Da fehlen mir die Worte

Da fehlen mir sogar die Worte, um einen geeigneten Titel für diesen Eintrag zu finden.

“Ist Long COVID eigentlich immer noch ein Problem oder sind die meisten Betroffenen schon wieder gesund?”

fragt Ö1-Journalistin und Preisträgerin Elisa Vass die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Expertin für Covid und LongCOVID, Susanne Rabady, die zudem gerade die S1-Leitlinie für LongCOVID-Behandlung mitverfasst hat. Das ganze Interview (23.08.23, abrufbar bis 30.08.23) ging über Allgemeinmedizin, zu LongCOVID nur eine Frage, auch das sagt schon alles.

Was macht das mit den Betroffenen, wenn sie das hören?

Vor kurzem erst gab es mehrere Reportagen im ORF, das Interview mit Prof. Kathryn Hoffmann über LongCOVID und MECFS, den Kurzbericht von Constanze Ertl über MECFS-Betroffene und die Ausstellung im Künstlerhaus in der Zib2, dann auch schön zusammengefasst hier. Arbeiten Radio und TV nicht zusammen?

“An estimated 1 in 10 infections results in post COVID19 condition, suggesting that hundreds of millions of people will need longer-term care. – Tedros, WHO, 26. April 2023

Laut neuer WHO-Schätzung sind rund 36 Millionen Europäer von LongCOVID betroffen (27.06.23), und die sind zwei Monate später nicht schon wieder gesund? Seriously? Lesen JournalistInnen zur Recherche keine Zeitungen?

Ein paar dringendere Fragen an die Frau Doktorin, die viele wohl mehr interessiert hätte:

“Ihre Kollegin, Prof. Hoffmann, sagte vor kurzem im ZiB2-Interview bei Herrn Wolf, dass es schätzungsweise 500 000 Betroffene in Österreich gibt. Wie gehen Hausärzte mit dieser schieren Menge an Betroffenen um?”

“Sie haben an der Behandlungsleitlinie für LongCOVID mitgearbeitet. Welche Therapien gibt es und warum werden Anlaufstellen geschlossen, wenn es so viel Bedarf gibt? Wie sieht die Behandlung von LongCOVID zukünftig aus?”

“Wenn im Herbst die Infektionszahlen wieder steigen, wird LongCOVID eine Gefahr sein? Gibt es besondere Risikofaktoren für bestimmte Bevölkerungsgruppen?”

“Wie kann man eine Ansteckung vermeiden, wenn man Kinder in der Schule hat?”

Rabady zur Herbstwelle:

“Der ganz, ganz dringende Rat ist weiterhin, Ansteckung zu vermeiden und da gibt es einen ganz einfachen Weg: Nix einatmen, was wer anderer ausatmet, weil so steckt man sich an.”

Schade, dass man nicht über Schulen geredet hat und Luftfilter nicht erwähnt hat. Wenigstens hat Rabady im Gegensatz zu Hutter klargestellt, dass Hände weniger der Übertragungsweg sind und Maske tragen sinnvoll ist.

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Meine wichtigsten Beiträge zu LongCOVID und MECFS bisher:

Warum Masken tragen jetzt am sinnvollsten wäre

Umweltmediziner Hutter propagierte Händewaschen als beste Schutzmaßnahme gegen Infektionen. Der aktuelle Stand der Wissenschaft widerspricht: am effektivsten sind Masken und Luftfilter.

Kommentar der anderen

In Österreich wird oft mit veralteten wissenschaftlichen Erkenntnissen gearbeitet, die eine Eindämmung, zumindest aber eine Reduktion der Infektionswellen verhindern, sagt Meteorologe und Citizen Journalist Mag. Felix W. in seinem Gastkommentar.

Wie man sein individuelles Risiko einer Infektion mit SARS-CoV2 und anderen Viren, die über die Luft übertragen werden, reduziert.

