Tag 79: Es geht abwärts

Inzwischen ist es zum Totschlagargument geworden, wenn man die türkisgrüne Regierung wegen der politischen Maßnahmen kritisiert. “Wäre Dir blau statt grün lieber? Kickl als Innenminister? Hartinger-Klein als Gesundheitsministerin?” Die Vorstellung ist grausam, zugegeben, aber das ist die Vergangenheit. In der Gegenwart sind die Grünen der Koalitionspartner. Ist der Anspruch an die Grünen so niedrig geworden, dass sie nur daran gemessen werden, was sie im Vergleich zu den Blauen nicht machen? Ich habe an Tag 22 (2. April) aufgelistet, was seit dem Lockdown so alles schiefgegangen ist. Von einer Reparatur kann trotz Nachbesserungen beim Härtefallfonds keine Rede sein. Im Gespräch mit an sich gebildeten Menschen stelle ich fest, dass viele ihr Gehirn anscheinend mit Beginn des Lockdowns ruhend gestellt haben. Ich höre erstaunlich oft die repetitiven Phrasen der Regierung: “Wir sind gut durch die Krise gekommen”, “Bei uns ist es besser als in anderen Ländern”, “Die Regierung hat die richtigen Maßnahmen gesetzt.”, aber auch: “Davon weiß ich nichts.”, “Das höre ich jetzt das erste Mal.”, “Das war mir gar nicht bekannt.” oder “Da hab ich keinen Einblick.”

Für Asylsuchende, denen gesetzeswidrig während der Ausgangsbeschränkungen untersagt wurde, die Unterkünfte zu verlassen, machte es jedenfalls keinen Unterschied, ob die grünen oder die blauen den Vizekanzler stellen.

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Tag 38: Zwischenfazit zum Zustand des Sozialstaats und Hoffnungsschimmer

nixlos

Samstagmittag am Flughafen Wien

Die einseitige FALTER-Recherche zu den neuen Abstandsregeln hab ich in meinem Wetterblog kritisch beleuchtet. Ich höre die letzten Tage viele sagen, dass sie zwar kein Freund von Kurz sind, aber die Regierung die Maßnahmen richtig gesetzt hätte, die Fallzahlen sind deutlich nach unten gegangen. Noch ist es zu voreilig, um Fazits zu ziehen, denn erst zeitverzögert zu den Lockerungen der Maßnahmen wird man sehen, ob die Regierung weiterhin die richtigen Entscheidungen trifft. Der harte Lockdown wurde mit dem Verweis auf Italien (und später Spanien) begründet, dabei kann man Österreich überhaupt nicht mit beiden Ländern vergleichen. Das Gesundheitssystem ist hierzulande (noch) viel besser und bei Norditalien spielte die Feinstaubbelastung offenbar eine ganz wesentliche Rolle. Jegliche Kritik an den Maßnahmen wurde mit dem Totschlagargument “Willst Du italienische Verhältnisse bei uns?!” mundtot gemacht.

Zur Erinnerung:

    • Die WKO kam an sensible Daten der letzten 10 Jahre, besonders von kleinen und mittleren Unternehmen, etliche Hilfen wurden wegen der überbordenden Bürokratie noch gar nicht ausgezahlt
    • Die Vielzahl an Kurzarbeitsanträge überfordert das AMS, die Bedingungen sind immer noch Gegenstand von Verhandlungen
    • Bei der Medienförderung bekommen die großen mehr als die kleinen, einschließlich des aufhetzenden Boulevards und rechtsextrem eingestufte Blätter (Zur Zeit), Onlinemedien bekommen nichts.
    • Die Freistellung von Risikogruppen erfolgt über die Medikamenteneinnahme, die bei den Krankenkassen registriert sind, so erfahren Arbeitgeber von den Erkrankungen ihrer Mitarbeiter ohne deren Einverständnis.
    • Homeschooling mit E-Learning bevorzugt Schüler von besser verdienenden Eltern mit ausreichend Wohnraum und der technischen Infrastruktur, aber auch höherer Bildung.
    • Bis heute kein Bekenntnis zu deutlichen Lohnerhöhungen bei systemkritischen Berufen wie Supermarkt-Angestellte, Müllabfuhr, Reinigung, Pflege und Erntehelfer, aber auch Busfahrer und die ganze Verkehrsinfrastruktur. Ebenso kein Eingeständnis, dass der neoliberale Sparkurs bei den Krankenkassen und im gesamten Gesundheitssystem ein Fehler war.
    • Asylwerber hätten als Erntehelfer aushelfen können, stattdessen will die ÖVP abgelehnte Asylwerber nach Serbien schicken und verhing defakto eine rechtswidrige Ausgangssperre über Flüchtlinge.
    • Keine Aufnahme von Flüchtlingen aus den griechischen Lagern, nicht einmal Kinder
    • Erhöhung des Arbeitslosengelds geschweige denn ein bedingungsloses Grundeinkommen (wie in Spanien) sind kein Thema
    • Totalüberwachung durch Mobilfunkdaten (A1) und Gesichterabgleichung durch das Innenministerium, Contact Tracing App durch Uniqa finanziert und die Werbekampagne dafür durch die Raiffeisen gefördert.
    • Bis heute keine transparente und frei zugängliche Daten- und Entscheidungsgrundlage für die Erlässe und Gesetze
    • Ungekannte Zahl an Folgeerkrankungen und Todesfällen, die nicht durch Corona bedingt sind, aber durch das heruntergefahrene Gesundheitssystem verursacht wurden.
    • Rechtswidrige Erlässe und Verordnungen mit überschießenden Strafen durch die Exekutive

 

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