Kolumne 02: Das Zeitalter der Eigenverantwortung

Alle Meldungen zeigen ein systematisches Problem: Mangelnde Eigenverantwortung durch fehlende Informationen mit teilweise beträchtlichen Folgen, die über materielle und finanzielle Schäden hinausgehen können, wobei im Fall der Schulschließungen die staatliche Fürsorgepflicht aufgegeben wurde und der Schutz von Pädagogen, Schülern und deren Eltern durch den hohen sozialen Druck, sich nachteilig zu exponieren durch Eigenverantwortung de facto nicht möglich ist.

Warnungen und Fakten wurden längst zu Meinungen degradiert. Ein Problem, das längst nicht nur mehr die SARS-CoV2-Pandemie und ihre langfristigen Folgen betrifft, sondern alle Gesellschaftsbereiche. Natürlich hat es das schon immer gegeben, aber durch Social Media und Kontrolle der Medien wurde die Unlogik noch nie so tiefgreifend zur Staatsräson erhoben wie jetzt durch die Pandemie sichtbar wurde. Der Journalismus ist in einer globalen Krise mit schwerwiegenden Folgen und Österreich ist davon besonders stark betroffen. Die Presseförderung bzw. Förderung mit politischen Inseraten begünstigt überproportional Boulevardmedien, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Nischenmedien für Migranten wie OktoTV, DasBiber oder “DaStandard” werden eingestellt, Magazine für Menschen mit Behinderungen wie Anderererseits kämpfen ums Überleben.

Die Regierungen nützen die Journalismuskrise eiskalt aus für ihre Ziele, die Botschaften ihres Regierungsprogramm möglichst mundgerecht und kritiklos an die Wähler zu bringen. Im Fall der Pandemie lauten sie: Wir haben alles unter Kontrolle, es gibt keinen Grund zur Panik, eine neuerliche Überlastung der Spitäler ist nicht zu erwarten, daher besteht keine Veranlassung für neue freiheitsbeschränkende Maßnahmen. Die österreichische Regierung hat aber nicht nur die Kontrolle darüber, was geschrieben wird (Stichwort: Intervention in der Redaktion), sondern sie gibt auch nur jene Daten preis, die sie nicht in Misskredit bringen. So haben wir in Österreich seit dem Fall der Meldepflicht eben keine aktuellen Mortalitätsdaten mehr zu SARS-CoV2, wir haben eine Surveillance-Datenbank zu Hospitalisierungen mit “schweren Atemwegserkrankungen”, das etwa vier Wochen hintenliegt und eine große Zahl unbekannter Erreger ausweist – weil routinemäßig nicht mehr getestet wird, wir haben ein Abwassermonitoring mit unterbrochenen Zeitreihen und auf bestimmte Regionen beschränkte Messungen, das 1-2 Wochen hintenliegt und keine Informationen auf Bezirksebene liefert, ausgenommen in Vorarlberg und Tirol. Mit Verweis auf Datenschutz und Amtsgeheimnis verweigert man der Wissenschaft den Zugang zu einer “Plattform zur gemeinsamen Sekundärnutzung von Daten aus dem Gesundheitsbereich”. So waren und sind etwa keine Verknüpfung von Berufsgruppen mit erhöhtem Infektions- und Hospitalisierungsrisiko erforschbar und wir müssen uns mit Daten aus anderen Ländern begnügen, die hierzulande aber nicht beachtet oder journalistisch thematisiert werden.

Wenn man wichtige Daten vorenthält, ist das genauso Datenfälschung (durch Unvollständigkeit) – im wissenschaftlichen Kontext ein absolutes No-Go, weil man so einseitige Schlussfolgerungen fördert. Es ist aber auch für die Eigenverantwortung ein No-Go, denn wenn mir wichtige Informationen fehlen, passe ich mitunter mein Verhalten falsch oder gar nicht an. Wenn ich den Wetterbericht nicht lese und mir keine Gedanken zur Tourenplanung im hochalpinen Gelände im Spätherbst mache, dann werde ich vom “Wintereinbruch” überrascht werden. Ich kann noch so viele Vorträge zum Risikomanagement halten, aber sich Informationen zu beschaffen, ist letztendlich Aufgabe des Bergsteigers. Dabei würde es hier ausreichend Daten und Prognosen geben, angefangen von täglichen Wetterberichten, Alpenvereinswetter, Anruf bei einer nahegelegenen Hütte, Webcams bis hin zu Daten von Lawinenwarndiensten. Mit diesen Informationen wird es in den meisten Fällen gelingen, eine sichere Tourenplanung durchzuführen und bei unsicheren Bedingungen eben abzusagen.

