
Ich nahm letzte Woche eine kleine Auszeit von der digitalen Welt und deinstallierte Twitter für ein paar Tage vom Handy und befüllte auch den Blog mal nicht mit den neuesten Erkenntnissen über das Virus oder die skandalösen politischen Vorgänge im Land. Natürlich blieb ich im Inland und hatte angesichts von DELTA schon ein schlechtes Gefühl, die paar Tage Wanderurlaub durchzuziehen. Der Zug war leer, der Bus auch dünn besetzt, die Anreise kein Problem. Bis auf die 2km Fußweg zur Unterkunft, die öffentlich nicht angebunden ist. Autofahrer können übrigens im Tal überall kostenlos mit der Gästekarte parken, aber für den nur 3-4x am Tag fahrenden Bus zahlte man Zwei Euro Fünzig für 5 Minuten Fahrtzeit. Nun ja, so lockt man Sanften Tourismus nicht an. Beim Gasthof angekommen empfing man mich mit den Worten, dass ich die Maske absetzen könnte, denn die Maskenpflicht sei im Juli gefallen. An der Rezeption gleich nochmal, aber ich ließ sie lieber auf. 3G wurde dafür strikt im Gastgarten kontrolliert und indoor gabs kein Service. Das Frühstück war buffet-artig im riesigen Frühstücksraum aufgebaut, von denen die sechs Tische für Übernachtungsgästen alle dicht beieinander standen. Warum den ganzen Platz ausnutzen, wenn nur EIN METER vorgeschrieben sind? Draußen frühstücken war zum Glück kein Problem.
Ich war die Tage meistens draußen, bin gewandert, war einmal auf einer Berghütte draußen ein Supperl essen. Drinnen trug ich die Maske, nicht als einziger Gast, und im Gegensatz zum Vorjahr wurde ich nicht deppat angemacht deswegen, was sehr angenehm war. Die Unterkunft selbst zwar nicht glücklich gewählt. Zu spät Frühstück, zu früh Küchenschluss und tagsüber ein Ausflugslokal für Gäste aus der ganzen Welt. Das Hallstatt der Steiermark (naja, jetzt kommt ihr eh drauf, wo ich war ….), aber von den internationalen Gästen gingen nur wenige in den Gastgarten wegen der streng kontrollierten 3G-Regel (offenbar 2500 Euro Strafe pro Person, wenn 3G nicht kontrolliert würde).
Im Vorjahr schon hatte ich mir mit einer funktionierenden Public-Health-Behörde in Kooperation mit einem verantwortungsbewussten Tourismus- und Gesundheitsministerium gewünscht, dass man Tourismusbetriebe und Gasthäuser fördert bzw. extra bewirbt, die Schutzmaßnahmen (über) erfüllen und damit selbst werben. Heuer hätten das Betriebe sein können, die mit geimpften Mitarbeitern werben oder dass Mitarbeiter täglich getestet werden. Outdoor-Frühstück statt Indoor. Maskenpflicht fürs Personal und Gäste indoor, usw. Das hätte Covidioten abgehalten und verantwortungsbewusste Gäste angelockt – eine win-, win-Situation, und dafür dann eine staatliche Förderung oder extra Werbung an prominenter Stelle. Ja, Anreize schaffen, anders geht es nicht in einem Land voller Egoisten.
Für Geimpfte ist die Pandemie NICHT vorbei
Epidemiologe Zangerle hat den aktuellen Stand zur DELTA-Variante perfekt zusammengefasst.
Aus allen Teilen der Welt mehren sich die Beobachtungen, dass Impfdurchbrüche bei DELTA zunehmen – konkret sinkt der Schutz vor Infektion trotz vollständiger Immunisierung auf 80%. Der Schutz vor schweren Verläufen und Tod ist aber weiterhin sehr gut bzw. geht es hier schlicht um eine Risikoreduktion. Doch je länger wir uns gefährliche Fluchtvarianten wie DELTA erzeugen, desto magerer fällt die Risikoreduktion aus.
Beunruhigend sind die Erkenntnisse von Liu et al. (2021), dass DELTA nicht nur 1000x infektiöser ist als der Urtyp, sondern man auch schneller infektiös sein kann, konkret schon 24 Stunden nach einem negativen PCR-Test.
