Es tut sich gerade eine Menge, wenn auch nicht überall dort, wo Handlungsbedarf besteht.
Universitäten sind immer noch geschlossen
Die Universitäten dürfen immer noch nicht betreten werden. Reich waren Studenten noch nie, zu studieren und nebenher das Studium durch Nebenjobs zu finanzieren immer eine schmale Gratwanderung, die meist darin gipfelt, einige Semester dranhängen zu müssen. Die Verschulung der Studien durch die missglückte Bolognareform führte zu mehr Anwesenheitspflichten, was die Situation für prekär lebende Studierende noch schwieriger gemacht hat. Über StudentInnen hört man seit Monaten allerdings reichlich wenig. Die Wiener Linien haben das Semesterticket verlängert. Was wurde sonst als Entlastung beschlossen? Die Aussetzung der Studiengebühren wurde abgelehnt. Gerade die typischen Studentenjobs – kellnern in der Gastronomie – sind zu nahezu 100% weggefallen. Selbst jetzt, wo die Gastwirte wieder aufsperren durften, ist der Umsatz eingebrochen und ohne Trinkgelder fallen die Löhne sehr mager aus. Eine Sackgasse auf unabsehbare Zeit.
Demonstrationen: Segen oder Fluch?
Es gab beeindruckend viele Teilnehmer bei den Demonstrationen, teilweise leider ohne Abstand halten und ohne Masken tragen. Auch wenn es nur wenige Ansteckungen im Freien gibt, ignorieren kann man die Gefahr von Menschenansammlungen im Freien nicht, wie ein historisches Beispiel einer Parade in Philadelphia während der Spanischen Grippe zeigt – damals wurden allerdings keine Masken getragen. Zuletzt mehrten sich die Anzeichen, dass während Großdemonstrationen künftig Maskenpflicht herrscht. Es wäre nur allzu tragisch, wenn der berechtigte Protest gegen Rassismus zu einem Wiederanstieg an Infektionen führt und Menschen das Leben kostet, die aus welchen Gründen auch immer den Kampf gegen das Virus verlieren.
“»I can‘t breathe« sind übrigens auch die letzten Worte, wenn man an Covid-19 grauenvoll erstickt. Denkt bei der nächste Demo bitte daran. Danke. ” (@gallenbitter, Twitter, 07.06., 11.52)
Das mag überspitzt klingen, aber es ist eben durchaus etwas dran, sich für etwas zu engagieren und gleichzeitig Risikogruppen wortwörtlich ins Gesicht zu spucken. Da geht es nicht einmal darum, dass Menschen mit Risikofaktoren daheim bleiben sollten, sondern dass sich Teilnehmer infizieren und in der symptomfreien Phase dann Menschen mit Risikofaktoren anstecken. Wie wichtig es ist, Cluster zuzuordnen, zeigt dieser Thread aus Deutschland. Es sind also nicht nur die letzten Kontakte wichtig, die der Infizierte gehabt hat, sondern zentral ist die Frage: “Warst Du zuletzt auf einer größeren Veranstaltung?” Gerade solche Massenveranstaltungen wären also ein idealer Einsatzort für Contact Tracing Apps.
Trotz allen Befürchtungen, durch solche Veranstaltungen würde eine zweite Welle entstehen, muss man aber auch mal die Kirche im Dorf lassen. Bei den ersten Bildern aus dem Prater oder von der Donauinsel empörten sich viele, die seien Schuld, wenn der Lockdown länger dauert. Später dasselbe mit den geöffneten Baumärkten, dann die Gastronomie. Nichts ist passiert. Die Infektionen finden weiterhin hauptsächlich innerhalb bestehender Cluster statt, etwa um die Postzentren herum, sowie innerhalb Familienverbände und deren Verwandte. Lokale Anstiege gibt es hingegen durch die geöffneten Schulen und Kindergärten. Innenräume sind nun einmal gefährdeter, sogar viel eher als Massenveranstaltungen im Freien. Man sieht aber auch, dass viele Menschen die Zusammenhänge immer noch nicht begreifen. Konzerte im Freien ja, in der Stadthalle oder in Jazzkellern eher nein. Die Durchlüftung macht den Unterschied. Gerade Bars und Nachtclubs erscheinen als Orte mit der größten Ansteckungsgefahr. Abstand einhalten mit viel Alkohol intus? Lärmpegel, Schreien, feuchte Aussprache, Umarmungen, Tanzen, etc… Bis zur Impfstoffentwicklung ist das für mich nur vorstellbar, wenn es einen seriösen Schnelltest auf Antikörper oder virale RNA gibt.