Im Fall des Infektionsrisikos durch SARS-CoV2, unabhängig davon, ob man es nun pandemisch oder endemisch nennt, haben wir diese Fülle an Daten nicht – wobei man hier differenzieren muss: Wissenschaftler, durchaus auch Politiker und interessierte Bürger haben detaillierte Kenntnisse über die Folgen einer SARS-CoV2-Infektion, zu LongCOVID, zu Krankenständen, zu den Folgen für das Gesundheitssystem, welche die Allgemeinbevölkerung nicht hat. Es ist nicht die Aufgabe der Allgemeinbevölkerung, ihr eigenes Informationsdefizit aufzuholen. Das ist Aufgabe des Staates und es ist Aufgabe eines funktionierenden Journalismus, die Lücken aufzufüllen und Kritik an der Datenqualität und den Schlussfolgerungen zu üben. Was aber noch schlimmer wiegt, ist, dass die Bevölkerung nicht darüber aufgeklärt wird, wer eigentlich vulnerabel ist (“alle”) und dass eine Gesellschaft wie ineinander geschwungene Zahnräder funktioniert. Es kann sich nicht eine Gruppe herausnehmen und glauben, das Getriebe läuft von alleine weiter. Jetzt haben nicht einmal jene, die wissen, dass sie vulnerabel sind und sich schützen wollen oder müssen, genügend Daten zur Verfügung, dies eigenverantwortlich zu tun.

15. Jänner 2023, Kronenzeitung

Seit 1. September 2023 haben erst 3,6% der Gesamtbevölkerung das XBB-Impfupdate erhalten, in der Gruppe der 65+ erst rund 20%. Paxlovid wird vielfach nicht verschrieben und wer es rechtzeitig bekommen will, möglichst vor oder um Symptombeginn herum, sollte sich testen, was aber nur bei den völlig überlasteten niedergelassenen Ärzten geht oder auf eigene Kosten. In Zeiten zunehmender Verarmung durch die hohe Inflation sind das Kosten, die sich längst nicht jeder leisten kann oder will. Selbstverständlich hat die Bundesregierung den Selbstschutz auf den Bürger abgewälzt – in einer Phase mit pandemische Ausmaße erreichenden Infektionszahlen ist das schlicht Arbeits- und Verantwortungsverweigerung des Staates (Stichwort: Fürsorgepflicht).

Wissenschaft und Fakten werden ausgerechnet von jenen, die die sie manipulieren – sei es durch Falschaussagen wie “steigende Suizidfälle durch Lockdowns” oder durch Weglassen relevanter Aspekte wie LongCOVID, oder auch durch Verharmlosungen wie “Atemwegserkrankungen” – angeführt, um sich selbst mit weißer Weste zu präsentieren, als Personen, die über den Fakten stehen, die eben Politik machen und Kompromisse eingehen müssen, während “die Wissenschaft” als realitätsfremd und kompromisslos dargestellt wird.

Innenminister Karner (ÖVP), STANDARD, 26.08.22)
Gesundheitsminister Rauch (Grüne), KURIER, 18.03.22
Rauch, STANDARD, 25.03.22
Rauch, Tweet, 19.04.22
Rauch, Bluesky, 16.10.23

In Österreich gab es nie eine objektive, gesellschaftliche Debatte darüber, was Verhältnismäßigkeit für reale Auswirkungen auf die Bevölkerung haben wird. Wie viele Tote wir dauerhaft in Kauf nehmen werden, wie viele Langzeitkranke, die nicht mehr gesund werden, wie viel Arbeitskräftemangel, wie wir die Wirtschaft schädigen, aber auch die Zahl der gesundenen Lebensjahre der Kinder senken, so wie überhaupt die Lebenserwartung gesenkt wird, was nur geschieht, wenn jüngere Menschen vorzeitig sterben. Was bedeutet Verhältnismäßigkeit in einem demokratischen Rechtsstaat, wo mehrere hunderttausend Menschen seit Pandemiebeginn von sozialer Teilhabe ausgeschlossen wurden? Nach aktuellem Stand dauerhaft für den Rest ihres Lebens. Was heißt Verhältnismäßigkeit im Gesundheitswesen, wenn Patienten mit schweren chronischen Erkrankungen im Spital infiziert werden und kränker entlassen werden als sie hineingekommen sind, oder sogar infolgedessen versterben?

