Tag 3 – 19.30

Ich hab mich entschieden, mein Tagebuch auf diesem Blog weiterzuführen, da zum Einen die Themen in den nächsten Wochen und Monaten wenig von Autismus geprägt sein werden und zum Anderen mein Lebensmittelpunkt Wien sein wird. Wann die Grenzen wieder offen sind, ist ungewiss.

Bisherige Beiträge:

Der Tag 0 ist natürlich nicht der Tag mit den ersten Infektionen, sondern der erste Tag, wo die Katastrophe erstmals unmittelbar zu Einschränkungen geführt hat bzw. spürbar war, dass sich eine fatale Entwicklung abzeichnet, die unser Leben für einige Zeit massiv einschränken wird.

Zum heutigen Tag ein Update. Ich hab zum dritten Mal in Folge sehr schlecht und viel zu kurz geschlafen. Inzwischen fehlt mir auch der Appetit. Ich wollte heute eigentlich Blumenerde einkaufen gehen, aber als ich davon las, dass im Baumarkt bereits die Massen einströmen, ließ ich das bleiben. Außerdem weiß ich als Meteorologe, dass die Wettermodelle seit Tagen in der letzten Märzdekade einen markanten Kaltluftvorstoß rechnen, mit trockener Eiseskälte aus Osteuropa. Das ist unter Garantie mit Nachtfrost verbunden und es wäre schade, wenn die frisch austreibenden Keime gleich wieder erfrieren. Ich bin dann mit der fast leeren Straßenbahn und Baumwollhandschuhen zum Schwedenplatz und zu meinem Lieblingsbergsportgeschäft. Dort ließen sich gerade drei Kunden fachlich beraten, ich kaufte meine dünnen Untersocken, das letzte Paar in meiner Größe. Wenigstens bekomm ich so keine Blasen mehr, hoffe ich. Anschließend war ich im SparGourmet im ersten Bezirk, da war mittags gerade angenehm wenig los. Bis auf Klopapier (seids ogrennt?!) und Küchenrollen sowie Gemüse war noch das meiste da. Ich besorgte mir frische Putenbrust und noch ein paar Konserven, die Putenbrust gabs später geschnetzelt als Mittagessen. Danach war ich noch im Papierladen, die Besitzerin unterhielt sich gerade mit einer Kundin über das ganze Thema und Abstand halten wegen Ansteckung, und wie man dafür sorgen könnte, weiterhin Kundenverkehr zu haben, nur eben maximal fünf im Geschäft oder noch weniger. Sie brachte auch das Beispiel vom Arzt, dass sich immer nur fünf anstellen, die anderen fünf sitzen draußen im Park oder so, und wenn die fünf fertig sind, holen sie die wartenden fünf. Man merkt, die Not fördert die Kreativität. Ich hab mich dann ebenfalls mit ihr – im Sicherheitsabstand unterhalten, das tat gut, war befreiend. Am Nachmittag fuhr ich mit dem Rad den Donaukanal entlang, dort waren zahlreiche Sportler, Jogger, Inline-Skater und Radfahrer unterwegs, auch andere turnten an den Geräten im Freien. Einem Skateboarder kam ich gerade in die Quere, als sein Kumpel mit der Videokamera auf ihn draufhielt und ich ins Bild fuhr, weil ich es zu spät sah (und es mir wurscht war). Weiter stromaufwärts verstreute Angler und ein professioneller Maler mit Farben und Bildständer, der ein Bild vom Donaukanal und Stadt im Hintergrund malte. Auf der Donauinsel verstärkte sich der Zulauf noch, neben zahlreichen Familien mit vor allem Kleinkindern waren auch Gruppen (!) von Jugendlichen und Studenten unterwegs. Auf der Rückfahrt sah ich eine Gruppe von jungen Menschen den Grill auf der Donauinsel in Beschlag nehmen. Dieses Freizeitverhalten ist sicher nicht förderlich, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Nach der Salamitaktik der Regierung würde mich nicht wundern, wenn auch Ausgangssperren noch kommen. Und nach den ersten Tagen, wo man noch nicht begriffen hat, dass die Welt gerade einstürzt, wo ich noch egoistisch den nutzlosen Urlaubstagen im Frühling und Sommer hinterhertrauerte, bin ich jetzt soweit, dass ich alles in Kauf nehme, nur um italienische Verhältnisse bei uns zu verhindern – auch wenn das hieße, zwei Wochen gänzlich auf Bewegung im Freien zu verzichten. Die derzeit gesetzten Maßnahmen gehen jedenfalls noch nicht weit genug.

In Österreich betrug der Zuwachs seit gestern Nachmittag 150, es sind nun 655 registriert.Die Dunkelziffer dürfte gewaltig sein, nachdem bekannt wurde, dass Nordtirols Skigebiete das Virus wie eine gigantische Schleuder schon 10 Tagen über heimkehrende Urlauber in die Herkunftsländer gebracht haben, vor allem Deutschland und Nordeuropa sind betroffen. Die Verantwortlichen in den Skigebieten haben die Gefahr damals heruntergespielt. In Wien stieg die Zahl von 74 auf 101.

Eindrücke von heute:

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