Die Infektion manipuliert die Menschen nicht, das sind schon wir selbst (K 14/02)

“Wirst Du diesen Pelz für immer tragen?”“Wenn sich die Welt ändert, passe Dich an.” (Trage eine gut sitzende FFP2-Maske)
Briana Mills, US-Familientherapeutin

Im Jahr 2024 ist die Gruppe der zu Corona wissenschaftlich aufgeklärten Menschen eine Minderheit. Es erfordert eine gewisse Resillienz, der kollektiven Verleugnung entgegenzutreten statt aufzugeben und in die vertraute Normalität von 2019 zurückzukehren. Die Zeit lässt sich allerdings nicht zurückdrehen, damit einhergehend weder Fortschritte wie neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Lehren noch zivilisatorische Rückschritte wie den Verlust an Solidarität und dem Ende der Öffentlichen Gesundheit. Briana Mills (Folgeempfehlung auf Twitter – jeder Tweet sitzt) spricht über die schwere Last, die man trägt, wenn man das erworbene Bewusstsein nicht ablegen kann wie ein Kleidungsstück. Das über viele Jahre erarbeitete Wissen lässt sich für diese Minderheit aufgeklärter und beharrlicher Menschen nicht vergessen. Dabei geht es nicht nur um Infektionsrisiken, die innerhalb und außerhalb der Wellen mal höher, mal niedriger sind und sich das persönliche Verhalten je nach Risikoprofil anpassen lässt. Es geht vor allem um die moralische Verletzung, die durch den tiefen Vertrauensverlust in Institutionen, Gesellschaft und Medien entstanden ist. Die mangelnde Solidarität in Politik und Gesellschaft gegenüber den “Schwächsten”, die das höchste Risiko haben, aber auch die Gleichgültigkeit gegenüber wiederholten Infektionen, die das Risiko erhöhen.

Innerhalb der Gruppe an “covidbewussten” Menschen hält sich hartnäckig die Hypothese, die SARS-CoV2-Infektion selbst würde die Menschen manipulieren, zu risikoreicherem Verhalten animieren – ein Art Toxoplasmose-Effekt wie bei Parasiten. Diese Parasiten betreffen rund ein Drittel der Weltbevölkerung. Bisher habe ich keine Studie gesehen, die einen klaren Zusammenhang zwischen gesteigertem Risikoverhalten und einer kürzlichen SARS-CoV2-Infektion belegen können. Das ist auch schwer möglich, wenn man nicht unter einem Stein lebt, denn unser Umfeld beeinflusst ganz erheblich, wie wir denken. Kognitive Beeinträchtigung ist zwar belegt, aber damit nicht zwingend gesteigertes Risikoverhalten. Streng genommen ist es ebenfalls ein Verdrängungsmechanismus der covidbewussten Menschen – nämlich der menschlichen Natur, des menschen Verhaltens im Umgang mit Gefahren, die ihnen unvermeidbar erscheinen. Sie wollen nicht wahrhaben, dass die Menschen sind, wie sie sind – was nicht bedeutet, dass es unveränderlich ist. Denn mit Toxoplasmose zu argumentieren kann auch schädlich interpretiert werden: Warum sollte man sich weiter für Aufklärung einsetzen, wenn das Virus das Verhalten manipuliert, nicht unsere Bemühungen Verhaltensänderungen ermöglichen können?

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Der Wissenschaft folgen, Risiken reduzieren (K 13/02)

Ich werde auf meinem Blog nicht vorgaukeln, weiterhin strengste Vorsichtsmaßnahmen mit Null Risikoinkaufnahme einzuhalten, die ich selbst dann nicht lebe. Das Risikoprofil der Menschen ist verschieden und damit auch die Art und Weise, wie mit der aktuellen Situation umgegangen wird. Dritte nicht gefährden ist dabei die rote Linie für mich.