Gesundheitsministerium auf orf.at-Anfrage, 23.11.23

Wie kann man diese Aussage anders interpretieren als eine gezielte Falschmeldung, als faktenwidrig und ohne Expertise? Wir reden hier nicht einmal vom Alltag vulnerabler Menschen, die – auch das seit Pandemiebeginn eine gezielte Falschinformation – die nicht nur in Heimen leben, sondern mitten in der Gesellschaft unter uns leben, in die Schule gehen, ins Theater, im Büro sitzen, an der Supermarktkasse oder als Reinigungskraft im Spital. Wir reden hier vom Gesundheitswesen, einem Ort, den man sich nicht aussuchen kann, in Zeiten akuten Ärztemangels schon gar nicht, und in Zeiten eines medizinischen Notfalls erst Recht nicht. Nicht einmal dort will man Patienten schützen – verweist auf eine Immunität der Gesamtbevölkerung, die eben gerade auf vulnerable Patienten NICHT zutrifft, und auf die aktuellen Varianten, die trotz Update der Impfung für symptomatische Verläufe sorgen, die durchaus milder verlaufen, aber eben nicht immer. Die Mehrzahl der momentan behandelten CoV2-Patienten im Spital hat das Impfupdate nicht erhalten und wurde zuvor nicht mit Paxlovid behandelt – ein klares Versagen des Staates in der Aufklärung der Bevölkerung, aber auch der Ärzte, in die Patienten notgedrungen ihr Vertrauen setzen müssen.

Dann wundern sich WissenschaftlerInnen, die in der Öffentlichkeit LongCOVID niemals erwähnen darüber, dass ihre Appelle zum freiwilligen Maske tragen nicht fruchten.

Auch wenn die Pandemie offiziell vorbei ist, „das Virus bleibt”, sagt Virologin Redlberger-Fritz. Sie rät Personen,die Symptome haben, sich zu testen, zu Hause bleiben und wieder Masken zu tragen. „Derzeit beobachte ich in den Straßenbahnen leider nicht, dass das auch passiert.

FALTER Newsletter, 24.11.23

Das meine ich mit unvollständigen Informationen. Aus allen Kanälen hören wir derzeit “Experten sind entspannt/gelassen”, “kein Grund zur Beunruhigung”, “kein Grund zur übertriebenen Sorge”, “alles milde Verläufe”, “Vulnerable sollen ihre Impfung auffrischen”. Das Resultat ist klar: Der Durchschnittsbürger sieht sich nicht als vulnerabel: “Mich betrifft das nicht.” – warum sollte er sich dann eine Maske aufsetzen?

Ein Problem ist natürlich auch die Art, WIE Wissenschaftler kommunizieren, mit vorauseilendem Gehorsam vor der Politik. Im eher spannungsarmen Film “St. Helens” (1981), der die Tage von den ersten Anzeichen für einen Vulkanausbruch bis zum Tag der Katastrophe schildert, fiel mir besonders eine Szene auf. Der Vulkanologe David Jackson ließ sich auf riskante Weise zum Vulkankrater fliegen, um entscheidende Proben zu sammeln, die einen unmittelbar bevorstehenden großen Ausbruch beweisen sollten. Sein Vorgesetzter Lloyd kritisierte danach sein Vorgehen als rücksichtslos und unverantwortlich. Bei einer Bürgerversammlung zuvor hatte Jackson die dramatischen Folgen eines drohenden Ausbruchs geschildert, aber Lloyd hat diese heruntergespielt und behauptet es würde keine Beweise geben. Daraufhin unterschrieben die meisten eine Verzichtungserklärung (waiver), dass sie sich nicht evakulieren lassen würden.

David: “What about those waivers you’d advised people to sign?”
Lloyd: “I advised no one to sign anything, David!
David: “Because you’ve become a politician, Lloyd! You risked the life of every single person in this community with your damn crock of shit at that meeting. You knew the bulge was growing. 5 feet a day. But you didn’t say anything. So don’t talk to me about irresponsibility. As far as I’m concerned I have a chance of a lifetime here to watch a dormant volcano awaken. And that’s what I gonna do. I wanna watch it, all of it. Because I’m a scientist Lloyd. I really don’t know what you are.”

This pretty much sums the shit up.