Österreichs Geschichte der Pandemie ist eine der vergebenen Möglichkeiten. In entscheidenden Phasen mit steigenden Infektionszahlen wurden immer besonders vorsichtige oder besonders daneben liegende WissenschaftlerInnen interviewt. Infektionswellen wurden ab dem Zeitpunkt heruntergespielt, wo die Intensivstationen nicht mehr kollabiert sind. Die hohe Krankheitslast der Langzeitfolgen wurde geflissentlich ignoriert. Mittlerweile sind es schon die Journalisten selbst, die LongCOVID von sich aus ansprechen, etwa die PRESSE-Journalistin im Interview oder neulich in Ö24 mit Virologe Nowotny. Die Experten greifen das Thema jedoch nicht auf, bzw. setzen es nicht in den Zusammenhang mit Prävention.

Dieser Kommentar erschien nicht in der Sektion “Kommentar der anderen” im STANDARD, so könnte er aber etwas gekürzt aussehen von einem Mediziner oder Epidemiologen.

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CRASH-Symposium im Künstlerhaus Wien: MECFS sichtbar machen

Auswirkungen von MECFS im Alltagsleben der Betroffenen je nach Schweregrad der Erkrankung

Seit dem 11. August und noch bis 27. August 2023 läuft im Künstlerhaus Wien die Ausstellung “CRASH” über das Myalgische Enzephalitis/Chronic Fatigue-Syndrom MECFS. Am 18. August fand ein Symposium mit Vorträgen, Lesung und Performance statt. Ich bin zwar nicht selbst betroffen, kenne aber über die Online-Community MECFS-Betroffene und auch schwer LongCOVID-Betroffene. Es ist wichtig, dass sich die Mitstreiter und “Allys”, die mehr Ressourcen haben als die Betroffenen, einsetzen wie Andrea Strohriegel in ihrer Videobotschaft betont hat. Das versuch ich im Rahmen meiner Möglichkeiten zu tun – auf Twitter, mit diesem Blog, mit finanzieller Unterstützung für die Österreichische Gesellschaft für MECFS-Hilfe, mit einem MECFS-T-Shirt, um im Alltag darauf aufmerksam zu machen, und mit Kalender-Spendenaktion. Das Thema darf nicht untergehen. Die Betroffenen gab es schon lange vor der Pandemie, die Untätigkeit der Regierung ist himmelsschreiend ignorant.

Der Künstler Matthias Mollner und seine betroffene Partnerin Judith Schoßböck reflektieren in dieser Ausstellung die mit ME/CFS verbundene Lebensrealität. Projektpartner sind die Tempi-Stiftung und die MECFS-Hilfe, sowie die MECFS-Foundation Weandmecfs, die von dem Bäckereiunternehmen Ströck gegründet würde, die zwei von MECFS- betroffene Brüder haben. Neben Mollner moderierte auch Joachim Hermisson die Veranstaltung, dessen Tochter Mila schwerst an MECFS erkrankt ist. (Sprachnachricht von Mila).

Weitere Bilder im Tweet der Ö.Ges. für ME/CFS

Alle Redebeiträge jetzt auch beim Youtube-Kanal BlackFerkStudio (seit 06.09.23)

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Wie schlimm wird die Herbstwelle?

Der Trend zeigt auf niedrigem Niveau weiter nach oben, liegt aber bereits über der Sohle vor der DELTA-Welle im Herbst 2021. (Quelle)

Wir sind im Blindflug. Für eine gute Surveillance durch Abwassermonitoring bräuchten wir 200 Anlagen in Österreich, wir haben nur 48, die rund 58% der Bevölkerung abdecken. Die Karte der Abwasseranlagen zeigt, dass die Ballungsräume zwar gut abgedeckt sind, aber etliche Touristenregionen fehlen, sowie einige Hochburgen von Rechtsextremen und Coronaleugnern bzw. Impfgegnern. In Tirol gibt es die Anlagen zum Glück einzeln verfügbar, bis auf Ostttirol – da stechen insbesondere Stubaital und Seefeld immer wieder heraus, auch in Vorarlberg gibt es aufgeschlüsselte Daten. Wien hat Proben der Zentralkläranlage mit 100% Abdeckung, Tirol erfasst über 90%, Dornbirn liefert seit Mitte Juli keine Daten mehr.