Symptomfreie Ansteckung?
Apropos symptomfrei: Die Rolle der WHO ist mehr als unglücklich in dieser Pandemie. Erst wurde die Gefahr aus China heruntergespielt, dann hat man sich zu lange gegen den Maskeneinsatz gewehrt und jetzt sorgt eine irreführende Aussage zur Ansteckungsgefahr für Verwirrung:
“Corona patients without symptoms aren’t driving the spread of the virus.”
Was gemeint war:
Menschen, die im gesamten Verlauf der Infektion keine Symptome zeigen, sind kaum ansteckend.
Was ankommt:
Menschen ohne Symptome sind nicht ansteckend.
Hier fehlt die Unterscheidung zwischen präsymptomatisch (also ohne Symptome bis zum Ausbruch der Erkrankung) und asymptomatisch (durchwegs symptomfrei). Nur: Ohne follow-up-Studien weiß man nie, ob ein symptomfreier Infizierter später nicht doch noch Symptome entwickelt. In diesem Thread wurde die Problematik davon erläutert, hier auf Deutsch.
Ungeachtet dessen also, was die WHO sagt. Menschen sind unmittelbar vor den ersten Symptomen und am ersten Tag der Symptome am anstecksten. Darum tragen wir ja alle Masken, bzw. sollten sie tragen, in Österreich wurde die Maskenpflicht leider weitgehend abgeschafft. Und leider wurde die Teststrategie wieder geändert und geht wieder Richtung “nur mit Symptomen” testen.
Arbeitsplätze gegeneinander ausspielen
Letzter Punkt: Die Regierung hat sich gemeinsam mit der AUA und Mutterkonzern Lufthansa endlich auf ein Rettungspaket geeignet. 150 Mio schießt der österreichische Staat aus den Steuergeldern zu, der Rest kommt von der Lufthansa und von staatlich garantierten Bankgarantien. Einen gewichtigen Anteil liefert aber auch das AUA-Personal, das über Jahre hinweg schmerzhafte Einkommensverluste hinnimmt, um ihren Job zu behalten, mit Ausnahme der Pensionisten, die nicht auf ihre üppigen Pensionen verzichten wollen. Das Paket enthält einige ökologisch motivierte Auflagen, etwa Aufpreise für Kurzstrecken und ein Anti-Dumping-Gesetz, das alle Fluglinien (nicht nur die AUA) künftig daran hindern soll, die Preisspirale immer weiter nach unten zu drehen wie bisher. Die Kritiker stören sich vor allem daran, dass sich der Staat nicht am Unternehmen (und künftiger Gewinne) beteiligen will – erst bei einer Insolvenz geht die AUA in Staatsbesitz über.
Ungeachtet dessen sind die 7000 Mitarbeiter und deren Familien erleichtert. Es wird immer noch vergessen, dass nicht nur die AUA-Arbeitsplätze gerettet wurden, sondern auch viele von den Flughäfen in Österreich, der Flugsicherung, den Zulieferbetrieben bis hin zu den Wirtschaftszweigen, die vom Flugverkehr abhängig sind, Kongresstourismus, Urlaubstourismus in ganz Österreich, indirekt also auch Hotels und Gastronomie und deren Zulieferer. Man mag sich auch vorstellen, dass internationale Musiker und Künstler von globalem Tourismus abhängen, also in Punkto gar nicht mehr fliegen versus zumindest weniger fliegen.
