Tag 52, 02. Mai 2020 – ein vorläufiger Schlussstrich

Keine Sorge, ich blogge weiter, aber nicht mehr täglich, sondern wieder unregelmäßiger, vielleicht mehrmals am Tag, dafür tagelang nicht. Aber nachdem die Folgen der Pandemie nicht so schnell vorübergehen würden, muss ich meine Ressourcen besser einteilen. Zudem hab ich die letzten Tage zunehmenden Unwillen gehabt, mir die medizinischen Podcasts reinzuhauen. Der Hickhack um vielversprechende Medikamenten-Studien, die später wieder zurückgenommen oder zerpflückt werden, zeigt auch, dass hier echte Expertise verlangt wird, deren Seriösität zu beurteilen. In Retroperspektive finde ich es trotzdem interessant, wie sich alles entwickelt wird. So ein Archiv ist da durchaus praktisch.

Österreich hat sich für mich leider entzaubert. Ich lebe hier seit September 2004. Nicht nur einmal dachte ich darüber nach, mich einbürgern zu lassen, fragte nach wegen den formalen Anforderungen, wäre bereit gewesen, die tausend Euro dafür zu zahlen, für ein so simples und doch so wichtiges Recht wie das Wahlrecht. Mir ist wohl bewusst, dass es in anderen Ländern nicht unbedingt besser ist als hier, aber ich lebe dort nicht und kann nur meine Erfahrungen, Empfindungen und Gefühle für mein Leben hier wiedergeben.

Vorab – ich hab nicht alle Themen abgedeckt in dieser kritischen Analyse. Das weitreichende Feld der Kommunikation von Maßnahmen, die fehlenden wissenschaftlichen Daten für Forscher und Analysten und die psychischen Folgen habe ich ausgeklammert bzw. nur teilweise angerissen.

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Tag 49: Wo stehen wir jetzt?

8Wer denkt, ich könnte einmal einen Tag aussetzen mit Romane schreiben, irrt. Ich hab für heute mehrere Punkte auf der Agenda. Ich habe auch die Menüstruktur weiter unterteilt, damit nicht zu viele Links auf einer Seite landen.

Zuerst eine Wuchtel, die mir heute Vormittag nach dem Aufwachen eingefallen ist:

Die Gefahr ist nicht die naive Grundimmunität, sondern die immune Grundnaivität.

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Tag 46: Relatives Leid, Hausverstand und Risiko beim Sport

landschaft

Die Idylle einer Landschaft genießen dürfen

Gestern Abend bin ich über diesen Kommentar gestolpert und habe mich darüber geärgert:

Für die, die keine kleinen Kinder haben, jene, die nicht vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, für die das alles nur ein wenig nervig ist, ist das wirklich keine so fürchterliche Herausforderung, dass man gleich die Nerven wegwerfen muss. […] Ich will niemandes subjektives Leid relativieren. […]

Zunächst das Totschlagargument “Wenn Du Kinder hättest ….”, mit der man jede Kritik im Keim ersticken kann und dann relativiert der Autor subjektives Leid sehr wohl und möchte gleichzeitig vorschreiben, wie man in der aktuellen Situation zu empfinden hat. Er spricht von manchen mit Existenzsorgen, sieht aber viele nur aus Bequemlichkeit jammern. Ja, die kann es geben, aber es gibt auch Gründe zu jammern, selbst wenn man keine kleinen Kinder hat oder nicht vor den Trümmern der Existenz steht. Hier geht es nicht einmal darum, dass man für ein paar Wochen auf die Alltagsroutinen verzichten muss, sondern es sieht – für jene unter uns mit mehr Weitsicht – nach einer unabsehbaren gravierenden Krise aus, die die ganze Welt erfasst hat, und je stärker die Maßnahmen gelockert werden, desto deutlicher wird das Ganze. Es ist völlig unklar, welche Branchen das auf Dauer überleben können, wie viel vom Kulturbereich einfach ausstirbt, da hängen nicht manche, sondern unzählige Existenzen daran. Es sind nicht manche, sondern viele, die psychisch unter der Situation leiden, die vorher schon gelitten haben und denen jetzt noch weniger Beachtung geschenkt wird, weil in der politischen Landschaft keiner auf das Thema Psychohygiene achtet. Letzendlich hängt übrigens an jeder Bequemlichkeit, die wir derzeit abgeben, ein Arbeitsplatz, der vorübergehend oder dauerhaft verloren geht. Das war eine ad hoc-Reaktion am Anfang, als man die Bilder aus Italien sah. “Na, besser daheim bleiben, wozu brauchen wir jetzt Konzerte und Theater?” Ja, WIR brauchen das nicht, aber die Mitbürgerinnen und Mitbürger, die davon leben, die brauchen die Einnahmen! Ich kann mir abseits der im Zitat genannten Situationen noch etliche vorstellen, bei denen man sehr wohl die Nerven wegschmeißt. Es steht auch einem Journalisten und Sachbuchautor nicht zu, für uns zu entscheiden, ab wann man die Nerven wegschmeißen darf.

