
Ich weiß nicht, wie ich die aktuellen Geschehnisse noch kommentieren soll, ohne ausfällig zu werden. Da kommt man gerade von einem schönen Ausflug (Schneeschuhwanderung) zurück und muss in den Nachrichten lesen, dass die Regierung im Februar den britischen/dänischen Kurs einschlägt. Nicht perfekte, aber noch wirksame Maßnahmen werden pünktlich mit Semesterbeginn fallen gelassen, obwohl der Höhepunkt der OMICRON-Welle (BA.1) noch nicht absehbar ist und selbst Mitglieder GECKO-Taskforce (Niki Popper) zugeben, dass durch die zunehmend dominante BA.2-Variante sich der Peak in ein Plateau oder eine weitere Welle verwandeln könnte.
In diesem Beitrag möchte ich zunächst in Teil 1 auf den Wahnsinn der Regierung eingehen – Schwerpunkt wird im Teil 2 der Umgang von den Mitmenschen mit Menschen sein, die das Virus ernstnehmen und sich und andere weiterhin nicht anstecken wollen, und dafür seit bald Jahren herben Gegenwind ernten. Ihre Sorgen und Ängste werden heruntergespielt, mit Strohmann-Argumenten (“Willst Du uns ewig einsperren?”, “Die Kinder haben schon genug gelitten”) auf eine unsachliche Ebene überführt, auf deren Basis kein Austausch auf Augenhöhe mehr möglich ist. Ich habe es so satt – und mit den neuen Lockerungsverkündigungen wird es immer schwieriger.
Vorab: Pandemiemanagement sollte frei von Parteipolitik sein, ist es aber nicht. Ich beschäftige mich aber schwerpunktmäßig mit den wissenschaftlichen Aspekten, bin nicht für alles zuständig bzw. nicht kompetent genug für Innenpolitik. Nur: Der Zeitpunkt von Landtagswahlen, innenpolitische Skandale, Ferienbeginn, Tourismus und Wintersportwettbewerbe bestimmen wesentlich die gesetzten (oder gelockerten) Maßnahmen in Österreich. Man kann das nicht trennen.
Ewiger Kreislauf der Lernresistenz
Die aktuellen Bestrebungen, inmitten der fünften Welle zu lockern, erinnern an die vergangene Wellen.

Schauen wir uns das mal für die einzelnen Wellen an:

[1] Mitte Juni 2020 erklärt Ex-Kanzler Kurz die Pandemie für überwunden und kündigt weitreichende Lockerungen ab Juli an, u.a. den weitgehenden Wegfall der Maskenpflicht und weitgehend normalisierter Tourismus, Gastronomie und Kultur/Eventbereich. Einzige Schutzmaßnahmen sind die auf falschen Annahmen (“Tröpfchen/Schmierinfektion”) basierenden Plexigläser, Face Shields und “einen Meter Abstand abhalten”
[2] Nach dem zweiten Lockdown Anfang/Mitte November 2020 fürchten die Händler und Wintersportorte um den so wichtigen Zeitraum vor Weihnachten. Anfang Dezember 2020 beschließt die Regierung trotz Höchststände auf den Intensivstationen erneute Lockerungen. Die Infektionszahlen sinken ab Weihnachten kaum noch und bleiben auf viel höherem Niveau als nach der ersten Welle (“Zero Covid”). Bereits im Jänner 2021 wurden Antigentests in Volksschulen eingeführt, von denen wir später erfuhren, dass sie wenig sensitiv (20%) Infektionen erkennen. Ex-AGES-Public-Hell-Chef Allerberger war das vor Einführung bekannt.
[3] Am 1. Februar 2021 wendet sich die Regierung von der zwischenzeitlich (17.01.21) vorgeschlagenen NoCovid-Strategie (“Zielnzidenz 50”) ab. Zu mächtig der Einfluss der Wirtschaftslobby und Great-Barrington-Advokaten. Wiens Bürgermeister Ludwig unisono mit Kurz: “Wir gehen ins Risiko!” Die Schulen öffnen nach den Semesterferien wieder. Die Quittung folgt mit dem “Oster-Lockdown”.