Wenn die eigene Popularität (“wie ich mein Handeln erklären kann…”) wichtiger wird als die Bereitstellung aller notwendigen Daten und Fakten, auf deren Basis man zur Eigenverantwortung erziehen kann, dann wird diese Strategie immer Schiffbruch erleiden. Wenn es Pflichten nicht dort gibt, wo das Risiko der Nichteinsicht zu hoch ist, wie im Gesundheitswesen oder in der Arbeit mit Kindern, dann werden die Folgen immer unverhältnismäßig sein – nämlich vermeidbare gesundheitliche Schäden der Bevölkerung, die sich bei Kindern, die viele gesunde Lebensjahrzehnte vor sich hätten, ungleich schwerwiegender auswirken, in der momentanen öffentlichen Diskussion um erneute freiwillige Maßnahmen aber nahezu völlig ignoriert werden. Solange die Folgen der Nichteinsicht nicht thematisiert werden: Ich stecke eine Person an, die daraufhin einen schweren Verlauf hat und stirbt, oder einen leichten Verlauf, aber LongCOVID bekommt, solange wird man die Bevölkerung nicht dazu bewegen können, auf andere und auf sich selbst aufzupassen – in einem Ausmaß, dass es die Infektionswelle tatsächlich bremst und den Peak verringert. Und da kommen Influenza, RSV, die Mycoplasma-Lungenentzündungen und andere Infekte noch hinzu.

Kolumne 11/01: Verrat statt Solidarität

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) im STANDARD-Interview (10. März 2022) während der starken BA.2-Welle

Start eines (zusätzlichen) Formats im Form einer regelmäßigen Kolumne, mit dem ich den Blog hier weiterführe. Auf coronafakten erscheinen weiterhin ausführliche Hintergrundrecherchen. Hier mehr Text zu gesellschaftlichen Entwicklungen und persönliche Interpretation. Die Kolumne hat noch keinen Namen, vielleicht fällt mir noch etwas ein.

Das Eis der Zivilisationsdecke ist sehr sehr dünn geworden. Wir erleben das in den Krisen weltweit, wir sehen es mit der Entwicklung der Pandemie. Waren es zu Beginn schon die Solidaritätsverweigerer, die sich trotz strengem Lockdown in der Garage, zu Wohnungspartys oder im Hinterzimmer der Lokale getroffen haben, sind es jetzt hauptberuflichen Helfer in der Not, die sich nicht mehr darum scheren, ob sie den Menschen, die um Hilfe ansuchen, eine potentiell folgenreiche Krankheit anhängen. Die Politik hat für wenige Monate ihre Pflicht erledigt, im Glauben, die Krise wäre damit ausgestanden. Seitdem regiert die viel propagierte Eigenverantwortung. Zwischen den vielen Wahlterminen der letzten Jahre blieb nicht viel Platz für vernunftgesteuerte Vorschläge, geschweige den Umsetzungen. Mit der Festlegung auf die Intensivbettenkapazitäten als einzig relevanten Indikator einer Überlastung wurde die Öffentliche Gesundheit zu Grabe getragen. Der Untergang der niedergelassenen Ärzte interessiert niemanden.

Zu Beginn wurde das Bild vermittelt, dass wir alle in einem Boot sitzen: Die gesunde Mehrheit schützt die vulnerable Minderheit durch Verzicht auf ihren gewohnten Alltag und Bequemlichkeit. Es hat nicht lange gedauert, bis sich herausstellte, dass dieses Boot die Titanic ist. In der ersten Klasse sitzen Priviligierte mit Zugang zu Information, Homeoffice, Privatärzten und hochwertigen Masken und Luftfiltern. In der Klasse darunter eine breite Mehrheit, die darauf angewiesen war, was Priviligierte an Almosenschutz anboten, an Maßnahmen beschlossen, die sie selbst ehestmöglich umgehen konnten. In der dritten Klasse sitzen bis heute die Vulnerablen, darunter Armutsbetroffene, Pflegebedürftige, all jene, die regelmäßig zum Arzt oder ins Spital müssen, prekär arbeitende ohne jeden Schutz am Arbeitsplatz oder in den Schulen, ohne Zugang zu Medikamenten, guten Masken oder Luftreinigern. Das Leck durch die Eisbergkollision lässt den Vulnerablen längst das Wasser bis zum Hals stehen, doch man hat die Aufgänge versperrt, es hört niemand zu. Die Notsprechanlagen wurden schon lange abgedreht. Der größte Teil des Eisbergs liegt unter Wasser, LongCOVID und MECFS, sichtbar sind nur die Schnupfen- und Hustensymptome der ersten und zweiten Klasse, die häufig glimpflich abgehen. Sollte es hier und da bleibende Schäden geben, wird nicht darüber geredet – man möchte unter den Passagieren keine Panik auslösen.