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Tag 33: Ostermontag – ein Blick in die Zukunft

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Inzwischen ist ein Monat Lockdown in Österreich vergangen. Mein Leben wurde auf den Kopf gestellt. Innerhalb weniger Tage habe ich mich von all meinen Träumen verabschieden müssen, kurzfristig, mittelfristig und wohl auch langfristig. In meinem messerscharfen autistischen Realismus hatte ich schon geahnt, dass dieses Jahr nichts mehr so ablaufen wird wie ursprünglich erwartet. In einem Wutanfall hab ich meine geographische Österreichkarte von der Wand gerissen und entsorgt. Mein Bewegungsradius war innerhalb weniger Tage auf Wien geschrumpft, und wegen dem Öffinutzungsverbot auf wenige Kilometer außerhalb der Wohnung, die ich – untrainiert – mit dem Rad erreichen konnte. Ich hing alle Kalender ab und legte sie außer Reichweite aufs Regal, den Anblick von Urlaubsdestinationen ertrug ich nicht. Am Tag der Lockdownverkündigung war zudem meine Uhr stehen geblieben, ich wechselte erst zwei Tage später die Batterien aus. Die Uhrzeit schien auf einmal so sinnlos. Meinen Terminkalender hab ich auch entsorgt, gut, ausnahmsweise bereue ich das, denn da stand auch ein wichtiger Arzttermin darin, den ich gerade nicht mehr auffinden kann. Continue reading

Tag 26: Neue alte Erlässe, Maskenpflicht, Hochfahren ohne Reisefreiheit

Leute, es ist wirklich mühsam. Jeden Tag andere, oft widersprüchliche Informationen. Ich mag nimmer. Ignorieren geht auch nicht, weil sonst steht man vor dem Supermarkt und darf ohne Maske nicht hinein, obwohl die Maskenpflicht noch gar keine rechtliche Grundlage hat. Statt mal für ein paar Tage still zu halten, musste Kurz am Wochenende wieder große Interviews führen, um von einer verpflichtenden App zu sprechen, während das Rote Kreuz sagt, ihre App muss freiwillig bleiben. Sobotka ruderte zurück, die Grünen stellten klar, dass die App nicht verpflichtend sei. Gleichzeitig arbeitet die ÖVP an einer neuen App mit externer Überwachungssoftware und Bluetooth-Schlüsselanhängern Fußfesseln.

Über die psychosozialen Folgen spricht niemand – was passiert mit den Menschen, wenn sie tag und nacht das Handy bei sich haben müssen? Es könnte ja jederzeit eine Warnung kommen, dass man mit einem infizierten Menschen Kontakt hatte? Vor zwei Wochen hat der Kinderpsychiater Dr. Dierssen auf einen Blogtext von mir kommentiert, dass exzessives Vitalmonitoring (Überwachung der körperlichen Funktionen auf eine mögliche Infektion, z.b. Blutdruck, Fieber, Puls, etc…) kontraproduktiv sei, es würde zu erhöhter Anspannung und Ängsten führen. Was geschieht bei exzessiver Überwachung der Sozialkontakte eines Menschen? Ich habe aufgrund der bewiesenen Grundbösartigkeit der Regierung, vor allem des ÖVP-dominierten Anteils, ein Grundmisstrauen entwickelt.

Die Regierung versäumt es leider, beruhigende Signale im Hinblick auf die geltenden Grundrechte auszusenden:

  • Zurechtweisung der Polizei, die Verhältnismäßigkeit zu wahren
  • Menschen, die Abstände nicht einhalten, nicht als “Gefährder” mit Terroristen gleichzusetzen
  • Contact-Tracing darf nicht über die Hintertür verpflichtend werden

Einschub Pressekonferenz

  • Ausgangsbeschränkungen bis 1. Mai verlängert.
  • Ab 14. April können Geschäfte unter 400 m2, Bau- und Gartengeschäft öffnen
  • ab 1. Mai alle anderen Geschäfte, Einkaufszentren und Friseure öffnen.
  • ab 15. Mai sukzessive Restaurants und Hotels
  • Öffnung der Bundesgärten nach Ostern, mit Eingangskontrolle

Alles unter besonderen Sicherheitsauflagen.

  • Keine Veranstaltungen in ganz Österreich bis mindestens Ende Juni. Über Veranstaltungen im Sommer wird noch entschieden
  • Familienfeiern oder Ausflüge zu Ostern sind grundsätzlich untersagt. Schulen bleiben bis Mitte Mai geschlossen, die Matura wird stattfinden, Unis bleiben das ganze Semester zu.
  • Ab Ostermontag Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln und in allen Geschäften. Kurz spricht vom öffentlichen Raum (gewichtiger Unterschied), aber Anschober hat bekräftigt, dass damit Öffis und Geschäfte gemeint sind.
  • Zuwachsrate bei den Infektionen derzeit unter 2%, seit einer Woche einstellig (falls die Tests stimmen)
  • Rücknahme des Oster-Erlasses, weil Ausgangsbeschränkungen weiterhin gelten
  • Zu Reisefreiheit kommen gesonderte Informationen, erst mit Impfstoff, d.h. mindestens vor Herbst nicht im Ausland, im Binnenland wohl sehr eingeschränkt

Wenn es heißt, wir sitzen alle im gleichen Boot, stimmt das eben nicht. Bei manchen hat das Boot kein Ruder mehr, bei manchen fehlt die Luft, bei anderen dringt schon Wasser durch den Rumpf.

Update, 20.20: 

Ich war dann das erste Mal einkaufen, ohne Handschuhe, mit Stofftasche. Leider muss man jetzt im den kleinen BILLA-Supermarkt ums Eck einen Einkaufswagen benutzen. Damit steht man sich nur im Weg, kann nicht ausweichen und muss enger aneinandervorbei als ohne Wagen. Es war ein Spießrutenlauf. An der Kassa hab ich bar bezahlt, weil ich Trinkgeld geben wollte. Ich rundete auf, sie bedankte sich herzlich. Ich hab den Einkaufswagen zurückgeschoben und draußen meine Hände desinfiziert mit dem wenigen Desinfektionsmittel, was ich noch habe. Ideal ist das alles nicht. Das haben sich wieder hirnrissige Experten ausgedacht, die nur in Mega-Supermärkten einkaufen gehen.

