Tag 4, 15.03.

6.47

Ich hab heute früh meinen Tischkalender entsorgt. Urlaubspläne zweitrangig. Vor zwei Tagen noch schrieb ich, dass ich an Wanderungen festhalten will, aber ich hab meine Meinung nach gestern geändert. Es sind zu viele Idioten unterwegs, in Gruppen. Ein weiterer Punkt ist, dass viele Jugendliche in Gruppen unterwegs sind, gestern gab es von Kanzler und Vizekanzler ein eindringliches Statement, daheim zu bleiben, bis auf beruflich notwendige Erledigungen, Lebensmittel und Apotheken, und Menschen helfen, die sich nicht selbst helfen können. Ja, mein gestriger Einkauf war auch dumm bzw eine Übersprungshandlung. Zumindest hab ich ausreichend Abstand gehalten. Ich versehe heute wieder meinen Dienst am Flughafen, ich kann nur öffentlich anreisen. Heute früh musste ich mich gleich ärgern. 10 Touristen standen Schlange. Keiner hält ausreichend Abstand, die meisten zahlen mit Bargeld. Und sie sitzen alle hintereinander. Ich hab den Platz ganz hinten rechts ergattert, bin wenigstens 1, 5m entfernt.

9.00

Meinem Eindruck nach sind die Leute am Land mehrheitlich entspannter, das hat wohl mehrere Gründe, in entlegenen Regionen war man früher auch durch Unwetter wie Lawinen, Schneemassen oder Hochwasser manchmal tagelang abgeschnitten. Die Bewohner sind in der Lage, sich selbst zu versorgen, haben von Haus Vorräte bzw. die Möglichkeit dafür (Platz, Keller) oder ihr eigenes (Winter-)Gemüse, Viecher, um autark zu leben. Dann ist die Nachbarschaftshilfe viel ausgeprägter, selbstverständlicher als in der anonymen Großstadt. Und drittens ist es alleine schon hilfreich, wenn man Natur direkt vor der Haustür, im eigenen Garten hat, in den Wald gehen kann, ohne unnötige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Viertens hat fast jeder am Land ein eigenes Auto.

09.30

Die Regierung hat ankündigt, dass ab Dienstag alle Lokale geschlossen haben (statt bis 15.00 geöffnet), und dass auch Sport- und Spielplätze nicht mehr benutzt werden dürfen.

Hier ein Must-Read für das richtige Verhalten, gilt vor allem für leichtsinnige Jugendliche, in Südkorea und Italien übertragen EIN DRITTEL der 20-29 Jährigen das Virus! Und gilt speziell auch für Deutschland, wo derzeit viele den Ernst noch herunterspielen.

https://medium.com/@holger.heinze_81247/coronacodex-meine-selbstverpflichtung-w%C3%A4hrend-der-covid-19-epidemie-f6eecf35a174

11.10

In ganz Tirol herrscht ab jetzt Ausgangssperre. Nur noch mit einem triftigen Grund darf man die Wohnung verlassen. Aktuell (Stand, 08.00) sind es 800 bestätigte Fälle. 150 mehr seit gestern Nachmittag.

11.40 Die Wucht des ganzen Dramas sickert langsam ein. Es wird nie mehr so wie vor.

12.40 Ich zitier das mal ganz:

Die Beschränkungen im öffentlichen Raum werden laut Bundeskanzleramt ab Montag von der Polizei kontrolliert, im Bedarfsfall drohen auch empfindliche Verwaltungsstrafen. Man kann sich zwar abseits der drei Ausnahmen weiterhin im öffentlichen Raum aufhalten, etwa für Spaziergänge, allerdings nur alleine oder mit Personen, mit denen man zusammenlebt. Dies solle aber nur in dringenden Fällen geschehen.

Strafen bei Zuwiderhandeln

Werden Personen von der Exekutive alleine angetroffen, gibt es laut Auskunft aus dem Kanzleramt keine Maßnahmen. Werden Gruppen angetroffen, werden diese darauf hingewiesen, „dass sie sich auflösen sollen“, hieß es im Kanzleramt. Dies soll auch schon am Sonntag erfolgen. Ab Montag drohen dann bei Zuwiderhandeln Verwaltungsstrafen in Höhe von bis zu 2.180 Euro. Strafen sind auch möglich, wenn man die Platzverbote – etwa für Spielplätze – missachtet: Hier ist mit Verwaltungsstrafen in Höhe von bis zu 3.600 Euro zu rechnen. Die Regierung appelliert aber an die „Vernunft und Eigenverantwortung“, wie es hieß.