Warum man die Kurzstreckenflüge nicht sofort auflässt, wird gefragt. Das hängt mit der Drehkreuzfunktion zusammen. Als Beispiel für einen unnötigen Flug bringen viele immer wieder Wien-Linz, dabei wurde diese Strecke bereits im Herbst 2018 aufgelassen. Wien-Graz dauert derzeit noch 2 Stunden 40min und wird wahrscheinlich aufgelassen, Wien-Salzburg sind von Flughafen zur Stadt ebenfalls 2h 40min und ist ebenso in Frage gestellt. Klagenfurt und Innsbruck hängen am Semmeringbasistunnel, am Koralmtunnel und am viergleisigen Ausbau der Westbahnstrecke westlich von Straßwalchen bzw. am Großen Deutschen Eck mit den kurvenreichen Langsamfahrstellen. Und da zeigt sich ein Kapazitätenproblem: Überall, wo es nur zweigleisige Strecken gibt, leidet entweder der Nahverkehr oder der Fernverkehr. Private Anbieter wie CAT oder Westbahn erschweren kürzere Intervalle für alle. Ohne CAT wäre ein 15min-Intervall der S-Bahn zum Flughafen möglich ohne Westbahn könnte der Nahverkehr zwischen Linz und Salzburg besser angebunden werden. Generell gibt es entlang der Westbahn das Problem extrem kurzer Umstiegszeiten vom Fernverkehr auf Nahverkehrszüge, die Verspätungen nicht abwarten können, weil sie das Hauptgleis blockieren (selbst schon oft zum eigenen Leidwesen miterlebt). Außerdem waren die Züge vor Corona zwischen Wien und Salzburg oft überfüllt. Etwas, was man sich derzeit nicht erlauben sollte.
Was heißt das? Bahnkapazitäten, sowohl Infrastruktur als auch Personal, fallen nicht vom Himmel, auch nicht während einer Existenzkrise der Luftfahrt. Das dauert Jahre bis Jahrzehnte, bis die Bahn so gut ausgebaut wurde, sowohl Kapazitäten als auch Geschwindigkeit, dass der steigende Bedarf gedeckt werden kann. Das ist die Realität. Mir wäre auch lieber, es wäre anders, nachdem ich kein Auto habe und die Bahn dem Flugzeug eher vorziehe.
Was mich jetzt aber am meisten stört, ist der Versuch, die krachenden Existenzen der Kleinunternehmer gegen die AUA-Mitarbeiter auszuspielen. Rechenspiele, wie viele EPUs mit dem Steuergeld für die AUA hätten gerettet werden können. Das Herunterbrechen der 150 Millionen pro AUA-Mitarbeiter, als ob die davon etwas sehen würden. Warum? Es ist unbestritten, dass die WKO versagt hat und die Unernsthaftigkeit, mit der die türkisen Minister nachbessern, zeigt, dass ein gewisser Prozentsatz an Pleiten gewollt sind. Das Epidemiegesetz wurde ausgehebelt, um diese Pleiten zu ermöglichen. Nur die Stärksten sollen überleben. Aber es liegt nicht am fehlenden Geld. Für PR-Budget-Erhöhung vom Bundeskanzleramt ist genug da, da sprudeln die Millionen. Vermögen- und Erbschaftsteuern sind Tabuthemen. Es fehlt nicht am Geld, sondern am politischen Wille. Der wäre auch nicht vorhanden, wenn die AUA in die Insolvenz geschickt worden wäre. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Kernappell: Schuld an der Misere der EPUs und aller, die von der WKO keine oder nur lächerlich geringe Hilfen erhalten, sind nicht die AUA und deren Mitarbeiter, bei denen sowieso der Sparstift angesetzt wurde, sondern alleine die türkisgrüne Bundesregierung mit Betonung auf türkis. Vielleicht wärs denkbar, harte Kritik zu üben, ohne andere Arbeitsplätze abzuwerten.