Allerdings ist das auch ein Grundproblem der Regierungsarbeit. Es fehlen die Grundlagen. In einem der ORF-Reportagen wurde von einem Fachmann für Kommunikation gesagt, dass die Bevölkerung eher Maßnahmen befolgt, wenn sie eine Grund dafür sehen, warum sie es tun sollen. Es gibt bis dahin keine Studien aus Österreich, wo erhoben wurde, wie die Infektionsketten aussehen, ob Oberflächen kontaminiert sind in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Supermärkten. Jetzt müssen in öffentlichen Verkehrsmitteln und Supermärkten Masken getragen werden. Anders in Deutschland, da wird aktiv und transparent geforscht. Da finden sich erhellende Aussagen, die im Widerspruch zu den österr. Maßnahmen und vor allem ihrer polizeilich harter Durchsetzung stehen:

“Wir haben Viren auf Gegenständen oder Türklinken gefunden. Auch einmal im Toilettenwasser, wenn jemand Durchfall hatte. Es ist uns aber in keinem Fall gelungen, daraus intakte Viren anzuzüchten.”

“[…] bisher seien keine Infektionen beim Friseur, beim Busfahren oder beim Einkaufen nachgewiesen worden.”

“Es gab keine Übertragung im Restaurant, der Taxifahrer hat sich nicht infiziert und niemand in öffentlichen Verkehrsmitteln. Und das, obwohl diese Frau hochinfektiös gewesen zu sein scheint.”

ZEIT ONLINE: Sie haben sich aber noch aus anderen Gründen gegen eine strikte Ausgangssperre ausgesprochen. Warum?

Streeck: Ein Grund ist, dass wir gerade alles tun, was schlecht für unser Immunsystem ist. Wir hängen zu Hause rum und gehen nicht raus in die Sonne. Nur zu viert im Park auf einer Decke zu sitzen, ist schon verboten. Aber auch da schauen wir nicht auf die Fakten. Sars-CoV-2 ist eine Tröpfcheninfektion und keine, die über die Luft übertragen wird. Wären es Masern und wir hätten alle keinen Immunschutz, dann würde auch ich dazu raten, öffentliche Verkehrsmittel zu meiden. Auch bei Pocken würde ich mich anders verhalten.”

Stattdessen ist es bei uns verpönt, mit Bargeld zu zahlen, obwohl es gegenwärtig keine Belege dafür gibt, dass man sich darüber einem erhöhten Risiko, sich zu infizieren, aussetzt (jedenfalls nichts, was man nicht durch gründliches Händewaschen und sich nicht ins Gesicht fassen, verhindern könnte).

Die sehr umfangreiche FAQ des Sozialministeriums klärt viele Fragen, nur eine Frage fehlt dezidiert:

Wann darf man wieder uneingeschränkt (mit Mundschutz) öffentliche Verkehrsmittel benutzen?

Das betrifft immerhin etliche Wiener ohne Auto bzw. Führerschein. Mich.

Update, 21.15

Virologe Streeck: Anstreckung über die Luft extrem unwahrscheinlich

Eine ähnliche Studie wie in Heinsberg läuft derzeit auch in Bergamo. Problem aller Medikamente ist derzeit, dass es keine gesicherten Studien gibt – zu hohes Risiko von Nebenwirkungen/keiner Wirkung. Thema Maskenpflicht: Einschnitte ins tägliche Leben für unbestimmte Zeit, Einschränkung des Gesichts versus Bewegenfreiheit, müssen Juristen, Psychologen, Soziologen beurteilen. Thema Virenverbreitung in der Luft: COVID19 ist Tröpfcheninfektion (kleine Tröpfchen Sekret werden durch spucken, niesen, husten, feuchte Aussprache werden durch die Luft übertragen). Spucke fällt sofort runter, halten sich nicht lange in der Luft. Je kleiner, desto länger halten sie sich in der Luft, aber je kleiner, desto weniger Virenpartikel sind darin, die ab einer bestimmten Menge nicht mehr ausreichen, um einen Menschen zu infizieren. Frage ist, wie nah muss man an einem Menschen sein, damit noch genug Virenpartikel in der Luft sind, um sich zu infizieren. Nahezu keine Gefahr ab Abstand von 1,5m-2m. Nicht wahrscheinlich, dass man sich im Raum mit anderen infizierten Personen infizieren kann, aber nicht ausgeschlossen, dass es passieren kann.

Virologe Drosten: Neue Argumente für Maskenschutz, keine Flächendesinfektion im Haushalt nötig

Generelle Maskenpflicht ad hoc ist komplex, rein logistisch, kulturell nicht verankert und eingeübt. Kaum wissenschaftliche Evidenz dafür, dass Selbstschutz durch einfache Masken funktioniert. Medizinische Masken erfordern medizinische Voruntersuchung, um sie tragen zu dürfen, z.b. Lungenfunktionstests. Einfache OP-Masken, die man sich selbst nähen kann. Es gibt Anfangsevidenzen für den Fremdschutz, aber: Jeder muss die Masken tragen. Zwei interessante Arbeiten:

Nature Medicine – was gibt eine infizierte Person von sich in der ausgeatmeten Luft? Patient hat einfachen Mund-Nasen-Schutz aufgesetzt bekommen, andere Gruppe ohne Maske. 17 Personen hatten normale Corona-Erkältungsviren (eher obere Atemwege), 43 hatten Influenza und 54 Rhinoviren (Schnupfen), alles junge und mittelalte Erwachsene. 30min lang wurde Absaugvorrichtung vor der Person aufgebaut, Atemluft und Hustenluft wird gesammelt und im Labor getestet. Große Tropfen sind Teil der Tröpfcheninfektion, fällt im Radius von 1,5-2m zu Boden. Aerosole (Partikelgröße unter 1-5 Mikrometer) trocknen aus, werden kleiner und schweben länger, das Virus trocknet aber auch irgendwann aus. [Bei der Studie mit 3 Std. Beständigkeit in der Luft spezielle Laborsituation] Ergebnisse eindeutig: 11 Patienten mit Coronaviren mit Maske wiesen keine Virenpartikel über die gesamten 30min auf, in der anderen Gruppe ohne Maske waren es 10 Patienten, mit nachweisbarem Virus.

