Die gute Nachricht zuerst:
Aufgrund der Superspreader-Eigenschaft kann das Virus schneller aussterben als befürchtet, weil viele potentielle Infektionsketten Sackgassen für die Virusübertragung sind. Warum? Aktueller Kenntnisstand ist, dass rund 10-20% aller Infizierten für 80-90% aller Übertragungen verantwortlich sind. Die meisten Übertragungen entstehen durch Cluster-Ereignisse, etwa Großveranstaltungen oder bestimmte prädestinierte Situationen wie Chorproben, Verteilerzentren beim Paketdienst oder Schlachtbetrieben. Wenn man diese vulnerablen Situationen unterbindet, kann sich das Virus nur noch durch einzelne Übertragungen verbreiten, was aber weitaus weniger effektiv ist. Dass dies tatsächlich so stattfindet, sieht man anhand der aktuellen Fallzahlen in vielen Ländern, wo es nur noch niedrige zweistellige Zuwächse pro Tag gibt. Die meisten Übertragungen finden dabei in bestehenden Clustern statt, also innerhalb der Familien und unter Arbeitskollegen. Es gibt aber kaum noch Übertragungen in Situationen, wo einander vollkommenn fremde Menschen begegnen. Weder in den dichten Sitzreihen entlang des berüchtigten Donaukanals noch aller Voraussicht nach bei der Großdemonstration in Wien vor einer Woche. Etwa die Hälfte hat Abstand gehalten, die Hälfte hat Maske getragen. Manche haben beides gemacht, manche nichts davon. Dazu war es windig und die Menschenansammlungen im Freien. Die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln bleibt bestehen, sonst wird sie leider abgeschafft, obwohl alle wissenschaftlichen Studien bestätigen, dass sie sinnvoll ist und 40-60% aller Übertragungen verhindern kann. In den USA waren zwei zwei Friseure infiziert, wussten es aber nicht. Beide trugen Masken, ebenso die Kunden. Im infizierten Zustand hatten sie insgesamt 140 Kunden und kein einziger hat sich infiziert!
Ob der Optimismus in Österreich bleibt, wenn die Maskenpflicht ab morgen fällt, sei dahingestellt:
- Wo bleibt die Maskenpflicht? Für Personal in der Gastronomie, bei Betreten von Veranstaltungen, von Apotheken, Taxifahrten, Autofahrten mit haushaltsfremden Personen, Öffentliche Verkehrsmittel
- Wo fällt sie? In geschlossenen öffentlichen Räumen, in Geschäften, Hotels, Sportstätten, Museen, Fahrgemeinschaften, Seilbahnen, Reisebussen, Ausflugsschiffen und Privatjets.
Mein einziger Kommentar dazu: Jene, die sich oder Angehörige nicht gefährden und kein Risiko eingehen wollen, müssen ab jetzt eben FFP2-Masken tragen. Ein – bei den aktuellen Fallzahlen – geringes Risiko bleibt, ist aber viel geringer als die langfristige Gefährdung durch andere Todesursachen. Der Individualverkehr ist fast wieder auf Ausgangsniveau, die Feinstaubbelastung steigt, ebenso die Unfallgefahr. Über Prävention wird leider überhaupt nicht geredet, wie man einige der Risikofaktoren, die viele Gefährdete erst anfällig für einen schweren Verlauf macht (z.b. Übergewicht, Rauchen, Feinstaubbelastung, chronischer Stress), bekämpfen könnte.
Zur schlechten Nachricht Nr.1 : Im Vergleich zu Tag 56 (06. Mai) ergibt sich eine wesentliche Änderung meiner damaligen Zusammenfassung: Die Übertragung über die Nase scheint eine größere Rolle zu spielen als angenommen (noch ein Grund mehr, weshalb vor allem Männer ihren Nasenpenis unter die Maske ziehen sollten statt ihn darüber baumeln zu lassen).
Zur schlechten Nachricht Nr.2: Das Virus mutiert und es können zwei verschiedene Varianten gleichzeitig eine Person infizieren. Aber: Drosten führt auch aus, dass das Virus durch die Mutation vermehrt in der Nase repliziert, wovon wir aber nicht sehr krank werden. Es würde langfristig eher zu einem Schnupfen werden. Genauso könnte passieren, dass es allgemein stärker repliziert, auch in der Lunge, dann würden wir uns schneller krank fühlen und eher zu Hause bleiben, sodass die Übertragungsrate sinkt. Das Virus könnte dann rascher eingedämmt werden.