Im vierten Jahr der Pandemie, die nach allen Daten und Fakten ohne Zweifel so genannt werden muss, profitieren gesunde Menschen überproportional von der epidemiologisch spürbaren Abschwächung der Krankheitslast. Obwohl wir uns diesen Herbst in der wahrscheinlich größten Welle seit Pandemiebeginn befinden, liegen im Verhältnis zur Delta-Welle deutlich weniger Kranke auf den Intensivstationen und es kommen weniger mit Atemnot ins Spital. Wer jedoch immunsupprimiert ist oder zu den neuen Vulnerablen zählt, weil das Immunsystem oder Organe durch Covid-Infektionen geschädigt wurden, für den ist die neue Normalität viel gefährlicher geworden als noch zu Pandemiebeginn. Dann enden Spitalsaufenthalte mit einer Verschlechterung ihrer Grunderkrankungen, mit neuen chronischen Symptomen oder tödlich.

Und die Lebensrealitäten driften immer weiter auseinander. Für die Mehrheit ist es weniger gefährlich als vorher, daher gibt es auch im Spital keine Maßnahmen mehr und gefährdet akut Menschen, die ein Recht auf Gesundheitsschutz haben. Das hat übrigens jeder, auch eine breite Mehrheit, die ihre Gesundheit gefährdet, weil man ihnen eingeredet hat, dass regelmäßige Infektionen notwendig sind, jedenfalls nicht schädlich – ein schwerwiegender Irrtum, der in allen Diskussionen und Debatten zwei wesentliche Aspekte kontinuierlich ignoriert: LongCOVID und Infektionsprävention. Wir werden keine Chance haben, die breite Mehrheit davon zu überzeugen, sich weiterhin für eine Minderheit einzusetzen, wenn der Faktor Solidarität nicht zieht. Dann geht es nur über den Eigennutzen, seine eigene Gesundheit zu schützen und als Kollateralnutzen die der Schwächeren mit. “Vulnerable zu schützen” hat nie funktioniert – es handelte sich um eine Strohmann-Forderung der “Great-Barrington-Declaration”-Vertreter, um den Schwedischen Weg der Health Supremacy solidarisch mit den Schwächeren erscheinen zu lassen.

Am schwersten wirkt der Verrat im engsten Umfeld. Wenn Partnerschaften auseinandergehen, wenn ein Riss durch die Belegschaft geht, wenn Freundschaften zerbrechen, weil eine Person mehr Wert auf ihre Gesundheit legt als die andere. Nicht nur das. Wenn man sich wie ein Bittsteller vorkommt, seine Gesundheit erhalten zu wollen – oder seinen status quo einer chronischen Erkrankung nicht zu verschlechtern. Das macht die veränderte Lebensrealität zwischenmenschlich noch viel schwieriger als der Alltag ohnehin abverlangt. Der Verlust an Empathie ist enorm. Glauben die Menschen im Umfeld denn ernsthaft, man würde dem früheren Leben nicht hinterhertrauern, man würde nichts vermissen, wenn man sich aus allen sozialen Anlässen zurückzieht und jeden Abend alleine zuhause sitzt? Wenn dieser Gedanke nur einmal käme, und sich die Frage daran anschließen würde: Warum verzichtet ihr noch immer, was glaubt ihr denn zu wissen, was ich nicht weiß? Könnte daran am Ende etwas dran sein? Dann wären wir schon weiter.

Warum gibt es jetzt zwei Corona-Blogs?

Ursprünglich hab ich coronafakten.com hochgezogen, weil es Probleme mit der automatischen Speicherung bei coronawissen.com gab und öfter mal ganze Beiträge nicht gespeichert wurden oder ich komplett kopieren musste, um sie zu veröffentlichen. Zudem hat sich bei längeren Texten die Anzeige der geschriebenen Buchstaben immer mehr verlangsamt, ein Problem, das mit der Software WordPress selbst zu tun haben dürfte und nichts mit dem Server zu tun hat, weil es auch selbst gehostet auftritt.