Studie aus Singapur, im Pre-Print, kleinere Studie, aber mit Covid19. Bei 2 Patienten mit viel Virus in den oberen Atemwegen konnte man Virenpartikel in der Raumluft nachweisen. Kleintröpfiger Bereich in trockener Raumluft – Tröpfchen stehen in der Raumluft, sind noch eine gewisse Zeit infektiös. außer in Räumen mit technischer Raumluftumwalzungen (viele Supermärkte haben das!) mit erheblicher Austauschrate. Bei Luftübertragung (“airborne virus”) hilft die einfache Schutzmaske nicht mehr. Nebenbeobachtung zu Singapur: Wischproben in 30 verschiedenen Krankenzimmern mit Covid19 von allen möglichen Oberflächen, viel deponierte RNA gefunden, z.b. Fußboden (gröbere Tröpfchen), alle Proben waren nur in der ersten Symptomwoche positiv, nicht mehr in der zweiten nicht mehr, keine nennenswerte Viruskonzentration mehr in der Raumluft. Patienten geben später in der Erkrankung weniger Virus von sich. Wichtig für die Vorstellung: Wann ist der Patient infektiös?

Ansteckung über Oberflächen selbst: etwa 10% funktionieren höchstens darüber. Maßnahmen in der Öffentlichkeit sind auf Tröpfchenübertragung ausgerichtet. Luftübertragung auch in den Studien unrealistisch, weil sich Luft im Raum auch bewegt.

Flächendesinfektion im Haushalt nicht nötig. Im Krankenhaus kann eher noch Kontaktinfektion (früher: Schmierinfektion) eine Rolle spielen. Ausfall von Geschmacks- und Geruchsinn, ganz bestimmte Art von Zellen in der Nase werden vom Virus betroffen. Iranische Wissenschaftler haben Umfrage gemacht mit 15000, davon hatten 10000 einen Ausfall/Beeinträchtigung des Geruchsinns, 76% hatte plötzlichen Ausfall. 75% hatten influenza-ähnliche Symptome, 83% hatten Geschmacksverlust – davon hatten 12% hatten ebenfalls Atemwegserkrankung, davon mussten 7,8% ins Spital, aber 48% im Haushalt, da hat 1 Familienmitglied auch Ausfall des Geruchsinns.

Bemerkenswert, solche großen Zahlen und plötzlichen (bemerkbaren) Ausfall des Geruchsinns zu sehen. Ratsam, sich selbst zu isolieren, wenn dies auftritt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Tag 25: Abwechslung

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Schönungsteich in der Schwarzlackenau, im Hintergrund Lepoldsberg und Kahlenberg

Heute kleiner Radausflug ans andere Ufer. Tat gut.

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Frühlingsadonis

Während ab morgen Maskenpflicht in den Supermärkten herrscht, erhalten die behandelnden Ärzten in den Spitälern zu wenige Schutzmasken. Im AKH fehlt selbst der Nachschub an einfachen OP-Masken. Sie holen sich sich das gratis Modell beim SPAR oder nähen selbst. Gleichzeitig werfen viele Supermarktkunden die Masken nach zehn Minuten tragen weg, im Glauben, es gäbe eh genug und das Gesundheitspersonal sei versorgt. Erschreckend. Laut Virologe Streeck, der eine großangelegte Studie im deutschen Corona-Hotspot Heinsberg (40000 Einwohner) gemacht hat, konnte übrigens keine einzige Infektion auf einen Supermarkt zurückgeführt werden. Vielleicht hätte es ausgereicht, weiterhin gründlich die Hände zu waschen, Abstand zu halten, in die Armbeuge zu niesen und die zahlreichen Masken den Ärzten und Pflegern zu überlassen? Es bleibt Spekulation.

Ich halte die bisherigen Maßnahmen übrigens für richtig, nur in der Ausformulierung und Umsetzung teilweise für katastrophal. Parks geöffnet, Bundesgärten (größere Fläche) geschlossen. Genügend Masken im Supermarkt, aber nicht in den Spitälern. Spazieren gehen erlaubt, hinsetzen nicht und drakonische Strafen (500 Euro) teilweise für Einzelpersonen, die  von der Begrifflichkeit her plötzlich mit Terroristen (“Gefährder”) gleichgesetzt werden. Obwohl man nicht einmal weiß, ob sie überhaupt infiziert sind. Privat-Fahrten mit dem PKW erlaubt, aber keine gesperrten Fahrspuren in der Stadt. Auch kann man die Bedeutung des Öffinetzes von Wien nicht mit anderen Städten vergleichen. Man hätte auch dafür eine Lösung finden können, etwa Beschränkung der Personenzahl pro Waggon, Durchsagen, Kontrollen, aber keine pauschale Sperre. Jetzt finden sich manche von uns in der eigenartigen Situation, dass sie zur Arbeit mit den Öffis fahren müssen, aber zur Erholung nicht mit den Öffis in den Wienerwald/Stadtrand dürfen.

Gleichzeitig mache ich mir schon Gedanken darüber, wie es mittelfristig weitergeht. Die Regierung wiederholt mantraartig, dass es ihnen um den Schutz der Alten und Risikogruppen geht.

Das hat bisher ja super funktioniert. #not

Die chronisch Kranken müssen derzeit auf Behandlungen verzichten, die Folgeschäden zeigen sich nicht unmittelbar, sondern erst später. Und viel später kommt die vierte Welle mit Trauma, psychischen Erkrankungen, Arbeitslosigkeit und Burnout.

