
Bewegung, Frischluftzufuhr und Sonnenschein – die beste Vorsorge während einer Pandemie
Wie geht es jetzt weiter? Die alte Normalität ist zurückgekehrt, mit dem Unterschied, dass alles schlechter geworden ist. Immer mehr Gasthäuser und Hotels müssen zusperren, die Arbeitslosigkeit ist weiterhin hoch. Im Gesundheitssystem klafft ein bald milliardengroßes Finanzloch, die Ausgaben sind gestiegen, die Einnahmen zurückgegangen. Bei Großunternehmen, die schon vor Corona den Sparstift ansetzen wollten, dient das Virus nun als willkommene Rechtfertigung, einen radikalen Sparkurs durchzusetzen. Wie immer geht es dabei um Personalabbau (Entlassungen) und allgemeine Verschlechterung von Arbeitsbedingungen. In Zeiten einer GESUNDHEITSKRISE die völlig verkehrte Richtung. Nicht nur, was das Spitalswesen betrifft oder niedergelassene Ärzte, sondern alle Berufe. Vorsorge wird wichtiger denn je, aber wenn die Einkommen sinken und die Kosten steigen, geht das schlussendlich zulasten der Lebensqualität. Die Frage ist, wer an diesem Kurs etwas ändern will: Die türkise Führung, die das Finanzministerium und Arbeitsministerium innehat, sicherlich nicht – jedenfalls nicht unter Kurz. Solange die eigene besser situierte ÖVP-Wählerschaft mit diversen Steuergeschenken und Gesetzesänderungen befriedigt werden kann, ist der Regierung egal, was mit dem Rest der Bevölkerung passiert. Ausländer und alle mit sichtbarem Migrationshintergrund sind grundsätzlich außen vor. Für die ÖVP zählt nur das authochtone Wählervieh.
Verbote und Regeln statt Information und Verständnis
Politisch gesehen also weiterhin düstere Aussichten, auch die Coronakrise ist längst nicht überstanden. Dieser Kommentarhier geht leider am Grundproblem vorbei.
“Die Virusbekämpfung habe zu sehr auf autoritäre Verbote statt auf den mündigen Bürger gesetzt, lautet ein Vorwurf an die Regierung. Das aktuelle Herdenverhalten spricht nicht für diese Kritik”
Im Gegenteil. Das aktuelle Herdenverhalten zeigt die Versäumnisse der Regierung, von Beginn an auf Information und Verständnis der medizinischen Notsituation zu setzen. Statt auf den rechtsradikalen israelischen Premierminister hätte Kurz auf Merkel hören sollen, die als promovierte Physikerin in ruhiger und besonnener Art durch die schwierigste Zeit geführt hat. Sie hätten eine/n ihrer Expert/Innen vorschicken können, die ähnlich wie Drosten umfassend und regelmäßig über die Gefahren des Virus aufklären und die begleitenden Maßnahmen erläutern. Das ist nie in dem Ausmaß passiert, dass die ExpertInnen Teil der offiziellen Botschaft waren. Ihre Aussagen in diversen Fernseh-, Radio- und Zeitungsinterviews fungierten eher als Privatmeinung denn als offizieller Konsens.
Ein mündiger Bürger setzt ausreichend Wissen voraus, auf dessen Basis er vernunftgesteuerte Entscheidungen treffen kann. Eine Regierung, dessen führende Politiker vor dem Ibiza-Skandal noch mit der FPÖ koaliert haben und die zwei Jahre lang auf die völlige Aushöhlung von jahrzehntelang erkämpften Arbeits- und Menschenrechten gesetzt hat, die die Ellenbogenmanier zum Grundprinzip erhoben hat und die Arbeitslosengeld nicht als Versicherungsleistung, sondern als Sozialschmarotzertum diskreditiert, setzt nun ernsthaft auf Eigenverantwortung und meint damit in Wahrheit Fremdverantwortung, denn Masken tragen und Abstand halten dient vor allem dazu, andere nicht zu gefährden, die zur Risikogruppe zählen oder Angehörige derer haben.