[4] Bereits Anfang April “stellt Kurz Lockerungen ab Mai in Aussicht”, die am 23. April dann beschlossen werden.
[5] Anfang Juli 2021 werden die Lockerungen nochmals erweitert. Wieder fällt die Maskenpflicht, bzw. FFP2-Maskenpflicht an vielen Orten. Aus zwei Meter Abstand werden wieder ein Meter. Die Impfkampagne wird vom Roten Kreuz ans Bundeskanzleramt übergeben, aber stirbt dort den Schubladentod. DELTA war zu diesem Zeitpunkt schon bekannt, ebenso, dass es den Impfschutz effektiver umgeht als ALPHA und eine dritte Impfung nötig sein würde.
[6] Nach Lockdown Nr.4 durch DELTA und zwischenzeitlichen Lockerungen über Weihnachten und Silvester stiegen die Fallzahlen mit DELTA und OMICRON wieder. Früh zeigt sich, dass OMICRON auch bei Dreifachgeimpften den Schutz vor Infektion nahezu halbiert. Bevölkerungsimmunität und Demographie von Südafrika sind nicht mit Österreich vergleichbar – der frühe Peak in Südafrika hing mit geschlossenen Schulen und Abflug tausender Wanderarbeiter und Touristen zusammen. Vergleichen kann man Österreich auch nicht mit UK oder Dänemark. BA.2 wird währenddessen über BA.1 dominant und lässt die Welle in Dänemark weiter stark ansteigen. Trotzdem kündigt die Regierung Lockerungen an und lässt ausgerechnet jene Maßnahmen fallen, die zumindest teilweise noch Wirkung hatten.
Es war bekannt, dass 2G bei OMICRON nicht mehr so wirksam sein würde. Statt zu verschärfen, wird die Regel aufgegeben. Future Operations Experten betonten im Jänner 2022 die Wichtigkeit der FFP2-Maske in Schulen “Wo immer möglich, sollten diese zum Einsatz kommen” – die Regierung kündigt den Wegfall der FFP2-Masken an. Die GECKO-Kommission stellt in ihrem Bericht vom 28.01.22 fest:
“Die Veranstaltung von „Coronaparties“ mit dem absichtlichen Ziel der Herbeiführung einer Infektion stellt ein strafrechtlich verfolgbares Delikt dar.”
Kindergärten und Schulen sind nicht im Zuständigkeitsbereich der GECKO-Kommission, sondern Aufgabe des Bildungsministeriums. Gibt es hier ein Maulkorbverbot für GECKO-Mitglieder? Dürfen sie nicht davor warnen, dass die vom Bildungs- und Gesundheitsministeriums zugelassenen “Masseninfektionen” in Kindergärten und Schulen fahrlässig, schädlich und eigentlich strafrechtlich verfolgbar sind? Was GECKO im Bericht für Erwachsene mit durchgemachter Infektion beschreibt, gilt genauso für Kinder! Von Expertinnen und Experten in Deutschland gibt es hinsichtlich Infektionsschutz und psychosoziale Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen eine klare, interdisziplinäre Stellungnahme.
Wie gesagt – man lernt es nicht. Kaum sinken die Hospitalisierungsraten ab, schreien alle nach Öffnungen. Kaum ist die Belastung auf den Intensivstationen durch COVID (!) nicht mehr so hoch, verlagert sich der Fokus auf die Normalbettenbelegung (die derzeit steigt). Vergessen wird die aktuelle Überlastung durch infiziertes und erkranktes Personal, und die nachgeholten OPs vom Herbst und Winter 2021. Warum begehen alle immer wieder denselben Fehler? Warum sind sie nicht imstande, zwei Wochen in die Zukunft zu blicken?
