
Quelle: Dr. John Campbell, der sich auf das folgende Paper beruft: https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2763852
Ich hab eine neue Routine gefunden, die darin besteht, die meist täglichen Updates von Prof. Hendrick Streeck und Dr. Christian Drosten (beides Virologen) sowie von Dr. John Campbell (Krankenschwester-Ausbilder, pensioniert) anzuhören und zusammenzufassen. Deren Erläuterungen und Bezüge auf wissenschaftliche Artikel widersprechen sich mitunter und das ist gut so. Ein bis vor wenigen Monaten unbekanntes Virus kann nicht ausschließlich unisono Aussagen hervorbringen, das wäre beunruhigend. Der Screenshot im Teaser stammt aus dem letzten Youtube-Update von Campbell.
Wie lange große Tröpfchen mit signifikanter Viruslast (und das ist noch ungeklärt, wie viel Virus es braucht, um einen Menschen zu infizieren) in der Luft bestehen bleiben können, hängt von den Umgebungsbedingungen ab: Temperatur, relative Luftfeuchte und Wind. Grundsätzlich gilt: Je mehr Frischluftzufuhr (große Raumluftumwälzer, geöffnete Fenster, outdoor), desto stärker verdünnt sich die Tröpfchenwolke. Je heißer und trockener, desto rascher verdunsten die Tröpfchen. Die Hoffnung besteht ja darin, dass es in der warmen Jahreszeit zu einer Verlangsamung der Ausbreitung kommt. Dem gegenüber gestellt wird oft, dass es auch in heißen Ländern zu einer Verbreitung kommt, aber ich frage mich, ob da nicht kulturelle und Platzgründe eine größere Rolle spielen, etwa in Spanien oder Lateinamerika mit generell engerem Kontakt zwischen den Menschen, oder in Afrika mit beengten Wohnverhältnissen und größeren Menschenansammlungen. Die aktuellen Wetterverhältnisse in Mitteleuropa, mit Temperaturen über 20 Grad und einer Luftfeuchte von teils unter 20%, in Wien mit lebhaftem Südostwind verbunden, würden ein gutes Freiluftlabor simulieren, um festzustellen, wie rasch die Viruslast in der Luft verdünnt wird, wenn jemand spricht, hustet oder niest.
Aus der obigen Abbildung lässt sich ableiten, dass der “Meter Abstand” in Österreich klar zu wenig ist, jedenfalls in geschlossenen Räumen (Laborbedingungen!). Zwei Meter sind Minimum. Ohne Maske. Alles, was darüber hinausgeht, lässt sich zum Glück durch Masken abfangen. Und man kann es nur zum hundertsten Mal betonen: Es geht darum, andere nicht mit seiner potentiell viralen Spucke anzustecken!
Die Ruhe vor dem Sturm
Der ausgerollte Master-Fahrplan der Regierung, nach Ostern die Maßnahmen schrittweise zu lockern, lässt leider eine fundierte und für die Öffentlichkeit transparente Datengrundlage vermissen. Die Kritik kommt von führenden Experten. Das führt zu sehr zurückhaltendem Optimismus von mir, dass sich das wirklich so durchziehen lässt.
Ein Grund dafür ist auch die verfehlte Maßnahmenpolitik der Regierung, Menschen regelrecht zu kriminalisieren, weil sie sich (länger) draußen aufhalten. Abstand halten, es geht einzig und alleine um Abstand halten. “Staythefuckhome” suggeriert, das Virus würde sich “draußen” verbreiten, aber tatsächlich verbreitet es sich nur von Mensch zu Mensch. Solange man von anderen Menschen Abstand hält und unvermeidbare engere Kontakte zeitlich unter 10min beschränkt, und in geschlossenen Räumen Masken trägt, kann sich das Virus nicht weiter verbreiten. Unter der Prämisse sollte nicht gemahnt werden, “nur das Haus zu verlassen, wenn es unbedingt nötig ist”, sondern dazu ermutigt werden, “sich ins Freie zu begeben, in die Sonne, sich zu bewegen”, natürlich alles mit Maß und Ziel, also keine körperliche Überlastung und keine Risikosportarten (für ungeübte Radfahrer kann schon das zum Risiko werden). Nicht nur für Fußgänger, sondern auch für Radfahrer sollte man Straßen und Fahrspuren sperren, um das Unfallrisiko zu senken und das Abstand halten zu erleichtern.
In einem fundierten Artikel von Zeynep Tufekci mit dem Titel “Keep the parks open!” wird deutlich, dass die Lehren aus der Spanischen Grippe nicht waren, alle Menschen zuhause einzuschließen, sondern das genaue Gegenteil! Frischluft-Lazarette halfen bei der Heilung von Tuberkulose und jene Arbeiter, die ausschließlich im Freien arbeiteten, schienen immun gegen die Krankheit.