Mit einem Mindestmaß an logischem Denken wird klar, dass diese Rechnung nicht aufgehen kann. Schuld ist aber nicht das aktuelle Herdenverhalten, sondern der Wahlkampf der ÖVP auf Kosten der Gesundheit der Gesamtbevölkerung. Es geht natürlich um die Wienwahl, es geht darum, bei den wieder steigenden Fallzahlen dem Gesundheitsministerium unter Anschober die Schuld in die Schuhe zu schieben, und sich selbst die Absolute zu sichern. Darum verkündete Kurz zuletzt großherzig die unnötigen und nach einhelliger Meinung aller Experten gefährlichen Lockerungen bei der Maskenpflicht [ und in weiterer Folge auch bei der Zulassung größerer Veranstaltungen), während das Gesundheitsministerium die wieder aufflammenden Brände löschen darf und sich entsprechend unbeliebt macht. Anschober windet sich unglücklich in seinen Formulierungen:
Nicht sorglos werden, sondern Verantwortung tragen! Die teilweise Aufhebung des MNS ist kein Verbot. Es macht Sinn, den MNS weiter zu tragen (Twitter, 29.06.20, 16.50 Uhr)
Jetzt, wo die Fallzahlen wieder deutlich steigen, wird klar, dass die Aufhebung zurückgenommen werden müsste, was man als direkten Affront gegen Kurz verstehen könnte (Peitsche gegen Zuckerbrot).
Unterschiedliche Teststrategien
In Oberösterreich wird nur getestet, wenn Symptome vorliegen:
Dass in Oberösterreich zu wenig getestet worden sei, ließ Stelzer nicht gelten: Es sei „in jedem Fall“ eine Testung erfolgt, „wo Symptome aufgetreten sind“.
In Wien wird hingegen auch das symptomfreie Umfeld mitgetestet, weil man weiß, dass mehr als die Hälfte der Infizierten (noch) keine Symptome aufweist. In vielen Aussagen führender Politiker zeigt sich die Ahnungslosigkeit über das Ansteckungsrisiko durch die Aerosolinfektion. Dank meiner chronologischen Dokumentation kann ich belegen, dass man schon seit Ende März weiß, dass schlecht belüftete Innenräume das höchste Risiko einer Ansteckung und von Superspreadereignissen bieten. Am Tag 103 (22.06.) bin ich ausführlich auf die Aerosolinfektion eingegangen. Wenn ich als Laie eine so fundierte Zusammenstellung schaffe, sollten das die verantwortlichen Personen in den Behörden und Ämtern doch auch schaffen?!
Zum hundersten Mal: Die Maskenpflicht gilt (galt) für alle Bürger, weil auch symptomfreie Infizierte, also jene, die offensichtlich weder husten noch niesen, aber normal sprechen und atmen, das Virus ausscheiden können. Niemand kann jetzt noch als Ausrede anführen: Ich fühle mich gesund, ich kann das Virus nicht haben. Und ebenfalls zum zigsten Mal: Geschlossene Räume sind das Problem, insbesondere ohne Frischluftzufuhr und mit Klimaanlagen, die Umluft verwenden und weder durch Frischluft noch mit HEPA-Filter gereinigte Luft austauschen. Einen sehr guten Zeitungsartikel kann man im “Focus” vom 26.06. darüber nachlesen.
Mit Glück für uns und Pech fürs Klima dauert der Herbst wieder bis Dezember und es gibt etliche milde Tage zum draußen Sitzen, aber nachdem sich momentan ein durchschnittlicher Sommer ohne längere Hitzewellen abzeichnet, könnte vielleicht auch der Herbst wieder einmal durchschnittlich ausfallen und häufiger kühl und verregnet. Das stellt uns unzweifelhaft vor großen Problemen: Gastgarten und Schanigarten ist dann nicht mehr. Viele Restaurants und kleinere (Keller)Beisln bekommen die notwendige Frischluftzufuhr wahrscheinlich nicht hin. Es wird nicht zu verhindern sein, dass die Zahlen wieder steigen, wenn sich die Menschen in den Innenräumen drängen. Eigenverantwortung sähe dann so aus, dass man wieder häufiger beim Wirten bestellt und ein großzügiges Trinkgeld gibt.
Relevante Zeiträume: Inkubationszeit, Ansteckungszeit, usw.
Auch das sollte der Bevölkerung immer wieder vor Augen geführt werden. Es gibt signifikante Verzögerungen, bis sich Infektionsgeschehen in den Zahlen niederschlägt. Nicht umsonst sagt man, dass die aktuellen Infektionszahlen das Geschehen in der Vergangenheit abbilden.
Infektion: Es braucht eine bestimmte Virusdosis, um überhaupt infiziert zu werden, sagen wir 1000 Einheiten. Entweder einmal 1000 Einheiten, etwa, wenn eine Person in der Nähe hustet oder niest, oder fünf Mal 200 Einheiten, wenn eine Person in der Nähe laut spricht oder singt, oder zehn Mal 100 Einheiten bei einem gemeinsamen Essen wie dem Rotarierclubabend. Im ungünstigen Fall hätte man mit acht Mal 100 Einheiten Glück gehabt, aber hat sich die verbleibenden 200 Einheiten durch infiziertes gemeinsames Besteck geholt (Kontaktinfektion), und sich danach mit den Fingern in der Nase gebohrt.
