun kann, als sei man gesund und könne den Urlaub genießen oder weiterarbeiten. Krank sein dürfen erlaubt sich kaum noch einer. Und nebenbei erlauben das viele Chefs nicht. Im Krankenstand kann gekündigt werden. Das österreichische Arbeitsrecht ist diesbezüglich ziemlich lasch. Dazu kommt in fast allen Branchen Personalmangel, was dazu führt, dass die Arbeit erledigt werden muss, und der Druck auf einzelne wächst, die Burnoutgefahr zunimmt, das Immunsystem darunter leidet, etc., etc. Eine echte Grippe auskurieren dauert mindestens zwei Wochen. Es. ist. nicht. möglich, damit nach drei Tagen wieder arbeiten zu gehen. Es werden schwerwiegende Folgeerkrankungen riskiert, bis hin zur Herzmuskelentzündung, Herzschrittmacher und am Ende steht der Tod. Vorbeugung my ass – die effektivste Lösung, andere nicht anzustecken, wäre daheim zu bleiben. Auch wenn es im Fall eines lang geplanten Urlaubs wehtut, oder im Fall eines Billigurlaubs sicher nicht wehtut, wenn der Flug weniger als einmal Volltanken kostet. Es passt nicht in unses neoliberales Ausbeutersystem, sich selbst etwas gutes zu tun. Es gibt keine Gegenmaßnahmen gegen Personalmangel, Arbeitszeitverkürzung wird als Untergang der Wirtschaft verteufelt.

Was ich damit sagen will: Die Gegenmaßnahmen werden nicht wirken, wenn man kranken Mitarbeitern nicht erlaubt, daheim bleiben zu können und sich auszukurieren, statt andere anzustecken und ihre eigenen Gesundheit zu ruinieren – das betrifft beides – die aktuelle Influenzawelle als auch die folgende Coronawelle. Und warum können es sich nicht erlauben? Weil am Personal gespart wird, und weil die Löhne niedrig sind und Fachkräftemangel herrscht, sodass dem verbleibenden Personal gar nichts anders übrig bleibt, als Mehrarbeit zu leisten. Die drohende Grippepandemie ist also in Wahrheit eine Systemkrise, deren Auswirkungen sich jetzt auch darin zeigen, dass es zu Engpässen bei Medikamenten kommt und die Zulieferer diverser Technologiebetriebe keinen Nachschub mehr erhalten. Möglichst billig soll produziert werden, das geht nur im Ausland, was nebenbei schädlich fürs Klima ist und meistens mit der Ausbeutung von Niedrigstverdienern verbunden ist. Wenn das Coronadingsbums jetzt schrittweise die Infrastruktur weltweit lahmlegt, könnte man ja mal grundsätzlich hinterfragen, ob man weiter sehenden Auges mit Vollgas in den Untergang reiten will oder ob man – fünf vor zwölf – zu nachdenken anfängt, ob das klug ist, was wir gerade machen. Wenn man sieht, wie Australien darauf reagiert hat, dass zwanzig Prozent ihres gesamten Waldbestands durch die Feuer vernichtet worden sind, hält sich mein Optimismus allerdings in Grenzen.