Sonstige Nachrichten:
- Der Anteil der asymptomatischen Übertragung wird jetzt übrigens auf einen niedrigen einstelligen Prozentanteil geschätzt, während 40-60% aller Übertragungen präsymptomatisch stattfinden.
- Mehrere europäische Länder sichern sich einen höchst fragwürdigen Impfstoffaus Großbritannien – fragwürdig deswegen, weil eine seriöse Impfstoffentwicklung frühestens im Sommer 2021 abgeschlossen sein wird. Ob es tatsächlich schon Ende 2020 der Fall ist, sei dahingestellt. Vielleicht sollte man hier ein wenig auf die Bremse steigen.
- Es laufen aber auch noch andere Impfstoffversuche von insgesamt über 100 Kandidaten, von denen aber nur rund 10% wirklich aussichtsreich sind.
Ansonsten: Ich hab 17 Urlaubstage durch den Lockdown und die geschlossene Gastronomie und Unterkünfte verloren. Die ersetzt mir niemand mehr. Wer seinen Urlaub später im Jahr gebucht hat, hat Glück und mehr davon. Je später es wird, desto mehr wird wieder gelockert und desto unkomplizierter und bequemer ist der eigene Freiheitsgrad. Das Verhalten der österreichischen Regierung macht mir Angst. Sie unternimmt keinerlei Anstalten, etwa das Arbeitslosengeld wenigstens befristet von 55% auf mindestens 70% zu erhöhen. Stattdessen gibt es 450 Euro Einmalzahlung. Das ist so wenig wie die lächerlichen Beträge für EPUs, Gastwirte und sonstige Unternehmen, die davon nicht mal Miete und Umsatzverluste ersetzen können. Das Geld wäre vorhanden, nur ein Bruchteil der versprochenen Hilfsgelder wurden bisher ausgezahlt, und das Wording ist auch vollkommen falsch, denn in Wahrheit stehen alle Entschädigungen zu, denen auf behördliche Anweisung das Geschäft geschlossen wurde. Dafür gabs ein Epidemiegesetz. Das wurde gekübelt. Die systemrelevante Arbeit wurde bereits wieder vergessen.
Als Mitte März der Flugverkehr rapide zurückging, waren viele in der Luftfahrtbranche noch zweckoptimistisch, dass die Talsohle im Mai erreicht würde und ab dem Sommer wieder Vollbetrieb angesteuert würde. Das Argument war: Die Leute wollen unbedingt wieder fliegen, es würde einen regelrechten Run auf Flugtickets geben. Jetzt ist Juni, ab morgen läuft der Flugbetrieb bei zahlreichen Airlines wieder an, nachdem die Reisebeschränkungen zunehmend fallen. Vorerst nur kontinental, denn in Ländern wie Russland, China, USA, aber auch Schweden und Großbritannien sind die Fallzahlen immer noch hoch oder steigen schon wieder.. Südamerika hat es besonders schlimm erwischt. Aber im Spätsommer werden wir höchstens 25% vom Vorkrisenniveau erreichen und inzwischen rechnet niemand mehr damit, dass vor dem Jahr 2023 wieder das Vorkrisenniveau erreicht wird. Der FRAPORT-Chef rechnet sogar damit, dass selbst nach 2023 höchstens 90% erreicht werden. Das alles unter der Prämisse übrigens, dass wir keine zweite Welle und keinen erneuten Lockdown bzw. erneute Reisebeschränkungen erleben werden. Für die Branche selbst und auch meinen Arbeitsplatz sieht es langfristig düster aus. Die vermeintlich sichere Zukunft ist plötzlich keine mehr. Und das alles wegen drei Monate Stillstand und drei Jahren mageren Wachstums. Das ging halt viel zu schnell, um sich darauf einzustellen oder nach Alternativen zu suchen. Wenn dann coronabedingt alle Branchen leiden und die Zeichen eher auf Personalabbau stehen, dann ists vielleicht ein wenig verständlich, dass man in den Jubel über den geringen Flugverkehr nicht einstimmen kann – fürs Klima macht es ohnehin nicht so viel aus, dass das alleine reicht.