Es wäre Aufgabe der Regierung, gegenzusteuern, indem sie Sicherheit bzw. Absicherung bietet. Der 38 Mrd-Rettungsschirm reicht nicht aus. Denn die meisten dürften sehen, dass es mit diesem Jahr nicht ausgestanden sein wird. Gefasel von “neuer Normalität” schafft nur Ängste und Ohnmachtsgefühle. Die Menschen brauchen eine Perspektive.

Tag 24: Gegenwart und Zukunft

🙄😷🥴🤦‍♀️

Grün enttäuscht

Ich war gerade fast so weit, dass ich mir ein Buch auf den Balkon mitgenommen hätte, das erste in drei Wochen. Leider hat der Rasenmähermann gedacht, heute ist der ideale Tag, das spärliche Grün im Innenhof zu stutzen, und jetzt fehlt mir die Ruhe zum Lesen. Apropos Balkon. Meine Trauermückenplage vom letzten Herbst stammt aus der gekauften Blumenerde, wie ich beim Umtopfen gestern feststellte. Der vor zwei Wochen gepflanzte Schnittlauch hat schwarze Spitzen und wächst nicht mehr. Schätze, das war es mit Grün für mich, also nicht nur politisch. Die Grünen haben gestern ja gegen eine Verurteilung Ungarns gestimmt, ebenso gegen die Öffnung der Bundesgärten, obwohl sie laut Grünen-Chefin Maurer im Mittagsjournal heute eigentlich dafür sind.

Datenchaos

In den letzten Wochen nimmt die Abkehr von den eigenen Prinzipien zu, transparent ist das nicht. Politikwissenschaftler argumentieren mit dem Koalitionszwang, der auch die letzten 75 Jahre gegolten habe. Ich hab die Sinnhaftigkeit nie verstanden und die letzten 75 Jahre gab es keine Pandemie, keine Situation seit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg war so einschneidend für alle Bürger im Land. Jetzt sollten alle zusammenhelfen. Aber das scheitert bereits an den Grundlagen, etwa dem Datenchaos rund um die aktuellen Fallzahlen zum Virus. Nobody knows shit! Vergangene Woche wurde beiläufig erwähnt, dass es 40000 Tests mehr gab als bisher angegeben. Das warf sämtliche mathematische Modelle über den weiteren Verlauf der Pandemie über den Haufen. Der ORF bemüht sich redlich, aussagekräftige Grafiken zur Verfügung zu stellen. So sieht man in allen Graphen eine Abflachung, besonders wichtig die Abflachung bei den spitals- und intensivpflichtigen Patienten, denn die sind entscheidend dafür, wie lange die Freiheitsberaubung noch andauert. Auch der Bundesrettungskommandant vom Roten Kreuz verbreitet Hoffnung durch positive Zahlen bei den Zuwächsen.

Geht es aufwärts oder abwärts?

Besonders positiv überrascht bin ich, dass es seit Beginn der Maßnahmen gelungen ist, die Zuwachsrate unter 5% zu drücken. Allerdings muss man auch sagen, dass bei einer fünfstelligen Zahl an Infizierten eine geringe relative Zuwachsrate bereits ebenfalls hohe absolute Zahlen bedeuten. Letzendlich sind die Kapazitäten der Spitäler begrenzt, nur darauf kommt es an, und nicht, ob wir bei 10000 Infizierten 5% Zuwachsrate haben und bei 150000 vielleicht nur 2 %. Im Bezug auf den Titel dieses Blogtexts kann sich jeder also seine private Statistik zusammenzimmern, um seine Botschaft zu verkünden, nicht nur für message control, sondern auch ein top down-Approach. Maßnahmen lockern oder verschärfen – je nach gewünschter Botschaft verwendet man andere Zahlen.

Transparenz und Kritik müssen erlaubt sein

Ich bin erleichtert, dass meine bisher geäußerte Kritik auf diesem Blog sich zunehmend auch in kritischen Kommentaren von Wissenschaftlern und Ärzten (“an der Front”) wiederfindet. Wann immer Kurz auf der Bildfläche auftaucht, wird es chaotisch, während Anschober vergleichsweise besonnen reagiert. Ihn trifft für mein Empfinden auch die geringste Schuld, denn die Generaldirektion für öffentliche Gesundheit wurde abgeschafft und damit all jene Strukturen, die es jetzt erleichtert hätten, zentrales, effektives und gut vorbereitetes Krisenmanagement zu betreiben. Auch eine große Kröte, wie die geplante Kontakt-Tracking-App, wäre leichter zu schlucken, wenn der Quellcode für alle transparent wäre, ebenso die zugrundeliegenden Annahmen und wissenschaftlichen Diskussionen dahinter. Vor allem aber wünscht sich die Mehrheit der Bevölkerung keinen starken Mann, sondern einen ehrlichen Umgang mit der Situation, einen selbstkritischen und auch einmal zuzugeben, wenn man es gerade nicht weiß. Masken erst wochenlang abzulehnen, sie dann einzuführen und gleichzeitig zu behaupten, das sei schon seit Wochen vorbereitet wurden, ist nicht glaubwürdig. Und dieser Vertrauensverlust sorgt eben für tiefes Misstrauen, wenn es um eine verpflichtende App geht, die Sobotka am liebsten an die Ausgangsbeschränkungen koppeln möchte.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen – nach meinen Informationen von Wissenschaftlern und Veröffentlichungen müssen wenigstens zwei Drittel der Bevölkerung mitmachen, damit die App einen Sinn hat. Im gestrigen NDR-Podcast hat Drosten klar die Vorteile betont, dass etwa die Sensitivität der App je nach Situation erhöht werden kann, dass man Schritte wie das Testen sogar überspringt und potentiell infizierte Personen gleich in Quarantäne schickt. Die Digitalisierung hilft uns derzeit gerade, dass das verbliebene Wirtschaftsvolumen noch aufrechterhalten werden kann, durch Online-Handel, Zustellservice, etc. Warum sollte man nicht ausnutzen, dass ein Großteil ein Smartphone hat? Sofern damit keine Bewegungsprofile erstellt und die Daten nicht zentral gespeichert werden – deswegen ist es so wichtig, dass man den Quellcode einsehen kann. Nicht zuletzt können dann auch externe Verbesserungsvorschläge leichter umgesetzt werden.