Das macht unsere 3G-Regel löchrig wie einen Schweizer Käse. Wohnzimmer-Antigentests, 48-Std.-gültige Antigentests und 72-Std.-gültige PCR-Tests, dazu vom Urtyp und den alten Varianten Genesene, die gegen DELTA nicht so gut geschützt sind und Geimpfte, von denen ein Fünftel trotzdem genug Virus anreichern kann, damit die PCR anschlägt. Diese “Infizierten trotz Impfung” stellen eine Gefahr für Ungeimpfte da, also konkret vor allem Kinder und Risikogruppen, die noch nicht geimpft werden konnten oder bei denen die Impfung nicht anschlug.
Die Löchrigkeit der 3G-Regel war dafür verantwortlich, dass ich mich für ein Talquartier und gegen eine (mehrtägige) Hüttenwanderung entschied.
Sommer wie damals
Wer meint, die knapp 48% Vollgeimpften und 58% Teilgeimpften (Stand: 26.07.21) würden bereits ausreichen, um die Pandemie für beendet erklären zu können, hat den Begriff Herdenimmunität nicht verstanden. Beim Urtyp ist man von 60-70% ausgegangen, bei DELTA sind es eher 85-90% Durchimpfungsrate, die notwendig wären, um R dauerhaft unter 1 zu drücken. Mal abgesehen davon, dass man die Herdenimmunität ohnehin vergessen darf, haben die Chinesen errechnet, dass nur mit einer Durchimpfung der 3-17jährigen Herdenimmunität erreicht werden kann. Vor Herbst wird mit den Kindern allerdings nicht einmal begonnen werden können.
50% Vollgeimpfte und 7% amtlich bestätigte Infizierte, von denen rund 10-20% LongCOVID-Symptome entwickelt haben, reichen nicht aus, um ein neuerliches Ausbreiten zu verhindern. Mit grober Milchmädchenrechnung erkennt man auch, dass 20% Durchbruchsinfektionen und zunehmende Gefahr von Re-Infektionen mit DELTA die Situation nicht verbessern werden.
Wer stets verharmlost, erntet Impfmüdigkeit

Die von Zangerle gebrachte Vergleichsgrafik der 7-Tages-Inzidenz nach Altersgruppen im Sommer 2020 und 2021 zeigt ein verblüffend ähnliches Bild. Wieder sind es die Jüngeren mit der höchsten Inzidenz. Sie sind mobil, haben viele Sozialkontakte und sind meistens ungeimpft.
Man hat gerade jungen Menschen eineinhalb Jahre lang eingeredet, für sie wäre das Virus ungefährlich (was vorher nicht stimmte und jetzt noch weniger). Mich wundert nicht, warum es so viele Impfgegner gibt oder schlicht Leute, die glauben, die Pandemie wäre für sie keine Gefahr mehr. Bei jedem verdammten Interview hätte man darauf hinweisen MÜSSEN, dass auch gesunde junge Menschen schwer erkranken können und vor allem LongCOVID ein signifikantes Erkrankungsrisiko darstellt, für das es weder eine zuverlässige Therapie noch genügend Anlaufstellen gibt.

Natürlich hätte man auch von Beginn an darauf hinweisen können und müssen, dass man aus Solidarität zu den Mitmenschen Maske trägt, sich regelmäßig testet, sich dennoch vorsichtig verhält, sich erst recht testet, wenn man in einer potentiellen Cluster-Situation war (Familienfeier, Zeltlager, Konzert), und sich impft, um das Risiko zu minimieren, das Virus weiterzugeben, selbst, wenn man vor schwerer Erkrankung weitgehend geschützt ist.
Die Pandemie geht nur dann zu Ende, wenn man weltweit eine Eliminationsstrategie fährt. Es ist utopisch,mit der Durchimpfung von 10 Milliarden Menschen schneller zu sein als sich weitere Virusvarianten entwickeln werden, die die Wirksamkeit der Impfstoffe weiter abschwächen. Der weltweite Tourismus und Handel hat das Virus als Schneeballeffekt in die ärmeren Länder gebracht, es wäre unsere Verantwortung, ihnen Zeit zu verschaffen, indem wir das Virus kleinhalten so gut es geht. Davon hätten alle etwas – nicht zuletzt eben weltweit die Kinder, die als letztes geimpft werden können.
Keine Ahnung, für wen ich das noch schreibe. Im Offlineleben kenne ich niemanden, den ich noch überzeugen müsste. Hier ist die Reichweite begrenzt.