Wie dem auch sei: Die geschriebenen Blogtexte bleiben hier natürlich erhalten und mangels einer guten Idee für eine übersichtlichere Gliederung wird auch vorerst der “Schwedische Weg”, also das Herzstück meiner Dokumentation der Verbrechen an der Öffentlichen Gesundheit, auf coronawissen.com fortgeführt. Alle anderen Menüpunkte werden fortan auf coronafakten.com aktuell gehalten und auch neue Beiträge dort geschrieben.

Unabhängig von technischen Problemen sind die Bloginhalte nun als Backup gesichert, das kann nicht schaden.

Ich dachte zu Beginn der Pandemie naiverweise, dass professionelle Journalist*Innen zunehmend wissenschaftliche Erkenntnisse aufgreifen und korrekt berichten bzw. aufklären werden. Das ist in Österreich nie geschehen. Selbst in Deutschland sind weitaus mehr faktenorientierte Interviews erschienen als in Österreich, auch wenn es natürlich in Summe auch dort zu viel False Balance gab und gibt. Trotzdem…. die qualitativ hochwertigen Reportagen und Interviews sind in Österreich rar gesät.

Als Quereinsteiger in die Materie mit Virologie, Biologie, Genetik, Epidemiologie, Public Health und auch Bildungswesen, der nebenher einen Vollzeitjob zu bewältigen hat und offenbar als einziger Bürger in Österreich die gesamte Pandemie dokumentiert in allen möglichen Facetten, konnte ich es mir nicht erlauben, alles abzudecken und mich trotzdem kurz zu fassen, damit es lesergerecht verdaulich bleibt. Noch einmal: Das war und ist die Aufgabe von Journalist*Innen in etablierten Medien. Ich halte mich gerne an die wissenschaftlichen Fakten, deren Herleitung und Interpretation, die zielorientierte Aufbereitung sollten jene machen, die hauptberufliche Schnittstelle zwischen Institutionen und Bevölkerung sind.

Mir ist bewusst, dass meine Texte immer sehr lang sind, und ich mich meist in der Einleitung verliere, eh ich zum eigentlichen Inhalt komme. Gerne würde ich einzelne Themenbereiche auf mehrere Beiträge aufteilen oder eine Serie machen. Das geht sich als quasi ehrenamtlicher Nebenberuf leider nicht aus.

Meine derzeitige Überlegung ist, ob ich coronawissen.com dazu nutzen soll, eine wöchentliche oder zweiwöchentliche Kolumne zu starten, in der ich neue Erkenntnisse verdichtet zusammenfasse – weniger Herleitung und Literaturhinweise, mehr Interpretation. Wer mehr wissen möchte, findet auf beiden Blogs reichhaltige Literaturverweise vor. Ich werde mich auch bemühen, dies in möglichst einfacher Sprache zu tun, damit es auch ohne besondere Vorkenntnisse verstanden werden kann.

Aus der skeptischen bis verharmlosenden Ecke kommt dann, wenn man mich fachlich nicht widerlegen kann, ohne auf dubiose Verschwörungsplattformen zu verweisen, meist das ad hominem Totschlagargument:

Warum sollte man einem Meteorologen trauen, wenn er über Medizin oder Virologie schreibt?

Die wenigsten Journalist*Innen sind tatsächlich von dem Fach, über das sie einen Artikel recherchieren. Ebenso wenig sind Infektiolog*innen, die sich bisher mit Bakterien beschäftigt haben, Expert*innen für Viren. Die Einschätzung der jeweiligen Expertise hängt von den Daten ab, auf die man sich beruft. Ich beziehe mich auf meinem Blog überwiegend auf Primärquellen, sprich wissenschaftliche Veröffentlichungen, deren Autoren und Interpretationen durch andere Wissenschaftler, die sich innerhalb des wissenschaftlichen Mehrheitskonsenses bewegen. So ist sichergestellt, dass ich keine Extrempositionen vertrete.