Wie soll die “neue Normalität” aussehen?

Wir werden einige der geänderten Verhaltensweisen in der Zukunft beibehalten müssen, und wenn ein bisschen mehr Abstand, Händewaschen und einfachste Hygieneregeln einhalten (Niesen in die Armbeuge) dazu verhilft, dass sich auch andere Grippeviren nicht mehr so leicht weiterverbreiten, bin ich voll dafür. Ich teile aber nicht den Optimismus mancher Wissenschaftler, deren Modelle bis zu einem Jahr physical distancing vorsehen, wenn der Lockdown erst einmal aufgehoben wurde. Ich kann mir das punktuell und zeitlich begrenzt vorstellen, wenn etwa durch die Vorteile der Tracking-App “Nester” mit vermehrten Infektionen ausfindig gemacht werden, aber für die Gesamtbevölkerung ist es undenkbar. Es ist vor allem für mich persönlich undenkbar. Autismus hin oder her – ja, ein Freund von Händeschütteln war ich nie, aber Umarmungen gehören zum menschlichen Dasein dazu, die kann kein Skype-Gespräch oder Twitter-Thread ersetzen. Eine akzeptable Normalität herrscht für mich dann, wenn menschliche Nähe wieder möglich ist, ebenso, wenn Menschen ohne PKW/Motorrad wieder öffentliche Verkehrsmittel nutzen dürfen, um in die Natur zu kommen. Es ist schlimm genug für manche von uns, zu vereinsamen, aber noch schlimmer, wenn man keinen Trost bzw. keine Kraft mehr in der Natur finden darf.

Und ich bin müde geworden, das Bedürfnis nach Natur, Wald, Bäumen, Grün debattieren zu müssen. Schnell heißt es, man sei egoistisch, man wolle italienische Verhältnisse, die Städter seien zu doof und würden sich durch zu enge Eingangstore in die Gärten drängen (ist die Polizei fähig, den ganzen Prater zu überwachen, aber unfähig, drei Eingänge zu kontrollieren?). Dabei startet man nicht einmal einen Versuch. Es würde der ÖVP keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn sie für ein Wochenende die Gärten öffnen, Polizei zur Kontrolle bereitstellen und dann feststellen, dass es nicht funktioniert und sie wieder schließen. Hier zeigt man sich absolut kompromisslos. Ich bin Anrainer vom Augarten und direkt betroffen. Die beiden Kinder meiner Nachbarn sind Fußballspieler, sie trainieren jetzt täglich in der Wohnung statt draußen. In den Prater trauen sie sich auch nicht mehr. Meine Reiztoleranz wird auf eine harte Probe gestellt. Ich mach ihnen keinen Vorwurf.

Egoismus versus Stress

Aber eigentlich wollte ich auf etwas anderes hinaus. Egoismus heißt für mich in der jetzigen Situation, absichtlich eine Grillparty zu machen, absichtlich eine Wohnungsparty, absichtlich ein Lokal wiederaufsperren und im Keller feiern, absichtlich den Mindestabstand längere Zeit in geschlossenen Räumen zu unterschreiten, wohlwissend, dass das Risiko dadurch deutlich erhöht ist. Egoismus ist für mich aber nicht, wenn verzweifelte Eltern es nicht erwarten können, dass die Schulen wieder offen sind. Wenn arbeitslose Menschen oder solche, denen mit jeder Woche, in der dieser Lockdown andauert, Arbeitslosigkeit droht, darauf drängen, dass Geschäfte wieder aufsperren. Ja, wenn wir jetzt ein halbes Jahr beim Lockdown bleiben, wird das Coronavirus wahrscheinlich vollständig eingedämmt. Doch haben wir dann eine Millionen Arbeitslose, leere Budgets der Krankenkassen und Gemeinden und noch einige weitere Baustellen, die dafür sorgen, dass vielleicht nicht die aktuellen Risikogruppen bedroht sind, sondern hunderttausende mehr. Ich bezweifle persönlich, dass man so klar trennen kann, weil wie schon mehrfach geschrieben Stress und Einsamkeit negativ aufs Immunsystem wirken und die Menschen der Risikogruppe ebenso davon betroffen sind, und mehr oder weniger gut damit umgehen können. Es ist sehr vereinfacht davon auszugehen, dass eine monatelange Isolierung von Sozialkontakten bei einem Risikopatienten eine höhere Überlebensschance mit sich bringt als zurück zu einer Öffnung zu verfinden. Man könnte genauso Egoismus unterstellen, wenn Risikopatienten nun fordern, dass man Arbeitsplatzverlust nun einmal in Kauf nehmen muss, wenn man ihr Leben retten will. Ich würde gerne schreiben, dass die Regierung alles dafür tut, dass Arbeitsplätze nicht verloren gehen, aber eine Garantie gibt es eben nicht, zuletzt auch deswegen, weil Österreich vom Export lebt und vom Tourismus, und beides nachhaltig geschädigt ist. Meinem Empfinden nach spüren viele Betroffene, dass die Krise nicht ausgestanden ist, wenn die Maßnahmen gelockert werden. Die verringerte Kaufkraft und der riesige Schuldenberg werden zurückschlagen. Und deswegen sind ihre (Existenz-)Ängste genauso berechtigt wie die Ängste von Risikogruppen daran, schwer zu erkranken oder zu sterben. Das kann man nicht gegeneinander aufrechnen, und schon gar nicht kann man die Ängste Dritter kleinreden mit dem Totschlagargument Italien oder Spanien. Stattdessen sollte man viel eher gemeinsam – solidarisch – auf die Regierung einwirken, dass die Absicherung gegeben ist, etwa durch ein höheres Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe/Mindestsicherung und durch Förderungen von Minderheiten, die von schwarzblau besonders betroffen waren und jetzt noch größere Probleme haben, durchzukommen.