Das Haus soll nur noch verlassen werden für Berufsarbeit, die nicht aufzuschieben ist, dringende Besorgungen wie Lebensmittel und um anderen Menschen zu helfen. Der Kanzler betonte bei seiner Rede vor dem Nationalrat aber erneut, dass die Versorgungssicherheit weiterhin garantiert sei. Geschäfte im Lebensmittelhandel blieben ebenso geöffnet wie Drogerien, Trafiken und Apotheken.

https://orf.at/stories/3157914/

19.45, 870 Fälle in Österreich (Stand, 15.00)

Mitgehangen, mitgefangen. Es ist schwierig, das zu entscheiden. Der Autismus spielt jetzt kaum noch eine Rolle, aber er könnte mir am Ende das Leben kosten, weil ich nicht merke, wann ich infiziert bin und ob meine Symptome so schwerwiegend sind, dass ich ärztliche Hilfe brauche, die ich dann nur telefonisch erreichen kann. Das ist eigentlich die Hauptsorge derzeit. Ich hab zwei Möglichkeiten – entweder verrichte ich weiter meinen Dienst, bis ich mich infiziert habe oder als Kontaktperson in Hausquarantäne gehen muss – oder ich bleibe zuhause und mache mich alleine verrückt vor Angst, wenn die Stirn sich heiß anfühlt, ich schlecht Luft bekomme und einen trockenen Hals habe, und werde spät infiziert, wenn die Spitäler bereits überlastet sind. Gut, der Gedanke ist absurd, sich durch die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs früher infizieren zu können (wollen?). Jedenfalls tut es gut mit den Kollegen Dienst zu machen, auch wenn bei uns inzwischen Abstand halten angesagt ist. Wir wissen auch nicht, wie lange wir genug Personal haben, das noch nicht infiziert ist. Bisher noch keiner, jedenfalls nicht getestet. 

Nach Dienstende bin ich mit dem Flughafenbus zurück gefahren. Ich ging als erster in den Bus, gleich ganz hinter in die letzte Reihe (fünf Plätze), ganz rechts. Im Bus waren insgesamt vielleicht fünf Passagiere. Aber so ein vertrottelter asozialer Saubeidl kam rein, ging in die letzte Reihe und setzte sich OHNE NOT zwei Sitze neben mich in die Mitte, quasi in Spuckweite. Ich machte ein Handzeichen und sagte, nach links rücken, er ignorierte mich, also setzte ich mich drei Sitze davor auf eine freie Reihe. Kurz darauf hat er auch gehustet. Was weiß ich, von wo er mit dem Flugzeug kam? Für die nächsten Dienste nimmt mich ein Kollege mit, den Bus benutze ich nicht mehr. Wir arbeiten künftig immer in den gleichen Teams, damit weniger ausfallen, wenn ein Team infiziert ist. Öffentliche Verkehrsmittel sind für mich ab sofort wegen solcher Idioten tabu.

Was gibt es sonst? Die ÖBB dünnen jetzt auch sukzessive den Fahrplan aus, das schafft zudem Kapazitäten für den Güterverkehr. Ich hab noch genug zum Essen für rund zwei Wochen, kann jetzt wirklich in der Wohnung bleiben. 

Und das ist mein heutiger Appell an meine Leser: Lasst Euch bitte nicht von den niedrigen Fallzahlen täuschen. Es wird extrem wenig getestet im Vergleich etwa zu Südkorea. Die meisten Übertragungen finden durch infizierte Personen statt, die keine oder nur milde Symptome aufweisen! Die durchschnittliche Inkubationszeit beträgt 5-6 Tage. Die Dunkelziffer erkrankter Personen ohne Symptome bzw. mit Symptomen, aber ohne sofortige Testung dürfte enorm sein. Eine Aussage gefällt mir diesbezüglich besonders gut als Warnung und auch als Aufforderung: 

Verhaltet Euch nicht so, als könntet ihr Euch anstecken, sondern verhaltet Euch so, als wärt ihr bereits ansteckend!

Bitte bedenkt bei all den drakonischen Maßnahmen, die täglich in Kraft treten und verschärft werden, dass es nicht um die Mehrheit von Euch geht, also jene 80%, die den Virus gut überstehen, sondern um die 20% mit schwachem Immunsystem, vorwiegend Ältere und chronisch Kranke. Für die kann die Infektion mit dem Virus tödlich verlaufen! Außerdem gefährdet ihr all jene Personen, die gerade dafür sorgen, dass ihr NICHT panisch einkaufen musst. Die Helden an den Supermarktkassen, die Lieferanten, all jene mit teilweise intensivem Kundenkontakt bzw. im Dauereinsatz ohne Pause! Die aufgrunddessen vom Immunsystem her einknicken werden, wenn dieser Zustand noch länger anhält. Es geht jetzt darum, die Kurve flach zu halten, damit die Spitäler und das gesamte Versorgungswesen nicht zusammenbrechen. Es geht um Leben und Tod, vielleicht nicht um Euer Leben, aber das Eurer Liebsten, um die Ihr Euch sorgt und die ihr – wie ich auch – gerne wiedersehen und umarmen wollt, wenn das alles vorbei ist. Es geht darum, keine italienischen Zustände zu generieren, in denen Menschen alleine sterben müssen, in denen viele Menschen bei einem funktionierenden Spitalswesen gerettet worden wären, aber wie im Krieg entschieden werden muss, wer die besseren Überlebenschancen haben wird. 

Aus dem verlinkten Tweet oben: 

Einfache zwei Regeln:

1. Wenn Du keine Symptome hast, dann sei sehr hygienisch und verhalte Dich so, dass Du keine Viren verbreitest oder irgendwo hinterlässt.

2. Wenn Du leichte Symptome hast, vermeide jeden Kontakt, bis Du wieder frei von Symptomen bist. Wende dann wieder Regel 1 an. Solange wir glauben, nur die anderen haben es, wird es nicht wirklich unterbrochen werden können.