Tag 641: Was bedeutet OMICRON für uns?

Der Kreislauf ewiger Lockdowns in Österreich (adaptiert von @IchBin_RO): “Echte Fachleute, die sich wirklich mit der Sache auskennen, werden nur genau dann ins Rampenlicht gestellt, wenn schon das ganze Haus brennt; sie dürfen es dann gerne übernehmen, die Bevölkerung auf bevorstehende Lockdowns vorzubereiten. Sobald die harte Triage beendet ist und “nurmehr” weiche Triage (OPs und Krebsbehandlungen verschoben) passiert, werden die umsichtigen Mahner sofort wieder ignoriert und Scheinexpert:Innen hervorgeholt – diese immer wiederkehrende Variation von “des Kaisers neue Kleider” ist für mich die größte Qual.” (@fast_electron, 09.12.21)

Ausgangslage für die (5.) OMICRON-Welle in Österreich:

  • 72% Erstimpfquote, 65% Zweitimpfquote und 32% Drittimpfquote
  • 568 Covid-Patienten liegen auf den Intensivstationen (Quelle: Morgenmeldung ORF)
  • Rund 50000 bis 100 000 COVID-Überlebende haben Long COVID, davon werden 10% dauerhafte Beschwerden (Übergang zu MECFS) entwickeln – der schwere Verlauf mit Verzögerung
  • Aktuelle DELTA-Inzidenz zwischen 300 und 400 (keine AGES-Meldedaten am 12.12.)
  • Seit heute österreichweit wieder offener Handel, außer in Oberösterreich (erst ab 17.12.), in Wien sperrt die Gastronomie erst am 20.12. wieder auf. Lediglich Nachtgastronomie bleibt geschlossen. Im Westen, wo die Spitalsauslastung am höchsten ist, startet der Wintertourismus voll durch. Auch Après-Ski öffnet in Tirol.
  • Die Aufklärungsquote durch Contact Tracing betrug bis 10.12. rund 45%, wobei 90% auf “Haushalt” zurückgeführt werden: Nachdem das Virus nicht durch den Abfluss kommt, ist “Haushalt” eine elegante Umschreibung dafür, nicht zu wissen, wo die Ansteckung erfolgt ist. Das Contact Tracing funktioniert also nicht.

Trotz Wechsel der ÖVP-Minister und des -Kanzlers lässt sich kein nennenswerter Strategiewechsel der Regierung in der Pandemie feststellen: Wir lockern in die drohende OMICRON-Welle hinein, wie schon damals bei ALPHA und bei DELTA im Spätsommer, als die Pandemie bereits für beendet erklärt worden ist. Es fehlt weiterhin eine Perspektive, eine Zielinzidenz, ein Endpunkt für die Impfkampagne und ein Ausblick, wie wir 2022 leben sollen. Hinweis: NPIs (v.a. Masken und Tests) werden bleiben, wenn SARS-CoV2 endemisch wird. Statt ständig so zu agieren, als ob die Pandemie irgendwann vorbei ist, sollte man sich darauf einstellen, dauerhaft flächendeckend PCR-Kapazitäten, Contact Tracing und erschwingliche dicht sitzende FFP2-Masken für die ganze Bevölkerung zur Verfügung zu stellen.

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Tag 202: Österreichs Experten gegen wissenschaftliche Fakten