Ich weiß keine einfache Lösung, aber ich bin der Überzeugung, dass jede Sichtweise derzeit ihre Berechtigung hat, solange sie nicht obigem Egoismus dient.

Tag 23: Zuckerbrot und Peitsche

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Stadt im Dornröschenschlaf, Mittwoch, 01.04.2020

Heute hab ich gelernt, dass es mindestens eine große Verlierergruppe durch die Maskenpflicht gibt, die man nicht berücksichtigt hat, und zwar jene mit einer Hörbehinderung, die vorwiegend durch das Lippen lesen kommunizieren können. Die Lippen bzw. das Mundbild sieht man künftig praktisch nicht mehr.

Die Ansage von Gesundheitsminister Anschober im Nationalrat klang positiv: Zuwachsrate der Neuinfektionen heute (bisher) nur 4%, die Maßnahmen haben also gewirkt. Außerdem seien die Intensivkapazitäten nur zu 50% belegt, es besteht also noch viel Luft nach oben. Die aussagekräftigeren Statistiken vom ORF zeigen, dass die Zahl der Hospitalisierungen und Belegung der Intensivbetten nur noch langsam ansteigt. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Genesenen deutlich zu. Laut Anschober stehen in 1-2 Wochen flächendeckende Antikörpertests zur Verfügung. Continue reading

Tag 21: Autofahrerstadt Wien

Heute ist Mittwoch. Vor drei Wochen, nach der letzten Wandertour in Freiheit, fing ich an zu bloggen, das war mein Tag 0. Für andere begann Tag 1 erst mit dem offiziellen Erlass und der Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Inzwischen bin ich kreativ werden und suche trotz der beschränkten Mobilität nach Möglichkeiten, meine Fitness aufrechtzuerhalten und gleichzeitig in der Natur zu sein. Heute ging ich daher zu Fuß vom zweiten Bezirk über den Ring entlang der Linie 49 bis nach Hütteldorf. Gehzeit knapp 1,5 Std. bis Baumgarten. Die letzten drei Stationen bin ich dann doch in die Straßenbahn eingestiegen, weil die Füße schon wehtaten. Dann schaute ich bei einer Bekannten vorbei, wir unterhielten uns über ihr Zimmerfenster. Das war mein zweiter “vis-à-vis”-Sozialkontakt seit dem 15. März. Wenn ich mich dazwischen nicht unbemerkt infiziert habe, dürfte ich also “clean” sein, up and about. Sozialkontakte weiter reduzieren geht für mich also nicht.

Der Hinweg gestaltete sich mühsam, weil Wien seit dem Erlass zur Autofahrerstadt geworden ist. Wäre Kogler Kanzler statt Kurz, hätte man betonen können, wie gesund und wichtig jetzt das Rad als Fortbewegungsmittel ist. Stattdessen wird suggeriert, dass nur der private PKW vor dem Virus schütze (hallo, Unfallrisiko?!) und Radfahren wird gleichzeitig verteufelt. Die Auswirkungen dieser policy kann man sich in der Stadt gut anschauen: Statt einzelne Fahrspuren am Ring zu sperren, fährt der verbleibende Verkehr halt schneller, weil mehr Platz ist. Alle Gassen sind zugeparkt, für die Fußgänger ist kaum Platz genug, um mit Sicherheitsabstand von 1m aneinander vorbeizugehen. Für die Radfahrer sind die oft schmalen Radstreifen viel zu eng, denn der Radverkehr hat definitiv zugenommen. Das ist insgesamt unbefriedigend und eine verpasste Chance, auch im Hinblick auf die Sensibilisierung für die Umwelt und das Klima. Aber es regiert eben nicht Kogler, sondern weiterhin das neoliberale Gesicht eines untergehenden Wirtschaftssystem.

Zurück zur Wien-Querung. Heute ist Mittwoch und offizieller Beginn der Maskenausgabe in den Lebensmittelmärkten und Drogerien. Ob es speziell daran liegt oder nun allgemein ein gestiegenes Bewusstsein herrscht, wie ernst die Situation ist, sei dahingestellt – jedenfalls waren deutlich mehr Menschen mit Mundnase-Schutzmasken zu sehen als vorher, im Schnitt mehr Frauen als Männer und unabhängig der Herkunft. Tendenziell eher jüngere als ältere Männer. Gleich auf den ersten Metern überholte ich eine mittelalte Frau, die gerade telefonierte:

“Die Hirnwixerei ist unabsichtlich. Abends kommt sie dann und ich denk mich zu Tode.”

Später in Hütteldorf vor einem Supermarkt, eine ältere Frau redet mit zwei jüngeren Leuten:

“Du musst auch an die anderen Leute denken, nicht nur an die, die wos gnuag verdiena und sich Rücklogen schaffn.”

Die weiteren Gespräche gingen meist um irgendwas von der Regierung, mit der Maskenpflicht, oder drehten sich um das Thema Bundesgarten, selbst als ich schon den Wienerwald erreichte.

