Kolumne 11/01: Wie LongCOVID/MECFS -Betroffene im Stich gelassen werden

Berge sind für mich Lebensqualität – sie bleibt aber nur bei guter Gesundheit

“Die Gesellschaft demonstriert gegen Nazis, aber nicht für Zusammenhalt und Rücksichtnahme. Das würde ja persönliche Einschränkungen bedeuten. 40 Jahre Neoliberalismus zeigen ihr hässliches Gesicht.”

das Bruderherz

Mangelnde Prävention bei “Solidaraktionen”

Es brennt auf allen Ebenen, nicht nur hierzulande, aber ich schreibe als Bürger von Österreich und beziehe mich auf die Situation vor Ort. Vor wenigen Tagen schrieb ich darüber, wie wichtig es gewesen wäre, wenn die Demonstranten gegen Rechtsextremismus und Faschismus bei ihrer Anreise und zumindest innerhalb der Menge eine Maske getragen hätten. Ich konnte nicht mit gutem Beispiel vorangehen, weil ich an diesem Tag arbeiten musste. Die Bilder haben leider gezeigt, dass nur ganz wenige anständige Menschen unter den Demonstranten waren, die sich vor allem selbst schützen wollten oder mussten, und als Kollateralnutzen, weil Masken auch die Verbreitung von Viren verhindert, ihr Umfeld mitgeschützt haben. Keiner der Veranstalter und teilnehmender Organisationen oder Parteien hat eine Empfehlung zur Maske ausgesprochen – warum auch, wir haben ja nur eine starke Influenza- und RSV-Welle, die zu etlichen Krankenständen, Hospitalisierungen und Todesfällen führt. SARS-CoV2 ist zwar weiter am Rückzug, aber nicht vorbei und eben deutlich ansteckender als andere Viren. Es ist frustrierend und beschämend, dass die Gesellschaft ernsthaft glaubt, sie hätten ihre Standhaftigkeit gegen Faschismus aufgezeigt, diese dann aber im Alltag nicht leben. Vulnerable und kranke Menschen hätten es nicht verdient, an der Demonstration sicher teilnehmen zu können. Das ist die Botschaft der Bilder, und damit ist bereits ein Ziel der Neofaschisten erreicht – lebenswertes und lebensunwertes Leben wird getrennt. Wer sich auf der Demo oder in einer vollgestopften U-Bahn infiziert hat, der hat halt Pech gehabt, wird dann von der Mehrheit der standfesten Demonstranten ignoriert werden. Ich empfinde das als scheinheilig.

PR-Sprech vom Gesundheitsministerium

In Österreich hat der Oberste Sanitätsrat ein Kompetenzzentrum für postvirale Erkrankungen empfohlen. Einerseits um die große Zahl an durch SARS-CoV2 neu erkrankten Betroffenen behandeln zu können, andererseits um die bereits bestehende große Zahl an MECFS-Patienten zu adressieren. Beim MECFS-Symposium im Herbst 2023 kündigte Gesundheitsminister Rauch (Grüne) ein Referenzzentrum an – das Wording macht hier den Unterschied, denn es dient primär dem Austausch von Forschung und Ärzten, aber nicht als Anlaufstelle für Betroffene selbst. Es gibt aber de facto schon diesen Austausch durch Fortbildungen und Vorträge, wo sich die Universitäten und Institute mit Allgemein- und Fachmedizinern vernetzen. Ist das geplante Referenzzentrum also nur ein PR-Gag? Ein Kompetenzzentrum ist nur interdisziplinär sinnvoll, um sowohl medizinische als auch soziale Fragestellungen abzudecken. Betroffene, die auf der verzweifelten Suche nach wirksamen Therapien und Medikamenten sind, aber gleichzeitig um die Anerkennung ihrer Krankheit für ÖGK, AMS und PVA kämpfen, die “ausgesteuert” werden und aus dem System fallen – aus den sozialen Netzen.

Die Leitung des Referenzzentrums soll im Februar auf europäischer Ebene ausgeschrieben werden – die Bewerbungsfrist soll sechs Monate dauern – dann ist August und die heiße Wahlkampfphase, in der Parteien anything but Covid am Schirm haben werden. Welches Bundesland möchte dieses Referenzzentrum – oder gar ein Kompetenzzentrum haben? Die Weandmecfs-Stiftung, die durch die Bäckereifirma Ströck gegründet wurde, will den Aufbau eines echten Kompetenzzentrums vorantreiben und stellt dafür 1 Millionen Euro zur Verfügung. Bis jetzt hat sich aber unter den Sozialversicherungsträgern und der Regierung noch kein Abnehmer für das Geld und den damit verbundenen Zweck gefunden, schrieb die Österreichische Gesellschaft für ME/CFS am 31.01.24 auf Twitter.