Expert*innen sind auch nur Menschen. Insbesondere mit Preisen überhäuft können sie der Nobelpreis-Krankheit anheim fallen – sprich, der Größenwahnsinn steigt ihnen zu Kopf und sie äußern sich in fremden Fachgebieten mit unerschütterlicher Selbstsicherheit (“epistemic trespassing“), obwohl sie keine fundierten Beweise dafür haben. Dasselbe trifft auch auf renommierte Journalist*innen zu. Es kann natürlich auch Citizen Journalists wie mir passieren, mich zu verrennen, aber man soll nicht glauben, dass ich mich nie hinterfragen würde. Das mache ich ständig und rückversichere mich, nicht auf dem Holzweg zu sein.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Das gilt nicht nur für mich, sondern für alle. Jemandem zu vertrauen, nur weil er Experte genannt wird, ist gefährlich. Und wir alle wissen, wie die Karriereleiter so funktioniert – mit Einfluss, Rhetorik und Vitamin B kommt man in einflussreiche Positionen, nicht zwingend aber mit Idealismus und Festhalten an Grundprinzipien.

Glaubwürdigkeit

Australische Radiomoderatorin, die ihre Sendungen mit einer 3M Aura und Luftreiniger im Studio moderiert. Der Unterschied ist nicht hörbar. Sie hat sich bisher noch nie mit Covid19 infiziert. Wenn darum gebeten, tragen auch ihre Gäste freundlicherweise eine Maske im Studio. Vor Covid sicher zu sein ist keine lästige Pflicht. Es ist machbar.

Prävention kommt überall zu kurz im deutschsprachigen Raum. Es wird zwar über die Langzeitfolgen geschrieben, nicht aber über die vorhandenen Möglichkeiten, Infektionen zu verhindern, welche Langzeitfolgen auslösen können. Das gilt für alle viralen Infekte.

Eines sollte man klar bedenken: Forschung, Therapie und soziale/finanzielle Absicherung hinken dem Bedarf weit hinterher. Es gibt derzeit keine Heilung für alle Folgen einer SARS-CoV2-Erkrankung. In spezifischen Fällen helfen bestimmte Medikamente, bei erworbenen Autoimmunerkrankungen ist eine lebenslange Therapie notwendig, manche Schäden sind schlicht irreversibel. Solange das der Fall ist, generiert jeder zusätzliche Infektionsfall potentiell einen weiteren Teil- oder Vollinvaliden, der durch die sozialen Netze fällt. Die Regierung hat sich nie bemüht, die Netze zu verstärken, sondern im Gegenteil zusätzliche Löcher hineingemacht.

Ohne das damalig noch funktionierende Twitter hätte ich wahrscheinlich nicht so schnell je von MECFS gehört. Erste Berichte zu LongCOVID fand ich im Mai 2020. Für mich war immer klar, dass Infektionen verhindern ein wesentlicher Teil der Aufklärung, aber auch Selbsthilfe ist. Unabhängig von gerade geltenden Maßnahmenregelungen. Umso umverständlicher der Wegfall der Maskenpflicht im Gesundheitswesen und gerade aus dieser Ecke laufend deppate Kommentare Richtung PatientInnen.

Bei der ersten Veranstaltung zu MECFS, die ich heuer im August besucht habe, hatte sich bereits die schlechte Angewohnheit eingeschlichen, dass Vortragende zum Reden die Maske abgesetzt haben (mit Ausnahme des Mitorganisators Joachim Hermisson, der eine schwerstkranke Tochter mit MECFS zuhause hat). Und beim Buffet in der Pause indoor haben natürlich auch viele maskenlos geplaudert ohne Abstand. Während der Vorträge wurde von den Zuhörern hingegen brav Maske getragen.

Hier steht der gelbe Balken für Aerosolproduktion durch Atmung. Pink ist sprechen und blau singen. Das Übertragungsrisiko einer infizierten Person, die nur atmet, ist allgemein gering. (Alsved et al. 2022)

Nun wissen wir aber, dass Sprechen wesentlich mehr (infektiöse) Aerosole ausstößt als die Atmung alleine. Von daher war es seit jeher wissenschaftlich unlogisch, beim Schweigen Maske zu tragen und beim Sprechen nicht. Besonders enttäuschend war für mich, dass auch die vortragenden Fachärzte, die selbst MECFS-Patienten behandeln, keine Maske getragen haben. Es gab ja ein Mikrophon und daher war die Verständlichkeit kein Problem – auch mit Maske.

Vor kurzem gab es auf Twitter einen Hinweis zu einer stattgefundenen Fachtagung zu MECFS und LongCOVID in Baden-Württemberg. Prävention war kein Thema, gilt aber wie gesagt natürlich unabhängig von SARS-CoV2. Aus den Impressionen der Tagung wird klar, dass nur wenige Teilnehmer bzw. Vortragende wirklich verstanden haben, worauf es ankommt.

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