
Ich beziehe den Falter seit knapp zwei Monaten nicht mehr und habe meine Entscheidung nicht bereut. Jetzt wurde mir ein Text von Chefredakteur Florian Klenk [Falter & Meinung, FALTER 30/21, 28. Juli 2021] zugespielt, den ich ausnahmsweise wieder einem Faktencheck unterziehen möchte. Zuerst die Aussagen, denen ich zustimmen kann:
“Vier Tage bin ich vergangene Woche durch Österreich gereist und nur ein einziges Mal hat jemand meinen Impfpass oder meinen Test ernsthaft kontrolliert. In Restaurants, Taxis und Cafés immer die gleiche Sorglosigkeit. “Sads eh gimpft?” – “Jo.” – “No donn passts.” In meinem Hotel trug niemand Maske, in Klagenfurt drängte mich ein Taxler dazu, “den Fetzen” abzunehmen. Er, die Nase draußen, beruhigte mich: “Mich stört’s wirklich nicht!” Ich: “Mich schon.” Zugleich erreichen uns in der Redaktion E-Mails, wie sich Testzertifikate für den Grünen Pass fälschen lassen und wie man Stempel im Impfpass erschwindeln könne. Die Ärztin im Austria Center Vienna riet mir im Aufklärungsgespräch vergangene Woche übrigens dezidiert von der “Kreuzimpfung” ab, die in Deutschland explizit empfohlen und praktiziert wird. Sensiblere Gemüter wären möglicherweise nachhause gegangen. PCR-Gurgeltests gibt es fast nur in Wien, wir schaffen es zwar, jeden Österreicher mit Medizin zu versorgen, aber bei Salzwasserflakons und Labordiagnostik hört die Logistik auf.“
Ja, die Sorglosigkeit und Schleißigkeit bei Kontrollen ermüdet mich auch, ebenso die Versuche, sinnvolle Regelungen zu umgehen. Die widersprüchlichen Aussagen zu den Impfstoffen hilft nicht. Das mangelnde österreichweite Testangebot verschleppt die Eindämmung der DELTA-Variante und verursacht unnötige Opfer, darunter auch viele junge Menschen.
Soweit so gut – hätte der FALTER auch im Sommer und Herbst 2020 so energisch für die Einhaltung der Maßnahmen in den Schulen (Masken, PCR-Tests für Kinder) argumentiert, dann hätte ich mein Abo womöglich gar behalten und könnte den Falter als eines der wenigen Medien positiv hervorheben, dass sich pro Wissenschaft geäußert hat. Hat es aber nicht. Zum FALTER gab es die Addendum-Beilage, die den Schwedischen Weg bejubelt hat, die Wissenschaftsbeilage mit Aussagen von Covid-Verharmloser Sönnichsen, und die Weigerung, Aerosole als wichtigen Übertragungsweg anzuerkennen – begründet wurde das mit den Aussagen der “renommierten Wissenschaftler Streeck und Allerberger, die Experten auf ihrem Gebiet wären”, was sie aber nicht sind. Streeck ist HIV-Experte und Allerberger Durchfallexperte – eigene Aussage von Allerberger bei einem Vortrag am 12. Februar 2020 auf der Uni Salzburg:
“Und wenn Sie irgendwo googeln und schauen, wer über was publiziert, dann werden Sie sehen, Allerberger Coronaviren Null Result, also bitte ja nicht missverstehen, was ich Ihnen sage. Ganz sicher kein Experte.“
Ich hatte übrigens tatsächlich gegoogelt und bin so auf das Video gestoßen – den bezahlten Journalisten des FALTERs ist das bei der Recherche zu Allerberger offenbar entgangen – ach was red ich, zu renommierten Experten muss man nicht recherchieren, denen glaubt man einfach so.
Am 14. Juli 2021 schrieb Klenk in einem Tweet:
“Bhakdi ist also der Meinung Israel sei schlimmer als NS-Deutschland. Vielleicht wird jetzt klarer, wieso wir diesen Mann im Falter nie ernst genommen haben.”
In einem FALTER-Text vom 03. März 2020 hieß es allerdings ….
“In ihrem Buch „Schreckgespenst Infektionen“ zeichnen die beiden Mediziner Sucharit Bhakdi und Karina Reiss nach, dass die Reaktionen auf gesundheitliche Risiken oft schädlicher waren als die Krankheit selbst.”
Den Leiter der Public Hell Abteilung der AGES, Franz Allerberger, kann man allerdings auf eine Stufe mit Bhakdi stellen – spätestens seit er der COVID-Leugner-Plattform von Wodarg, OvalMedia, am 21. Juni 2021 ein Interview gab.
„Wenn es weltweit keine PCR-Tests gegeben hätte, wäre es nach meinem Dafürhalten niemandem aufgefallen .“
Allerberger ist im März 2021 auch beim „Corona.Film“ von Robert Cibis und Bert Ehgartner, einem Impfgegner, aufgetreten, u.a. mit Bhakdi, Wodarg, Haditsch, Raphael Bonelli und John Ioannidis. Der von Klenk weiter unten zitierte “Medizinjournalist Kurt Langbein” war als Co-Autor gemeinsam mit Ehgartner an einem populistischen Buch über Medizin beteiligt, wo ebenfalls AIDS geleugnet wird, und sie sich dabei auf Aidsleugner Christian Fiala berufen haben. Fiala schrieb wiederum gemeinsam mit FALTER-Kolumnist und ehemaligen PROFIL-Herausgeber Peter Michael Lingens ein Buch über AIDS.
Wie gut, dass niemand weiß, wie tief dieser Sumpf aus Verharmlosung, Leugnung und stützenden Journalismus in Österreich ist.
Wie sehr Klenk im Anschluss aber die Befürworter von ZeroCovid verunglimpft, ist beschämend. Da trifft der Kommentar von @BaraWeber den Nagel auf den Kopf:
“Was für eine Gesellschaft, die nicht auf andere schaut und sich über die lustig macht, die es tun.”
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