Seit letzter Woche gibt es jeden Dienstag die Anzahl der stationären Krankenhausaufnahmen mit SARI-Diagnosen im neuen SARI-Dashboard: Covid19 wurde also zum “schweren Atemwegsinfekt” degradiert, was nachweislich falsch ist, weil es sich um eine systemische Entzündung der Gefäße handelt. Damit findet also schon einmal eine Verharmlosung von Covid19 statt. Das Dashboard hat aber noch weitere Probleme:

  • die Daten der letzten zwei Wochen sind unvollständig
  • Covid, Influenza und RSV sind keine meldepflichtigen Erkrankungen
  • In der 29. Kalenderwoche betrug der Anteil “sonstige Atemwegsinfekte” 94%, die Aussagekraft ist also gering
  • bis Covid-Infizierte so krank werden, dass sie ins Spital müssen, vergehen Tage bis zu einer Woche nach der Infektion, darauf dann 2-3 Wochen verzögerte Nachmeldungen: ca. 1 Monat Zeitverlust

Sowohl mit Abwassermonitoring als auch SARI-Dashboard haben wir keine vernünftigen Frühwarnindikatoren. Da können wir nur (nicht) reagieren, wenn bereits viele Menschen krank sind.

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Trendwende und Aussicht auf den Herbst

Abwassermonitoring Österreich seit Oktober 2021, Stand 01.08.23 (Quelle)

Der Wiederanstieg zeichnet sich seit Anfang Juli ab, mittlerweile auch durch das Sentinelsystem bestätigt, das (Achtung: kleine Probenzahl!), in KW 29 noch 7% SARS-CoV2 aufwies und in KW30 bereits 13%. Die Mehrzahl der Proben wird von Rhinoviren verursacht (von 26 auf 39% steigend). Die gerne zitierte “breite Bevölkerungsimmunität” durch die vorangegangenen Wellen (und weniger durch die niedrige Durchimpfungsrate) nützt wenig, wenn sich eine neue Variante gegen die dominierenden Varianten durchsetzen kann und gleichzeitig die Schleimhaut-Immunität gegen Infektion abnimmt. Ich hatte die Trendwende korrekt prognostiziert – basierend aufgrund den vergangenen Jahren, wo die Wiederanstiege ebenfalls im Frühsommer begonnen haben. Zudem haben Markov et al. (05.04.23) angedeutet, dass etwa alle vier Monate neue Wellen entstehen werden – dass diese Erkenntnis nach drei Monaten nicht mehr gelten würde, war eher unwahrscheinlich.

Wer wie ich aufmerksam verfolgt hat, was sich im Rest der Welt auf der Südhalbkugel im Winter abspielte – und da gilt Australien oft als Prototyp für einen potentiellen Winterverlauf in Europa – dem kam sowieso schon das kalte Grausen in Erwartung weiterer Triple-Virenwellen (SARS-CoV2, RSV und Influenza), aber auch auf der Nordhalbkugel ist vom saisonalen Effekt nichts zu merken. Derzeit gibt es starke Anstiege im Abwasser und bei Hospitalisierungen in New York City (Quelle), darunter sind vor allem Kinder und ältere Menschen am stärksten betroffen (Quelle), Florida sieht eine 52% Positivrate bei den Tests (Quelle), in Südkorea gibt es ebenfalls einen starken Anstieg bei der Inzidenz (Quelle). Einen leichten Aufwärtstrend auf niedrigem Niveau gibt es auch in der Schweiz (Quelle). In Irland ist die Positivrate von 4,6 auf 14% gestiegen, die Hospitalisierung von 58 auf 285 in einem Monat. (Quelle). In England sind die Hospitalisierungen letzte Woche (Ende Juli) um 41% gestiegen (im Südosten um 82%).