So wie ich auf hohe Abwasserwerte und viele symptomatische Personen im Umfeld reagiere, indem ich die Zügel fester anziehe, reagiere ich auch auf niedrige Abwasserwerte und gehe für mich vertretbare Risiken eher ein. Ich möchte das hier am Beispiel Restaurantbesuch erläutern. Persönlich lieber wäre mir in vielen Situationen Take-Away wie zu Lockdownzeiten bzw. die Möglichkeit draußen zu sitzen. Das Winterhalbjahr verläuft damit seit Ende der Schutzmaßnahmen recht eintönig – auch klassische Winterurlaube sind für mich nicht mehr umsetzbar. Dieses Ungleichgewicht ist belastend, wenn man ein halbes Jahr Freizeit und Urlaub nicht nutzen kann wie seine Kollegen. Das Höchste der Gefühle ist für mich daher ein gutes Auswärtsfrühstück oder eine Hütteneinkehr, zumindest aber in Verbindung mit einem Ausflug oder einer Wanderung auch auswärts essen gehen zu können, wenn ich schon auf Übernachtungen verzichten muss. All jene, die darauf keinen Wert legen, weil sie lieber zuhause essen oder sich gegenseitig bekochen, müssen ab hier nicht weiterlesen. Wenn das für Euch so passt, dann gibt es daran nichts zu kritisieren.

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Kolumne 12/01: Die Immunität wurde stärker, nicht das Virus milder

Grafik adaptiert von Jeff Bergheim (Twitter)

Manche Wahrheiten muss man so oft wiederholen, bis man es nicht mehr verhindern kann, es zu wissen: SARS-CoV2 war nie rein auf die Atemwege beschränkt. Die Übertragung des Virus passiert über die Atemwege durch winzige Aerosole, die inhaliert werden. Über die Atemwege gelangt das Virus in die Lunge und ruft dort bei schweren akuten Verläufen eine Lungenentzündung hervor. Das Virus verbreitet sich aber nicht nur in den Atemwegen, sondern im ganzen Körper und richtet an jedem Organ, in jeder Zelle Schäden an. SARS-CoV2 als systemische Gefäßerkrankung ist seit April 2020 bekannt.

Wiederholt behaupten Pseudoexperten, dass Viren mit der Zeit harmloser werden würden und begründen das mit der Behauptung, dass das Virus seinen Wirt nicht töten möchte, weil es sich sonst nicht verbreiten kann. Was ist dran an dieser Behauptung? Werden Viren wirklich mit der Zeit harmloser? Welchen Einfluss hat die Immunität durch Impfung und überstandene Infektionen? Ist Omicron tatsächlich mild? Diese Fragen möchte ich im folgenden Artikel adressieren. Spoiler: Es ist keinesfalls eine allgemein gültige Regel, dass Viren mit der Zeit harmloser werden, und Omicron ist nicht mild.

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Kolumne 11/01: Wie LongCOVID/MECFS -Betroffene im Stich gelassen werden

Berge sind für mich Lebensqualität – sie bleibt aber nur bei guter Gesundheit

“Die Gesellschaft demonstriert gegen Nazis, aber nicht für Zusammenhalt und Rücksichtnahme. Das würde ja persönliche Einschränkungen bedeuten. 40 Jahre Neoliberalismus zeigen ihr hässliches Gesicht.”

das Bruderherz

Mangelnde Prävention bei “Solidaraktionen”

