Tag 43: Mit dem Virus weiterleben

Bundeskanzlerin Merkel spricht mir aus der Seele:

„Diese Pandemie ist eine demokratische Zumutung, denn sie schränkt genau das ein, was unsere existenziellen Rechte und Bedürfnisse sind“, sagte Merkel.
Eine solche Situation sei nur akzeptabel und erträglich, wenn die Gründe für die Einschränkungen transparent und nachvollziehbar seien und wenn Kritik und Widerspruch nicht nur erlaubt, sondern eingefordert und angehört würden – wechselseitig.

Quelle: https://orf.at/#/stories/3162998/

Ich schreibe am 43. Tag des Wahnsinns. Zur Erinnerung, am 11. März hatte ich meinen Tag 0, als ich anfing, täglich zu bloggen, um diese Zeitenwende zu verarbeiten. Meinen allerersten Blogeintrag hatte ich schon am 26. Februar, wenige Tage vor meinem letzten normalen Wanderurlaub für längere Zeit. Einige der damaligen Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Die Regierung hat nichts gelernt aus den Fehlern der Vergangenheit. 24-Stunden-Pflegerinnen werden weiterhin schlecht bezahlt, Arbeitssklaven über die temporär geöfffnete Balkanroute eingeflogen. Wertschätzung gibt es am allerwenigsten für jene Menschen, die uns derzeit durch die Krise bringen, weder in der Wortwahl (“liebe Österreicherinnen und Österreicher”) noch mit finanzieller Zuwendung. Millionäre in Österreich sind auffallend ruhig geworden. Man hört nicht einmal die Flöhe husten. Ich hab gestern darüber gebloggt, könnte das aber jeden Tag schreiben, und wenn ich lese, wie die mächtigste Frau der Welt über die Pandemie spricht, dann sterbe ich lieber mit Zuversicht und Offenheit als unter der autoritären Fuchtel eines Menschenfeindes leben zu müssen, der lieber andere anpatzt als selbst für seine Versäumnisse geradezustehen. Die sehr geschätzte Bloggerkollegin Et0sha hat dazu einen feinen Text verfasst: Leseempfehlung!

Nein, eine Heiligsprechung von Merkel ist das nicht. Gerade Deutschland war sehr hinter der Austeritätspolitik, die zu einem großen Teil mitverantwortlich für die Tragödie in Italien und Spanien ist. Die Sparpolitik hat sich als tödlicher Bumerang erwiesen.

Rückkehr in die alte Normalität

Zurück zum Titel. Es kehrt wieder Normalität ein. In den Supermärkten stehen weiterhin Desinfektionsspender, aber keine Mitarbeiter mehr am Eingang. Nur noch hier und da wird kontrolliert, ob sich alle die Hände desinfizieren oder einen Einkaufswagen benutzen. Vielleicht hat man aber auch erkannt, wie sinnlos die Einkaufswagenregel ist, dass man viel leichter Abstand halten kann, wenn man keinen benutzt und dass man weniger anfassen muss, wenn man seine eigene Stofftasche mitbringt. Und auch wenn der Mastercard-Geschäftsführer anderer Ansicht ist, die WHO kann keine spezielle Gefährdung durch Bargeld feststellen – sie ist nicht höher als durch Kontaktinfektion an anderern Gegenständen, und bisher ist die einhellige Meinung vieler Experten, dass der Hauptübertragungsweg die Tröpfcheninfektion ist. Ich zahle also weiterhin mit Bargeld, wann immer möglich, um den Mitarbeitern ein Trinkgeld draufpacken zu können. Zudem kann ich besser mit Geld umgehen, wenn ich es abzählen muss. Kredit- und Bankomatkartenzahlungen sind bekannt als Schuldenfallen.

Die alte Normalität macht sich auch dadurch bemerkbar, dass sich viele nicht mehr an die Abstandsregel halten, speziell, wenn sie Masken tragen. Sie scheinen nicht verstanden zu haben, dass Masken eine zusätzliche Maßnahme zum Abstand halten sind. Meine eigene Befürchtung, dass das stundenlange Tragen der Masken ungesund ist, ist immerhin eindeutig widerlegt. Dafür ist es hochgradig exkludierend für hörbehinderte Menschen, die auf das Ablesen des Mundbilds angewiesen sind. Früher saß Helene Jarmer, selbst gehörlos, für die Grünen im Parlament. Vor der letzten Wahl behauptete Vizekanzler Kogler, dass behinderte Menschen auch ohne behinderte Politiker vertreten werden können. Nun ja.