Die SPÖ in Wien schaut weg

Die Stadt Wien macht auch keine Anstalten, hier Pionierarbeit leisten zu wollen und sich als Stätte für ein solches Kompetenzzentrum für Betroffene anzubieten. Das würde ja Kosten verursachen. Hier zeigt sich leider das wahre Gesicht der SPÖ-Wien, deren “strenger Weg in der Pandemie” reiner Populismus und Selbstzweck war. Die Initiative mit den Gurgeltests verhinderte die Durchseuchung der Kinder nicht, die Maskenpflicht galt einzig zum “Schutz” der Bettenkapazitäten der Wiener Spitäler. Als diese covidspezifische Überlastung nicht mehr gegeben war, hatte man keinerlei Skrupel, die Maskenpflicht in Wien trotz mehrerer Winterwellen aufzuheben und in den Spitälern ganz abzuschaffen. Betroffene von Spätfolgen waren auch der SPÖ Wien egal und trotz zahlreicher Aufforderung haben die Wiener Viruslinien zu keinem Zeitpunkt während der rekordhohen JN.1-Welle erwogen, eine Maskenempfehlung auszusprechen. Diebstahlgefahr von Gegenständen wird höher gewichtet als der Diebstahl der Gesundheit ihrer Fahrgäste.

Mangelndes Bewusstsein im Spitzen- und Breitensport

Es häufen sich klarerweise diesen Winter die Unfälle im Profi-Skisport. In vielen Fällen wurde trotz eines nicht auskurierten Infekts gefahren. Weil das böse C-Wort niemand ausspricht, war es die Verkühlung, der grippale Infekt, die plötzliche Schwäche oder das Pfeiffersche Drüsenfieber von 2018. Wir sehen direkt die unmittelbaren Folgen, wenn eine schwere Viruserkrankung nicht ernstgenommen wird, egal ob SARS-CoV2 oder Influenza. Spitzensportler müssen ihre Karriere vorzeitig beenden, weil sie PEM entwickeln und nicht mehr trainieren können. Der Spitzensport wäre so wichtig, nicht nur im Skizirkus, sondern auch im Fußball, um Bewusstsein für Prävention und Langzeitfolgen zu schaffen. Er wäre zugleich niederschwellig und würde die breite kritische Masse erreichen, um zu sensibilisieren.

Auch im Breiten- und Alpinsport herrscht keinerlei Bewusstsein dafür, wie viele bereits betroffen sind, wie viele Mitglieder dem Alpenverein oder den Naturfreunden durch Spätfolgen einer von Mensch zu Mensch übertragenen Viruserkrankung abhandengekommen sind. Offenbar hält man sich durch körperliche Fitness für unverwundbar und entwickelt den Survivorship-Bias: Wenn ich es ohne Probleme mit wenigen Symptomen überstanden habe, trifft das auf alle zu. Nur ist das eben nicht so. Selbst 1-2% Spätfolgen bei jeder Welle sind viel bei hunderttausenden Infektionen. Manche erwischt es bei der zweiten, dritten, vierten oder erst fünften Infektion dann, nachdem man vier Infektionen lang geglaubt hat, man würde jetzt jede Infektion gut wegstecken. Ein Trugschluss.

“Mach mit!” – Bewusstseinskampagne im Bergsport

Ich werde meine Strategie ändern müssen, wenn ich weiterhin für Bewusstsein sensibilisieren will – aus Eigennutz, weil ich eben mit mehr Risikoreduktion an Alpenvereinsveranstaltungen teilnehmen will, und als Ally für Betroffene, der die Ressourcen dafür hat, weiter das Thema Versorgung und Prävention bei postviralen Erkrankungen präsent zu halten.

Daher plane ich eine breite Umfrage, die sich an Betroffene richtet – die Mitglied der Gebirgsvereine sind oder einmal waren und dann aufgrund ihrer Corona-Spätfolgen sich vom Bergsport verabschieden mussten oder nurmehr sehr eingeschränkt ausüben können. Die gesammelten Texte möchte ich dann (anonymisiert) den Verantwortlichen der Bergsportvereine zukommen lassen – das verursacht vielleicht mehr Eindruck und Wille zu einer Reaktion als Aufklärungskampagnen, für die ich als Meteorologe, nicht als Mediziner oder Biologe, nicht qualifiziert genug erscheine, um ernstgenommen zu werden.

Wenn Betroffene oder deren Angehörige aus Österreich (!) hier mitlesen: Ihr könnt gerne Eure Story, egal wie lang, als Kommentar hier im Blog hinterlassen oder eine E-Mail schicken an: longcovidaustria (at) gmx.at – für Deutschland oder die Schweiz möge man bitte eigene Kampagnen organisieren, die man den dortigen Verantwortlichen dann zukommen lässt.

Ein offizieller Aufruf folgt noch.

Danke für Eure Hilfe!

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