Es brennt auf allen Ebenen, nicht nur hierzulande, aber ich schreibe als Bürger von Österreich und beziehe mich auf die Situation vor Ort. Vor wenigen Tagen schrieb ich darüber, wie wichtig es gewesen wäre, wenn die Demonstranten gegen Rechtsextremismus und Faschismus bei ihrer Anreise und zumindest innerhalb der Menge eine Maske getragen hätten. Ich konnte nicht mit gutem Beispiel vorangehen, weil ich an diesem Tag arbeiten musste. Die Bilder haben leider gezeigt, dass nur ganz wenige anständige Menschen unter den Demonstranten waren, die sich vor allem selbst schützen wollten oder mussten, und als Kollateralnutzen, weil Masken auch die Verbreitung von Viren verhindert, ihr Umfeld mitgeschützt haben. Keiner der Veranstalter und teilnehmender Organisationen oder Parteien hat eine Empfehlung zur Maske ausgesprochen – warum auch, wir haben ja nur eine starke Influenza- und RSV-Welle, die zu etlichen Krankenständen, Hospitalisierungen und Todesfällen führt. SARS-CoV2 ist zwar weiter am Rückzug, aber nicht vorbei und eben deutlich ansteckender als andere Viren. Es ist frustrierend und beschämend, dass die Gesellschaft ernsthaft glaubt, sie hätten ihre Standhaftigkeit gegen Faschismus aufgezeigt, diese dann aber im Alltag nicht leben. Vulnerable und kranke Menschen hätten es nicht verdient, an der Demonstration sicher teilnehmen zu können. Das ist die Botschaft der Bilder, und damit ist bereits ein Ziel der Neofaschisten erreicht – lebenswertes und lebensunwertes Leben wird getrennt. Wer sich auf der Demo oder in einer vollgestopften U-Bahn infiziert hat, der hat halt Pech gehabt, wird dann von der Mehrheit der standfesten Demonstranten ignoriert werden. Ich empfinde das als scheinheilig.

PR-Sprech vom Gesundheitsministerium

In Österreich hat der Oberste Sanitätsrat ein Kompetenzzentrum für postvirale Erkrankungen empfohlen. Einerseits um die große Zahl an durch SARS-CoV2 neu erkrankten Betroffenen behandeln zu können, andererseits um die bereits bestehende große Zahl an MECFS-Patienten zu adressieren. Beim MECFS-Symposium im Herbst 2023 kündigte Gesundheitsminister Rauch (Grüne) ein Referenzzentrum an – das Wording macht hier den Unterschied, denn es dient primär dem Austausch von Forschung und Ärzten, aber nicht als Anlaufstelle für Betroffene selbst. Es gibt aber de facto schon diesen Austausch durch Fortbildungen und Vorträge, wo sich die Universitäten und Institute mit Allgemein- und Fachmedizinern vernetzen. Ist das geplante Referenzzentrum also nur ein PR-Gag? Ein Kompetenzzentrum ist nur interdisziplinär sinnvoll, um sowohl medizinische als auch soziale Fragestellungen abzudecken. Betroffene, die auf der verzweifelten Suche nach wirksamen Therapien und Medikamenten sind, aber gleichzeitig um die Anerkennung ihrer Krankheit für ÖGK, AMS und PVA kämpfen, die “ausgesteuert” werden und aus dem System fallen – aus den sozialen Netzen.

Die Leitung des Referenzzentrums soll im Februar auf europäischer Ebene ausgeschrieben werden – die Bewerbungsfrist soll sechs Monate dauern – dann ist August und die heiße Wahlkampfphase, in der Parteien anything but Covid am Schirm haben werden. Welches Bundesland möchte dieses Referenzzentrum – oder gar ein Kompetenzzentrum haben? Die Weandmecfs-Stiftung, die durch die Bäckereifirma Ströck gegründet wurde, will den Aufbau eines echten Kompetenzzentrums vorantreiben und stellt dafür 1 Millionen Euro zur Verfügung. Bis jetzt hat sich aber unter den Sozialversicherungsträgern und der Regierung noch kein Abnehmer für das Geld und den damit verbundenen Zweck gefunden, schrieb die Österreichische Gesellschaft für ME/CFS am 31.01.24 auf Twitter.

Die SPÖ in Wien schaut weg

Die Stadt Wien macht auch keine Anstalten, hier Pionierarbeit leisten zu wollen und sich als Stätte für ein solches Kompetenzzentrum für Betroffene anzubieten. Das würde ja Kosten verursachen. Hier zeigt sich leider das wahre Gesicht der SPÖ-Wien, deren “strenger Weg in der Pandemie” reiner Populismus und Selbstzweck war. Die Initiative mit den Gurgeltests verhinderte die Durchseuchung der Kinder nicht, die Maskenpflicht galt einzig zum “Schutz” der Bettenkapazitäten der Wiener Spitäler. Als diese covidspezifische Überlastung nicht mehr gegeben war, hatte man keinerlei Skrupel, die Maskenpflicht in Wien trotz mehrerer Winterwellen aufzuheben und in den Spitälern ganz abzuschaffen. Betroffene von Spätfolgen waren auch der SPÖ Wien egal und trotz zahlreicher Aufforderung haben die Wiener Viruslinien zu keinem Zeitpunkt während der rekordhohen JN.1-Welle erwogen, eine Maskenempfehlung auszusprechen. Diebstahlgefahr von Gegenständen wird höher gewichtet als der Diebstahl der Gesundheit ihrer Fahrgäste.

