
Wenn ich die Pandemie in einem anderen (west-) europäischen Land als in Deutschland, Österreich oder der Schweiz erlebt hätte, dann wäre ich am Anfang noch hoffnungsfroh gewesen, dass sich durch die epochale Zäsur auch ein Struktur- bzw. Systemwandel erzwingen lässt. In anderen Ländern sieht man durchaus Ansätze, als Konsequenz auf die Unberechenbarkeit von Masseninfektionen saubere Innenraumluft einzuführen, etwa in Belgien oder in den USA. Anekdotisch gibt es in keinem Land so aggressive Reaktionen auf Maskenträger wie in Österreich, ganz anders etwa in Süd- und Mittelamerika, aber auch in Griechenland oder Italien. Als die Maskenpflicht in den Supermärkten kam, ließ Ex-Kanzler Kurz ausrichten:
„Ich bin mir vollkommen bewusst, dass Masken für unsere Kultur etwas Fremdes sind“, es werde eine große Umstellung sein. Das werde eine Lernphase sein. Ziel werde es sein, diese Masken auch überall dort zu tragen, wo ein Vorbeigehen stattfindet. Kurz sagte zudem, das sei „kein Ersatz für das Abstandhalten“, sondern eine zusätzliche Maßnahme. (30.03.20)
Schon ab Sommer 2022, inmitten der schweren BA.5-Welle, konnte es der Bundesregierung nicht schnell genug damit gehen, die Maskenpflicht abzuschaffen, im Februar 2023 inmitten der XBB.1.5-Welle folgte die Wiener Stadtregierung nach und schaffte die “lästigen” Masken, die dem Gesundheitsstadtrat Hacker bereits “zum Hals raushingen” ab. Eine Empfehlung fürs Maske tragen und generell auch eine Erklärung, weshalb Maske tragen sinnvoll war und ist, blieb aus.
In Österreich hat man nichts aus der Pandemie gelernt. Das gesellschaftliche Klima gegenüber Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen hat sich dramatisch verschlechtert. Sie kommen in keinem Parteiprogramm vor. Infektionsschutz spielt keine Rolle. Zu den großen Verlierern zählen auch die Kinder. Es gibt seit langem schon Studien zum gestiegenen Diabetes-Risiko nach einer Covid-Infektion, bei Kindern hat es sich verdoppelt (Weiss et al. 2023) und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Wir wissen jetzt auch, dass die schwere RSV-Welle in den Jahren 2021 und 2022 auf der Nordhalbkugel auf die Durchseuchung der Kinder zurückzuführen war (Wang et al. 2023) und Reinfektionen – auch mit OMICRON – das LongCOVID-Risiko erhöhen (Perreira et al. 2023). Auch die Zunahme an Scharlach-Fällen (v.a. Streptokokken A) ist auf die Immunschwäche zurückzuführen, die Covid19 zumindest vorübergehend verursacht (Kvalsig et al. 2023). Die Hiobsbotschaften aus der Forschung treffen genau so ein wie befürchtet oder prognostiziert. Von Beginn an hätte man bei einem unbekannten Erreger auf das Vorsichtsprinzip setzen müssen – gerade bei Kindern, die die meisten (gesunden) Lebensjahre vor sich haben von allen Generationen!
Ich weiß längst, dass ich mit Fakten nichts mehr reißen werde. Corona ist längst zum Tabuthema geworden. Wochenlange Krankenstände selbst nach der zweiten Infektion, die so gar nicht ins Bild der “Hybrid-Immunität” passen oder zu Aussagen wie “Jetzt hast Du es hinter Dir! werden einfach nicht mehr angesprochen. Das stört die Normalitätssimulation, die heile Welt von 2019, die jetzt 2023 zurückgekehrt sein soll – jetzt, wo die Pandemie doch vorbei ist. Nur: Stimmt das überhaupt? Auch das will keiner mehr wissen. JournalistInnen sagen hinter vorgehaltener Hand, dass man mit dem Thema Covid in den Redaktionen auf taube Ohren stößt – das Thema ist lästig geworden, und stört die Verdrängung. Nur: Journalisten haben eine Verantwortung dem Leser gegenüber, und müssen auch dann berichten, wenn es lästig ist, aber gesellschaftlich relevant und wissenschaftlich untermauert bleibt.
Mir ist längst bewusst, dass ich in meinem nichtdigitalen Umfeld zum Sonderling geworden bin. Ich bin derjenige, der immer noch Maske trägt – im Handel, im Supermarkt, in den Öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Arzt, aber auch bei den Übergaben bei Schichtwechsel oder in der Kantine. Die Maske setze ich nur bei kalkulierbaren Risiken ab, etwa durch meine CO2-Messungen oder wenn ich davon ausgehe, dass keine infizierten Personen auf einer Hütte einkehren, die nur mit mehreren Stunden Fußmarsch erreichbar ist. Ich kann aber auch all das, was ich die letzten Jahre gelernt habe, nicht einfach vergessen. Dafür kenne ich auch zu viele Erfahrungsberichte von Betroffenen aus erster und zweiter Hand. Es ist nicht leicht derzeit – als Meteorologe, der sowohl die Auswirkungen der globalen Erhitzung sieht als auch die Folgen der Pandemie dokumentiert. Ich sehe keinerlei ernsthaftes Bestreben der Menschheit, den Ernst der Situation zu erkennen und etwas dagegen zu unternehmen.
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