Inkubationszeit: Die Zeit von der Infektion bis zu den ersten Symptomen, nach aktuellem Kenntnisstand 3-14 Tage. In dieser Zeit ist man zumindest präsymptomatisch, bemerkt aber nichts von seiner Infektion. Etwa 1-2 Tage vor den ersten Symptomen ist man am ansteckendsten mit der höchsten Viruslast im Rachen. Das ist der kritische Zeitraum und daher auch die dringende Empfehlung Masken zu tragen, obwohl man sich gesund fühlt!
Ansteckungszeit: Die beträgt etwa eine Woche, sofern man Symptome entwickelt, also 1-2 Tage vor den ersten Symptomen bis zu fünf Tage danach. Zwar kann das Virus dann immer noch nachgewiesen werden, aber nurmehr tote RNA, nicht zwingend infektiöse RNA. Anders verhält sich sich offenbar bei gänzlich symptomfreien Infizierten, die noch über 2 Wochen lang infektiöses Virus ausscheiden können – deutlich länger als bei symptomatischen Patienten! Einer von vielen Bausteinen, der dazu beiträgt, dass sich das Virus unbemerkt in der Bevölkerung verbreitet, obwohl die Infektionszahlen zurückgehen. Bei symptomatischen Patienten geht die Infektiösität zurück, wenn das Virus in der zweiten Woche vom Rachen in die Lunge wandert.
PCR-Nachweis einer akuten Covid19-Erkrankung: Wenn man zu früh testet, also vor den 48 Stunden vor den ersten Symptomen, ist noch zu wenig Virus im Rachen vorhanden, um einen positiven Nachweis zu erzeugen. Testet man hingegen zu spät, also drei bis vier Wochen nach der Infektion, ist die infektiöse RNA mitunter schon verschwunden. Daraus erklärt sich, weshalb Kontaktpersonen zu einer infizierten Person mitunter nicht sofort getestet werden, sondern zunächst in Quarantäne kommen und später getestet werden.
Antikörper-Nachweis einer überstandenen Covid19-Erkrankung: Dieser beginnt ab Woche zwei und geht bis Woche sechs (IgM-Antikörper). Insbesondere neutralisierende Antikörper (IgG) sind nach wenigen Monaten oft gar nicht mehr nachweisbar.
Zu den jeweiligen Nachweisen gibt es eine schöne Übersichtsgrafik:
Der Rückgang der neutralisierenden Antikörper heißt aber nicht, dass man nicht mehr immun ist. Offenbar spielt die T-Zellen-Immunität eine entscheidende Rolle. Bereits Ende April haben Forscher der Charité Berlin anhand einer Studie gemutmaßt, dass gewöhnliche Erkältungscoronaviren eine gewisse Grundimmunität gegen das neue Coronavirus erzeugen können. Neuere Studien scheinen das zu bestätigen.
Intensivpatienten: Mit 1-3 Wochen Verzögerung wird bei schweren Verläufen eine intensivmedizinische Behandlung notwendig. Erst dann steigt die Zahl der Intensivpatienten wieder an.
Todesfälle: Mit weiterer Verzögerung von wenigen Wochen nimmt die Zahl der Todesfälle zu, also jene, die trotz Beatmung an Lungenversagen, Lungenembolie oder Multiorganversagen sterben. Im Gegensatz zum Beginn der Epidemie sind die Mediziner nun erfahrener und können viele Todesfälle mithilfe geeigneter Therapien und Medikamente verhindern. Spätfolgen von Langzeitbeatmung und schweren Lungen/Organ/Neurologischen Schäden bleiben aber ein Thema, das bisher noch zu wenig in der Öffentlichkeit behandelt wird.
Zu guter Letzt…. Mein nächster Urlaub ist erst im August. Ich gehe davon aus, dass ein paar Lockerungen wieder zurückgenommen werden müssen. Vielleicht checkt man ja, dass grundsätzliche Maßnahmen wie Maskenpflicht für mehr Sicherheit sorgen und eher dazu verleiten, einen Urlaub anzutragen als mit erhöhter Sorglosigkeit und dem Gefühl, sich nirgends sicher bewegen zu können. Ich trage meine Masken weiterhin, öfter als Einziger im Geschäft, aber aus gutem Grund. Und ich denke, es werden wieder mehr, wenn die Infektionszahlen weiter steigen.
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