“In 1919, Hill wrote in the British Medical Journal that the best way to combat influenza infection was deep breathing of cool air and sleeping in the open”
“There is evidence that heart attack victims stand a better chance of recovery if they are in sunlit wards.51 Depressed psychiatric patients fare better if they get some sun while hospitalized, as do premature babies with jaundice.52–55 In one study, patients in hospital wards exposed to an increased intensity of sunlight experienced less perceived stress and less pain and took 22% less analgesic medication per hour.“
Nachdem die Staatsgrenzen auf unabsehbare Zeiten dicht bleiben, kann die zweite Welle bei uns nicht durch importierte Covid19-Fälle zustandekommen wie es derzeit in Asien der Fall ist. Sie kann aber relativ rasch kommen durch den befürchteten Rebound-Effekt mit der Lockerung der Maßnahmen. Der mutmaßliche Plan der Regierung ist nicht, alle Tote zu verhindern, während Menschen weiterhin an Unfällen, Herzinfarkten, Schlaganfällen oder Krebs sterben, sondern eine kontrollierte Durchseuchung der Bevölkerung. Die mutmaßlichen Zahlen von Stichproben deuten darauf hin, dass erst 1% der Bevölkerung infiziert ist, mit einem deutlichen West-Ost bzw. Nord-Süd-Gefälle.
Die Posse um die Bundesgärten könnte den Rebound-Effekt verstärken, quasi eine self-fulling prophecy nach dann vier Wochen Sperre.
“If completely kept indoors with no outlet for a long time, the public may be tempted to start fully ignoring the distancing rules at the first sign of lower infection rates, like an extreme dieter who binges at a lavish open buffet.”
In dem Fall umgeschlagen auf die Öffnung der Bundesgärten: Ein regelrechter Run und erst Recht Ansammlung von Menschenmassen statt von Beginn an Kontrolle, sodass sich die Menschen besser verteilt hätten auf die ganze Stadt und ihre Grünflächen. Und auch, wenn im Erlass explizit von keiner Zeitbeschränkung der Aktivitäten im Freien die Rede ist, betonten die Minister doch gebetsmühlenartig, man solle Zuhause bleiben, nur einen kurzen Spaziergang machen, kurze Radfahrten, und keinesfalls den ganzen Tag draußen bleiben, weil das keine Vorbildwirkung hätte für andere, sodass am Ende jeder hinausginge. Vorhin hatte ich die Ehre, dass mir der Gesundheitsminister auf einen Tweet antwortete, wo ich den Artikel von Zeynep Tufekci verlinkte, mit einem wörtlichen Zitat des Erlass, dass man ins Freie gehen darf, alleine oder mit der Person des Haushalts, unter Wahrung des Abstands, ja eh, aber im Erlass fehlt der Subtext, den die vier Weisen vom Abendland (Kurz, Nehammer, Kogler, Anschober) seit Beginn an mitliefern: Geht nur kurz raus, bleibt den ganzen Tag drin!
Die Indizien mehren sich, dass die Hauptübertragungswege nicht über Outdooraktivitäten erfolgen, sondern über den Arbeitsplatz und den Haushalt, ja nicht einmal beim Einkaufen (Raumluftumwälzung) oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln (häufige Frischluftzufuhr durch sich öffnende Einstiegstüren), sondern vorwiegend da, wo man sich längere Zeit bei schlechter Belüftung in der Nähe von Menschen aufhält.
“The efficacy of open air treatment has been absolutely proven, and one has only to try it to discover its value.
Coincidentally, in 1918 a British soldier, Patrick Collins, reached a similar conclusion. When Collins developed the first signs of influenza, he dragged himself and his tent up a hill away from his regiment. There he sweated, shivered, and was delirious for several days, sustained only by his rum ration. He was one of the few survivors of his regiment.”
(S.18-19 des 2009er Papers)
“However, more might be gained by introducing high levels of natural ventilation or, indeed, by encouraging the public to spend as much time outdoors as possible.” (S.22)
Der aktuelle Stand ist, dass ein so geringer Prozentsatz der Bevölkerung durchseucht ist, dass wir Jahre brauchen werden, um ihn bis auf die erforderlichen 60-70% der Herdenimmunität zu erhöhen. Das lässt sich mit langen Phasen weiteren Lockdowns nicht durchhalten. Von Mai bis August kommen die klimaerwärmungsbedingt verschärften Hitzewellen dazu, das trifft wieder die ärmste Bevölkerungsgruppe am stärksten, die in den beengten Wohnungen ohne ausreichenden Grünflächenanteil in der Nähe, also jene Klientel, die durch die ÖVP nicht vertreten wird. Der Landadel ist und bleibt begünstigt, bei allen Maßnahmen, welcome back in the 18th century! Deswegen kann es auf Dauer NUR funktionieren, wenn auch die Sturschädeln bei der ÖVP anerkennen, dass sich die gesetzten Maßnahmen am Land und in der Stadt anders auswirken – Städte, noch dazu ohne öffentliche Mobilität – sind zwangsläufig im Nachteil.
Die Pandemie betrifft aber alle Menschen im Land und von einer Regierung erwarte ich, dass sie alle Menschen im Land berücksichtigt und unterstützt, nicht nur die Österreicher, nicht nur die Unternehmer und nicht nur die Priviligierten.
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