
Bundeskanzler Kurz verkündete am 13. Juni das Ende der Pandemie und lockerte am 15. Juni die Maskenpflicht weitreichend. Ebenso wurden Zusammenkünfte erleichtert, im Juli dann – folgenschwer – auch für geschlossene Gesellschaften, die für Superspreading Events prädestiniert sind. Davon wissen wir seit spätestens Mitte Juni, eher früher. Masken wirken, auch wenn das bis heute Scheinexperten abstreiten, sie wirken als Fremd- und Solidaritätsschutz, aber auch als Eigenschutz, indem sie die aufgenommene Viruslast verringern und dadurch einen schwächeren Krankheitsverlauf ermöglichen. Auch Kinder wollen lieber Maske als Lockdown, werden aber nicht gefragt. Masken haben aber auch eine psychologisch beabsichtigte Wirkung – sie zeigen, dass die Pandemie nicht vorbei ist, dass wir aufpassen müssen, weil das Virus keine Pause macht. Mit der Aufhebung der Maskenpflicht wurde signalisiert: Die Gefahr ist vorbei. Die vorübergehende Stabilisierung im Juli fiel in die Zeit strenger Maskenpflicht in Oberösterreich. Ab Ende August wurde die Maskenpflicht wieder dem bundesweit lockerem Niveau angepasst. Kurze Zeit später war Schulbeginn und in zwei Schüben kamen markante Kaltlufteinbrüche, die österreichweit Outdooraktivitäten ins Innere verlagerten. Es war auch der Beginn der Zeit, als die Ordinationshilfe das geöffnete Fenster im Wartezimmer mit den Worten “Um Himmels willen, nicht verkühlen!” schloss. Die Aufzählung hier ist natürlich unvollständig, zeigt aber einen Bruchteil der gemachten Fehler, von der unterschätzten Rolle der Kinder in den Schulen bis hin zur fehlenden Aufklärung über Aerosolübertragung durch die AGES. Dazu kommunikative Fehler noch und nöcher. Auch der neue Verordnungstext, der ab Dienstag, 17.11., 0 Uhr, gilt, sorgt für die genau gleichen Diskussionen, was man alles darf und was nicht.
Was ist erlaubt, was ist jetzt vernünftig?

Ich nehme jetzt einmal an, dass es vielen Bloglesern so geht wie mir: Wir halten uns seit acht Monaten so gut es geht an die wichtigsten Regeln: Abstand, Maske, Hände waschen und lüften. Wir treffen seit Monaten höchstens einzelne Personen in unsere Freizeit, noch dazu überwiegend draußen. Wir haben unsere festen Bezugspersonen, zu denen wir einen engen Kontakt pflegen. Wir meiden Menschenansammlungen und probieren ein paar Käsescheiben aus, selbst wenn sie hauchdünn sind, etwa Nasen- und Rachensprays, Vitamin-D-Supplementierung oder Grippeimpfung, oder FFP2-Masken statt einfache Stoffmasken. Wir besuchen unsere Eltern oder Großeltern (falls sie noch leben) kaum oder gar nicht (in meinem Fall, weil zu weite Anfahrt öffentlich). Wir machen keine großen Urlaube, sondern halten uns vorwiegend im Dunstkreis unseres Wohnorts aus. Im Sommer und Herbst waren wir immer draußen essen und haben uns lieber in eine Decke eingehüllt, wenn es kalt wurde. Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen, durch uns sind keine Superspreadingevents entstanden. Höchstens in der Arbeit konnten wir uns nicht so schützen wie erhofft, speziell, wenn keine Möglichkeit zum Homeoffice bestand. Als Dankeschön für monatelange Einschränkungen, die übrigens mit der gerne zitierten Eigenverantwortung einherging – ich trug auch im Sommer weiterhin Maske im Supermarkt, mied Indoor-Gastronomie und Konzerte, als sie längst wieder erlaubt waren, und verzichtete auf Urlaubsreisen, sitzen wir jetzt wieder im Lockdown und müssen uns wieder einschränken.
Dieses Mal sorgen zumindest drei Punkte für eine deutliche Erleichterung für Menschen wie mich, die alleine leben, keine Angehörigen in der Nähe haben und zudem kein Auto besitzen. Im Gegensatz zum ersten Lockdown darf man die öffentlichen Verkehrsmittel auch benutzen, um Sport zu treiben. Die körperliche und psychische Erholung ist dezidiert genannt und zu den notwendigen Grundbedürfnissen des Lebens zählen auch Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben.
3. Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, wie insbesondere
a) der Kontakt mit
aa) dem nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartner,
bb) einzelnen engsten Angehörigen,
cc) einzelnen wichtigen Bezugspersonen, mit denen in der Regel mehrmals wöchentlich Kontakt gepflegt wird,5. .Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung
Quelle: Verordnung für den zweiten Lockdown
Die juristische Streitfrage, an der sich jetzt viele stoßen, ist die Definition der wichtigen Bezugsperson. Der Zusatz physisch wurde aus dem Entwurf gestrichen, er wäre auch gesetzeswidrig gewesen. Das wäre auch besonders hinterhältig, wenn ausgerechnet jene, die sich seit Monaten einschränken und ihre wichtigen Bezugspersonen nur alle paar Wochen sehen, jetzt auf sie verzichten müssten, weil sie sie nicht mehrmals die Woche gesehen haben. Eingeschränkt wird die Regel durch die beispielhafte Aufzählung wie insbesondere und durch in der Regel, denn es gibt auch Ausnahmen von der Regel. Innenminister Nehammer hat heute früh im Ö1-Morgenjournal auf die wiederholte Nachfrage von Katja Arthofer klargestellt, dass die Polizei mit Augenmaß vorgehen wird, es gehe vor allem im größere Zusammenkünfte. Wir werden also hoffentlich nicht mehr erleben, dass Freunde gegenüber der Polizei glaubhaft machen müssen, dass sie enge Bezugspersonen sind, oder Menschen dafür abgestraft werden, weil sie auf einer Parkbank sitzen und eine Gruppe Menschen zu dicht an ihnen vorbei läuft. Der berühmte Meter Abstand hat natürlich auch wieder Eingang in die Verordnung gefunden, auch wenn damit das Thema Aerosole schon wieder ausgeblendet wird.
Ich glaube, es ist jetzt ganz wichtig, dass man sich nicht (erneut) von dem Verordnungstext verunsichern lässt, gerade für psychisch labile, depressive Menschen mit Angsterkrankungen. Vorsichtig sein, wie vorher auch, aber die Seelenmenschen, die man zum Überleben braucht, die darf und muss auch weiterhin sehen können. Ich trage z.b. außer Haus durchgehend FFP2-Maske, um das Risiko weiter zu minimieren und trage es nahezu durchgehend in der Arbeit, bis auf Essen und Trinken. Die freien Tage sollte man ausnutzen, um so oft wie möglich draußen zu sein, Bewegung, frische Luft und Sonnenschein sind wichtiger denn je – insbesondere auch Psychohygiene von Social Media und der Nachrichtenflut mit ständigen Veränderungen.
Was nicht sinnvoll ist
Für all jene, die die Pandemie immer noch nicht ernst nehmen: Der Appell an die Eigenverantwortung ist gescheitert. Hier helfen nur noch drastische Bilder und Worte – aus Tirol, aus Oberösterreich, aus Wien, aus Innsbruck und von Gesundheitspersonal aus Spitälern in ganz Österreich.