Sonst sehe ich dem Regulierungswahn in allen Branchen, auf Teufel komm raus Abstandsregeln und Quadrameterluft zu definieren, zunehmend gelassen entgegen, da sich das nie dauerhaft umsetzen lässt. Etliche Unternehmen gehen trotzdem oder gerade deswegen pleite. Niemand wird sich leisten können, auf Dauer nur den halben Umsatz zu machen – nicht ohne so massive Preiserhöhungen, dass wiederum die Kundschaft ausbleibt. Neben zig anderen Daten hält die Regierung übrigens auch die AMS-Daten unter Verschluss. Derzeit kann man nur schätzen, dass über 600 000 Menschen arbeitslos sind und rund eine Million in Kurzarbeit. Massive Einkommensverluste also. Masken beim Einkauf vielleicht, in den Öffis ok, speziell, wenn die Passagierfrequenzen wieder steigen, aber beim Wirten und in Kunst und Kultur wird sich das nicht durchsetzen lassen. Es wird der Zeitpunkt kommen, wo wir das Risiko in Kauf nehmen müssen, wenn die kulturellen Errungenschaften wie wir sie kannten, erhalten bleiben sollen.

Die einfachen Verhaltensregeln bleiben – damit können alle leben:

  • Abstand zu Fremden* halten, denn man weiß ja nicht, ob er die Erkrankung unbemerkt in sich trägt und hochinfektiös ist.
  • Gründlich Hände waschen sollte bereits in Fleisch und Blut übergegangen sein.
  • Desinfektionsmittel als tägliche Begleiter.
  • Nicht ins Gesicht fassen.

*ich schrieb absichtlich Fremden und nicht *zu allen*, denn über Monate oder gar Jahre hinweg, bis ein Impfstoff entwickelt und massentauglich wurde, lässt sich das nicht praktizieren. Nicht zu den Menschen, die einem nahestehen. Jeder muss selbst entscheiden, im Konsens mit der Person, die er treffen möchte, ob er dieses Risiko eingehen will. Das ist unsere verbliebene Freiheit, die über allen Verordnungen steht.

Was schön wäre, aber wohl Utopie bleibt: Eine allgemeine Impfpflicht bei ansteckenden Infektionskrankheiten. Man sah es bei den Masern und überdeutlich bei der Influenza, was passiert, wenn sich Verschwörungstheoretiker und Esoteriker durchsetzen. Im kommenden Winter rollt die nächste Influenzawelle an, sie wird es wieder erschweren, Covid19-Symptome zu isolieren und Infizierte rechtzeitig zu erkennen. Daher sollten so viele möglich geimpft werden, um die angestrebte Herdenimmunität zu erreichen, um Risikogruppen zu schützen – eben jene Menschen, die wegen geschwächter Immunsysteme nicht geimpft werden können.

Ein zweiter wichtiger Punkt, der momentan nur für Covid19 gilt, aber ausgeweitet gehört: Es soll niemand mehr krank arbeiten gehen müssen, schon gar nicht mit einer ansteckenden Krankheit. Das gilt auch für Influenza und andere ansteckende Krankheiten!

Was die asymptomatischen und präsymptomatischen Überträger betrifft, hoffe ich die nächsten Wochen noch auf neue Erkenntnisse, dass man auch ohne die klassischen Symptome andere Infektionszeichen rechtzeitig erkennen und frühzeitig in Selbstisolation gehen kann.

Trotz aller bekannten Einschränkungen und Vorsorgeprinzip gibt es zahlreiche, internationale Anstrengungen, ein wirksames Medikament und einen geeigneten Impfstoff zu finden. Man darf nie die Hoffnung verlieren!

FunFact: Falls alle Stricken reißen, kann man immer noch mit dem Rauchen anfangen.

Based on the current scientific literature and on new epidemiological data which reveal that current smoking status appears to be a protective factor against the infection by SARS-CoV-2 [1], we hypothesize that the nicotinic acetylcholine receptor (nAChR) plays a key role in the pathophysiology of Covid-19 infection and might represent a target for the prevention and control of Covid-19 infection.

Interessanter Artikel, der auch auf Zusammenhänge mit dem Verlust des Geruchssinns und neurologischer Ausfälle als frühe Symptome eingeht.