Wenn ich mir jetzt täglich die Finger wund schreiben muss, weil sich österreichische Experten verharmlosend zum Virus geäußert haben, dann werde ich hier überhaupt nicht mehr fertig. Ich wollte heute eigentlich etwas über Wien selbst schreiben. Darüber, dass die Pleitewelle begonnen hat, dass man in den Straßen immer mehr Geschäfte sieht, die Räumungsverkauf plakatieren, Geschäftsauflösung oder irrsinnig hohe Rabatte, die kaum wirtschaftlich sein können. Darüber, dass ich mich aufrege, weil der Flughafenbus VAL2 wahrscheinlich dauerhaft eingestellt bleibt, und das war meine kürzeste und bequemste Verbindung zum Arbeitsplatz, die nebenbei auch mein Jahresticket deutlich aufgewertet hat. Darüber, dass in Wien gerade Wahlkampf [Bezirks- und Gemeinderatswahlen am 11.10.] herrscht und die ÖVP so tief in den Dreck greift, wie man das vorher nur von der FPÖ kannte. Ich könnte über die Versuche von Wien schreiben, mit der Registrierungspflicht zu verhindern, dass eine vorgezogene Sperrstunde kommt – wodurch die ohnehin schon spärlichen Umsätze weiter sinken würden. Über das Chaos an den Schulen und die langen Verzögerungen beim Warten auf den Test und das Ergebnis, über tagelange Absonderung in häuslicher Quarantäne selbst bei negativem Bescheid. Natürlich wächst die Wut auf die Regierung. Dafür könnte man jetzt zwei Gründe haben. Zum Einen, weil sie den Sommer offenbar ungenutzt verstreichen ließen und denkbar unvorbereitet in den Herbst starten, angeblich überrascht vom starken Anstieg der Fallzahlen. Zum Anderen, und dahin kippt die österreichische Bevölkerung gerade, wird der Regierung vorgeworfen, die Maßnahmen wären überzogen und das Virus viel harmloser und den Aufwand nicht Wert. Dazu passt dann leider der heutige Beitrag bei Ö1, wo Radiodoktor Manfred Götz den Public-Health-Experten Sprenger und die Leiterin des Hygieneinstituts Apfalter interviewte.

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Tag 60: Die Anpassungsphase beginnt

Quelle Grafik: profilonline bzw. Tweet von Jakob Winter

Danke für das Feedback zu meinem Übersichtsartikel vor vier Tagen. Dass monoklonale Antikörper in der Therapie verwendet werden und nicht als Impfstoff zu verstehen sind, habe ich nachträglich angemerkt, danke für den Hinweis. Ich schrieb außerdem, dass Telefonate in den Öffis unhöflich seien, weil durchs Sprechen Virenpartikel in der Umgebung verteilt werden. Diese Aussage steht auch nahezu wörtlich im Interview mit der Chef-Epidemologin Daniela Schmid von AGES. Danke an Martin Stephanek von Futurezone.at für das gute Interview, klare Aussagen, mit denen jeder etwas anfangen kann, kein schwammiges Geschwurbel.

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Tag 52, 02. Mai 2020 – ein vorläufiger Schlussstrich

Keine Sorge, ich blogge weiter, aber nicht mehr täglich, sondern wieder unregelmäßiger, vielleicht mehrmals am Tag, dafür tagelang nicht. Aber nachdem die Folgen der Pandemie nicht so schnell vorübergehen würden, muss ich meine Ressourcen besser einteilen. Zudem hab ich die letzten Tage zunehmenden Unwillen gehabt, mir die medizinischen Podcasts reinzuhauen. Der Hickhack um vielversprechende Medikamenten-Studien, die später wieder zurückgenommen oder zerpflückt werden, zeigt auch, dass hier echte Expertise verlangt wird, deren Seriösität zu beurteilen. In Retroperspektive finde ich es trotzdem interessant, wie sich alles entwickelt wird. So ein Archiv ist da durchaus praktisch.

Österreich hat sich für mich leider entzaubert. Ich lebe hier seit September 2004. Nicht nur einmal dachte ich darüber nach, mich einbürgern zu lassen, fragte nach wegen den formalen Anforderungen, wäre bereit gewesen, die tausend Euro dafür zu zahlen, für ein so simples und doch so wichtiges Recht wie das Wahlrecht. Mir ist wohl bewusst, dass es in anderen Ländern nicht unbedingt besser ist als hier, aber ich lebe dort nicht und kann nur meine Erfahrungen, Empfindungen und Gefühle für mein Leben hier wiedergeben.

Vorab – ich hab nicht alle Themen abgedeckt in dieser kritischen Analyse. Das weitreichende Feld der Kommunikation von Maßnahmen, die fehlenden wissenschaftlichen Daten für Forscher und Analysten und die psychischen Folgen habe ich ausgeklammert bzw. nur teilweise angerissen.

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