Leerdenker und Verharmloser werden bestätigt
Die immer radikaler auftretenden Covidleugner und Impfgegner, die längst nicht mehr verbal aufrüsten, sondern bereits Journalisten tätlich angreifen, bei Impfärzten das Auto sabotieren und damit deren Tod in Kauf nehmen (Mordanschlag), die Gesundheitspersonal bedrohen oder nachstellen, sich vor Spitälern versammeln oder vor Kinderhorten, jedes Wochenende zu zehntausenden durch Wien marschieren – die werden jetzt belohnt: Ab 19. Februar endet 2G in der Gastro und im Tourimus, dann gilt wieder 3G. Wir alle wissen, dass etliche gefälschte Impf- und Testzertifikate im Umlauf sind. Die Impfpflicht gilt nicht am Arbeitsplatz, auch dort gilt 3G. Wer sich seine Zertifikate also fälschen kann, hat nichts zu befürchten.
Auch Verharmloser bei Kindern werden bestätigt: Die Schulen und Kindergärten bleiben offen. NEOS-Bildungssprecher Wiederkehr, Wien, behauptet ernsthaft, dass man weiter auf Schutz durch PCR-Tests setzt. Bei den hohen Infektionszahlen holen sich die ungeimpften Kinder die Infektion entweder über die Schulen, im Kindergarten oder über ihre Eltern. Die Impfpflicht gilt erst ab 18 – auch das suggeriert, dass es die Impfung für Kinder in Wahrheit gar nicht braucht. Schwurbeleltern sind fein raus. Und welche aufgeklärten Kinder trauen sich wirklich, sich gegen ihre Eltern zu stellen?
Wer inmitten der OMICRON-Welle nicht mit der Wimper zuckt, wenn die Infektionszahlen täglich auf Rekordniveau liegen und so argumentiert:
“Omicron bedeutet einen Paradigmenwechsel in dieser Pandemie. Omikron ist zwar ansteckender & bringt somit täglich neue Infektionszahlen in Rekordhöhe. Aber im Gegensatz zu bisherigen Varianten droht aktuell keine unmittelbare Überlastung d. Intensivstationen.” (Gesundheitsminister Mückstein, Twitter, 29.01.22, 11.42)
Stand 30.01.22: 1448 Hospitalisierungen (+46), Intensiv 177 (+6), Todesfälle (Woche) +100
,der übersieht, dass es mehr gibt als nur das “Recht auf ein freies Intensivbett”. Es war ein Fehler, das als oberstes Ziel ins Epidemiegesetz zu schreiben. LongCOVID, Burnout von Gesundheitspersonal, Kollateralschäden durch ständig verschobene OPs, Tumoruntersuchungen, langfristige volkswirtschaftliche Schäden, etc. kommen hier nicht vor.
Das ist so ungefähr die Ausgangslage in Österreich, wenn man so will, die Diskussionsgrundlage im täglichen Konflikt mit Freunden, Bekannten, Familie, Arbeitskollegen. Die Basis ist ein Regelwerk, was – aus der Erfahrung von fünf Wellen – rund 14000 Tote und hunderttausende Langzeitgeschädigte nicht verhindert hat.
Danke für Ihre Arbeit. Die Regierung hat es geschafft, mich zu einem Zeitpunkt, wo man sich das Pandemiemanagement schon kaum noch dilettantischer hätte vorstellen können, abermals maßlos zu enttäuschen. Falscher könnte man die Signale gar nicht aussenden. Ein Impfskeptiker in meinem Bekanntenkreis, bei dem ich immer noch Hoffnung hatte, ihn zur Impfung zu bewegen, gestern zu mir: “Wenn’s wahr ist, bin ich ab 19.Februar wieder ein “vollständiger Mitbürger”.
Ich, naiv: “Bekommst Du dann vielleicht Deinen zweiten Stich?”
Er: “Ach wo, dann kann ich endlich wieder ungeimpft in die Gastro und Schifahren.”
Ich: “Und die Impfpflicht?”
Er: “Haha, die beeinspruchen wir dann.”
Besser könnte man den Titel Ihres Blogbeitrags kaum illustrieren.
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Heute habe ich diesen Artikel gelesen, den ich Dir ans Herz legen kann: https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/wien-politik/2135905-Ein-Spital-in-Zeiten-von-Covid-19.html
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