Worauf ist jetzt zu achten?
Auf dieselben Regeln wie vorher auch:
Avoid Crowding, Indoors, low Ventilation, Close proximity, long Duration,
Unmasked, Talking/singing/ Yelling (A CIVIC DUTY)


Naturgemäß wird sich das im zweiten Lockdown auf wenige Situationen beschränken, wo das Infektionsrisiko deutlich ansteigt. In Schulen und Betreuungssituationen, am Arbeitsplatz, in essentiellen Geschäften und in öffentlichen Verkehrsmitteln. Das ist alles. We know the drill! Und zwar schon seit einigen Monaten und man muss sich fragen, warum es soweit kommen musste wie jetzt? Aber ja – die Ursachen vielschichtig.
Long Covid – von der Regierung, ihren Scheinberatern und von Journalisten weitgehend ignoriert
Zuletzt der regelmäßige Hinweis, dass zwischen genesen und Tod noch LongCovid als Langzeitfolge einer Corona-Infektion droht, was sehr wohl auch junge Menschen betrifft:
- Townsend et al., Persistent fatigue following SARS-CoV-2 infection is common and independent of severity of inital infection (09.11.)
- Counting Longcovid in Children (16.10.)
- Dennis et al., Multi-organ impairment in low-risk individuals with long COVID (16.10.)
- Post-Covid-Syndrom: Die Spätfolgen einer Corona-Erkrankung – Interview mit Dr. Michael Stingl, Neurologe in Wien (18.09.)
- Luisa (22) hatte Corona, ohne es zu wissen – jetzt kann sie nur noch mit Rollator gehen (11.09.)
- Nisreen A. Alwan: A negative COVID-19 test does not mean recovery (11.08.)
- Schweiz: Jeder zehnte COVID-positive Rekrut verliert mehr als 10% seiner Lungenkapazität, bei symptomatisch Infizierten sogar jeder fünfte (10.09.)
- Jana ist 27 und erkrankte an Covid-19. Dann verlor sie zwei Sinne. (28.07.)
- Jung, sportlich, Corona-Patient: Florian muss nun wieder laufen lernen (20.07.)
- I can’t shake Covid-19: Warnings from young survivors still suffering (19.07.)
Das macht Angst, stimmts? Und das sollte es auch! Panik ist unangebracht, denn Panik schaltet den Verstand aus. Aber wenn wir alle ein wenig mehr Angst und vor allem Respekt vor dem Virus hätten, würden sich viele nicht so verhalten, als ob ihnen ihre Mitmenschen egal wären. Dann könnten wir die Fallzahlen niedrig halten und somit allen, nicht nur den Älteren, Vorerkrankten, sondern allen für das Virus empfänglichen Menschen ein Leben mit geringerem Infektionsrisiko verschaffen. Dann können wir wieder häufiger würfeln, ohne Gefahr zu laufen, einen Infizierten zu treffen. Aktuell sind auch die sinkenden Infektionszahlen der vergangen Tage keine Entwarnung: Es werden weniger Kontaktpersonen getestet, deutlich weniger symptomfreie Verdachtsfälle und Kinder, die das Virus mehrheitlich symptomfrei übertragen – und die Aufklärungsquote beträgt nur ca. 27%. Ohne funktionierendes Contact Tracing gibt es keine Entwarnung, sondern nur eine riesige Dunkelziffer. Deswegen gleicht das Würfeln derzeit eher einem Russisch Roulette, was mir persönlich wesentlich mehr Angst macht als der Lockdown oder die schwierige wirtschaftliche Lage. Ich möchte das Gackvirus nicht kriegen. Niemals.