Im SPAR bei der Endhaltestelle des 49ers bekam ich dann von einer Mitarbeiterin eine MNS-Maske ausgehändigt. Ziemlich unpraktisch als Brillenträger. Ich hab die Brillengläser vorher mit einem Brillenputztuch saubergemacht, aber das hat auch nicht verhindert, dass sie durch die Maske voll beschlugen und ich kaum etwas gesehen habe.

Ein Bub regte sich auf, dass er mit den MNS-Masken nicht gut atmen kann und nicht sieht, was unterhalb seiner Nase ist. Überhaupt dachte ich mir, wie sinnvoll die Masken wohl bei Radfahrern und Joggern seien, die ich auch zunehmend damit sehe. Wenn jetzt jeder Masken auch draußen trägt, dann könnte man den Eindruck gewinnen, dass Virus über die Luft übertragen wird und nicht über Tröpfcheninfektion. Beim Einkauf und in den öffentlichen Verkehrsmitteln halte ich sie für sinnvoll, aber generell zu tragen? Nach einigen Minuten sind sie durchgeschwitzt, und Frischluft bekommt man damit eben auch nur begrenzt – deswegen gehe ich ja nach draußen!

Über den idyllischen Dehnepark stieg ich auf den Satzberg, sehr viele Familien, hier oben darf noch gelacht und gespielt werden, mit den Eltern, Ballspiele mit den Geschwistern. Dazwischen einzelne Alte, die im Wald spazierten. Einige Mountainbiker. Der Parkplatz bei der Jubiläumswarte fast vollgeparkt – wer in diesen Wochen oder Monaten ein Auto hat, ist im Vorteil. Wer nicht so verrückt wie ich ist und den Großteil der Strecke zu Fuß geht, kommt nicht hin. Ja, der einzelne Radfahrer schon, aber Familienausflug mit dem Rad quer durch Wien? Nicht zu empfehlen bei dem Verkehr. Bei der Kreuzeichenwiese war etwa soviel los wie sonst an einem Sonntag, dennoch konnte man weit genug Abstand halten und sich auf die Wiese im wärmenden Sonnenschein knotzen und die HundebesitzerInnen beim Spielen mit ihren Hunden beobachten. Ab Heuberg hatte ich ein paar Minuten für mich alleine, dann stieg ich nach Neuwaldegg ab.

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Rathauspark

ausblick

Lagerwiese Satzberg

schluckspecht

Buntspecht-Weibchen, das beturltende Männchen nicht im Bild

Was bleibt zum Abschluss zu sagen?

Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir uns nicht gegeneinander ausspielen. Die Pandemie hat mehrere Seiten, ist eine individuelle, menschliche, gesundheitliche, wirtschaftliche und globale Katastrophe. Jemand, der zur Risikogruppe gehört, hat einen sehr unmittelbaren Blick auf die Gefährdung des eigenen Lebens. Nicht zu vergessen jene mit Erkrankungen oder Behinderungen, die zwar nicht zur Risikogruppe gehören, aber um ihre Therapien umfallen. Und die mit hoher psychischer Belastung, sich verstärkenden Angst- und Depressionszuständen. Ein anderer, der zwar gesund und jung ist, fürchtet dafür um seinen Job, je länger der Ausnahmezustand andauert. Heute hat mich schockiert, als ich las, dass die Arbeitslosigkeit auf über 560000 angestiegen ist – so hoch wie seit 1946 nicht mehr. Die Regierung hat versagt, die “Soforthilfen” dauerten offenbar zu lange, sechs Wochen warten bis zur Kurzarbeit bzw. zwei Monate bis zu Auszahlungen, können sich viele nicht leisten. Dann gibt es die Seite des Gesundheitssystems. Nach Aussage von Ärzten wird in rund 10-14 Tagen der Punkt erreicht sein, wo alle Intensivkapazitäten ausgeschöpft sind und wie in Italien oder Frankreich entschieden werden muss, wer überleben darf. Der Punkt war wohl unvermeidlich in einer Demokratie, speziell nach dem schwerwiegenden Versagen in Tirol und durch die Sünden der Vorgängerregierung, die – unter Kurz -die seit 1945 bestehende Generaldirektion für öffentliche Gesundheit abgeschafft hatte. Pamela Rendi-Wagner dazu damals in der Tiroler Tageszeitung:

Diese habe sich besonders bei Krisen bewährt, zuletzt bei Pandemien wie Ebola, EHEC, Vogelgrippe, aber auch nach Kernkraftwerksunfällen wie jenem in Fukushima. “Dass wir dieses zentrale Krisenmanagement künftig nicht mehr in medizinischer Hand haben, halte ich für fahrlässig”. 

Jedenfalls hat in dieser Situation jeder seine Angst und wenn man sagt, wir fahren die Wirtschaft nieder (was wir gerade tun), um Menschenleben zu retten, dann ist die Frage, wie lange wir tatsächlich retten und ab wann wir anfangen mehr zu verlieren als wir je hätten retten können. Was sind die gesundheitlichen Folgen von Massenarbeitslosigkeit, von aufgeschobenen Behandlungen und Operationen? Das aktuelle Krisenmanagement ähnelt zu sehr der Selbstinszenierung der Vorgängerregierung als wirklich Vertrauen zu schaffen im Hinblick auf eine höchst unsichere Zukunft. Inzwischen haben die meisten begriffen, dass ab Ostern nicht wieder alles normal wird, sondern dass wir viel länger damit zu tun haben. Es ist leicht zu sagen, die paar Wochen, die Leute sollen sich zammreißen, aber man steckt nicht in der Haut aller persönlicher Krisen, es steht uns nicht, zu zu (ver)urteilen, das gilt in jede Richtung.