Mit dem Virus leben lernen, hat nie geheißen, dass man es künftig ignoriert und auf alle scheißt, die sich weiter schützen wollen und müssen, bzw. die schon Langzeitfolgen davontrugen und keine ärztliche Hilfe oder staatliche Unterstützung mehr bekommen. Selbst das schwedische Vorbild von Österreich empfiehlt jetzt in der Pflege infektiöser Covid19-Patienten (Meldepflicht!) regelmäßiges Lüften und den Einsatz von HEPA-Filtern (Quelle). Zahlreiche Länder setzen bereits auf neue Richtlinien für saubere Innenraumluft, darunter Irland, USA, Belgien. In Mexiko kommt gerade die Empfehlung zurück, in Innenräumen wieder Maske zu tragen. Am 20. September 2023 findet die erste Indoor Air Conference der WHO Europa statt. Nur Österreich bleibt die glückselige Insel, wo die Meldepflicht für SARS-CoV2 abgeschafft wurde, LongCOVID-Ambulanzen geschlossen werden und die angepassten Impfstoffe nurmehr an “Risikogruppen” abgegeben werden sollen. Saubere Luft und andere Präventionsmaßnahmen in Kindergärten und Schulen? Fehlanzeige!

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Was der Rechnungshofbericht zur Covid-Teststrategie wirklich aussagt

Es war von Beginn an klar, dass das Testen auf SARS-CoV2 nur eine von vielen Käsescheiben einer klugen Strategie zur Pandemiebewältigung sein kann: Test – Trace – Isolate – Quarantine. Nach dem positiven Test erfolgt die Zurückverfolgung der Infektionsquelle (backward tracing) und der potentiell Angesteckten (Forward Tracing) – wobei hier Österreich von Beginn an nur auf forward Tracing gesetzt hat. Im Nachhinein kann man spekulieren, dass man bereits hier Infektionsschutz von der wirtschaftlichen Ebene (“wo habe ich mich angesteckt? Könnte man das verhindern?”) auf die individuelle Ebene (“wer sich angesteckt hat, ist selbst schuld”) verlagert hat. Im Gegensatz zu anderen Ländern und mangels einer Corona-Warn-App (wie z.B. in Deutschland) gab es in Österreich nie detaillierte seriöse Daten zu besonders vulnerablen Infektionsorten oder Berufen- wie Kindergärten, Schulen, Gasthaus oder Pflege. So konnte niemand gezielte Prävention fordern und es wurde alles auf die Eigenverantwortung abgeschoben, samt der langwierigen Kosten im Krankheitsfall. Mit Januar 2022 entfiel die Quarantäne für 3fach Geimpfte, obwohl mit OMICRON klar wurde, dass Reinfektionen und Durchbruchsinfektionen häufiger wurden. Im Sommer 2022, einen Tag vor dem Suizid der von Coronaleugnern in den Tod getriebenen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr, wurde das Contact Tracing offiziell eingestellt. Schon im Frühjahr hatte man gegen jede wissenschaftliche Evidenz die Isolationszeit von zehn auf fünf Tage verkürzt, sie wurde am 1. August abgeschafft und durch eine Verkehrsbeschränkung (Tragepflicht FFP2-Maske) abgelöst, die niemand kontrollieren kann und hat. Die Regierung hat in der Risikokommunikation am Ende nicht mehr zwischen Quarantäne (Absonderung einer Person mit Kontakt zu einer infizierten Person) und Isolation (Absonderung einer Person mit bestätigter Infektion) unterschieden, mit Aufhebung der Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln ab Juni 2022 in den Bundesländern abseits von Wien zeichnete sich bereits ab, dass das weitere Tragen einer Maske stigmatisiert werden würde.

Mit der Abschaffung von Contact Tracing, Isolation und Quarantäne ist das Testen geblieben, das von der Regierung von Beginn an instrumentalisiert wurde, um die hochpolitische Debatte um “Lockdowns” im Keim zu ersticken.

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