Mangelndes Bewusstsein im Spitzen- und Breitensport

Es häufen sich klarerweise diesen Winter die Unfälle im Profi-Skisport. In vielen Fällen wurde trotz eines nicht auskurierten Infekts gefahren. Weil das böse C-Wort niemand ausspricht, war es die Verkühlung, der grippale Infekt, die plötzliche Schwäche oder das Pfeiffersche Drüsenfieber von 2018. Wir sehen direkt die unmittelbaren Folgen, wenn eine schwere Viruserkrankung nicht ernstgenommen wird, egal ob SARS-CoV2 oder Influenza. Spitzensportler müssen ihre Karriere vorzeitig beenden, weil sie PEM entwickeln und nicht mehr trainieren können. Der Spitzensport wäre so wichtig, nicht nur im Skizirkus, sondern auch im Fußball, um Bewusstsein für Prävention und Langzeitfolgen zu schaffen. Er wäre zugleich niederschwellig und würde die breite kritische Masse erreichen, um zu sensibilisieren.

Auch im Breiten- und Alpinsport herrscht keinerlei Bewusstsein dafür, wie viele bereits betroffen sind, wie viele Mitglieder dem Alpenverein oder den Naturfreunden durch Spätfolgen einer von Mensch zu Mensch übertragenen Viruserkrankung abhandengekommen sind. Offenbar hält man sich durch körperliche Fitness für unverwundbar und entwickelt den Survivorship-Bias: Wenn ich es ohne Probleme mit wenigen Symptomen überstanden habe, trifft das auf alle zu. Nur ist das eben nicht so. Selbst 1-2% Spätfolgen bei jeder Welle sind viel bei hunderttausenden Infektionen. Manche erwischt es bei der zweiten, dritten, vierten oder erst fünften Infektion dann, nachdem man vier Infektionen lang geglaubt hat, man würde jetzt jede Infektion gut wegstecken. Ein Trugschluss.

“Mach mit!” – Bewusstseinskampagne im Bergsport

Ich werde meine Strategie ändern müssen, wenn ich weiterhin für Bewusstsein sensibilisieren will – aus Eigennutz, weil ich eben mit mehr Risikoreduktion an Alpenvereinsveranstaltungen teilnehmen will, und als Ally für Betroffene, der die Ressourcen dafür hat, weiter das Thema Versorgung und Prävention bei postviralen Erkrankungen präsent zu halten.

Daher plane ich eine breite Umfrage, die sich an Betroffene richtet – die Mitglied der Gebirgsvereine sind oder einmal waren und dann aufgrund ihrer Corona-Spätfolgen sich vom Bergsport verabschieden mussten oder nurmehr sehr eingeschränkt ausüben können. Die gesammelten Texte möchte ich dann (anonymisiert) den Verantwortlichen der Bergsportvereine zukommen lassen – das verursacht vielleicht mehr Eindruck und Wille zu einer Reaktion als Aufklärungskampagnen, für die ich als Meteorologe, nicht als Mediziner oder Biologe, nicht qualifiziert genug erscheine, um ernstgenommen zu werden.

Wenn Betroffene oder deren Angehörige aus Österreich (!) hier mitlesen: Ihr könnt gerne Eure Story, egal wie lang, als Kommentar hier im Blog hinterlassen oder eine E-Mail schicken an: longcovidaustria (at) gmx.at – für Deutschland oder die Schweiz möge man bitte eigene Kampagnen organisieren, die man den dortigen Verantwortlichen dann zukommen lässt.

Ein offizieller Aufruf folgt noch.

Danke für Eure Hilfe!