Nach über zweihundert Tagen (Tag Null war bei mir der 11. März) Pandemie möchte ich an dieser Stelle eine Art Best Of meiner bisher gelesenen (und verlinkten) Literatur präsentieren. Artikel, die fachlich in die Tiefe gehen und in denen man komprimierte Fakten erwarten darf.
Diagnostik
- Fast coronavirus tests: what they can and can’t do (16.09.)
- Covid19 ist eine systemische Gefäßentzündung (21.04.) und ausführlicher von Dana G. Smith (29.05.)
- „Uns Virologen regen Wodargs Behauptungen mächtig auf.“ (20.03.)

Die Grafik vom RKI ist von zentraler Bedeutung, um den Sinn von PCR-Tests zu verstehen. Vom Zeitpunkt der Übertragung (Transmission) vergeht eine bestimmte Zeitspanne (Latenz), bis zu der eine infizierte Person ansteckend ist. Die Ansteckungsgefahr nimmt bis zum Symptombeginn deutlich zu. Die Zeitspanne zwischen Übertragungszeitpunkt und Symptombeginn wird Inkubationszeit genannt. Ab Ausbruch der Infektion kann die Virus-RNA über den PCR-Test nachgewiesen werden. Die Infektiösität beträgt 8-9 Tage, dann nimmt sie ab, wenn das Virus vom oberen in den unteren Respirationstrakt wandert (vom Rachen in die Lunge). Die PCR ist auch dann positiv, wenn der Patient nicht mehr infektiös ist. Etwa ab der zweiten Woche können Antikörper nachgewiesen werden (Serologie positiv). Da SARS-CoV-2-Viren nicht zur Normalflora des Menschen gehören, bedeutet nachgewiesene Viren-RNA ausnahmslos, dass eine Ansteckung stattgefunden hat. Auch eine nachträglich nachgewiesene Infektion ist eine wichtige Information, da sich so Infektionsketten rückermitteln und eventuelle Cluster entdecken lassen, die sonst verborgen geblieben wären.
Impfstoffe
Gewöhnlich dauert die Impfstoffentwicklung 5-10 Jahre, in einer globalen Pandemie mit katastrophalen Folgen arbeiten jedoch etliche Wissenschaftler zusammen und so sind die ersten Impfstoffe aktuell schon in Phase 3 mit menschlichen Probanten. Das ausführliche Tutorial des österreichischen Virologen Krammer erläutert, welche Impfstoffe es gibt und wie sie entwickelt werden. Ein Hauptproblem könnte sein, dass die ersten marktreifen Impfstoffe nur die Schwere der Erkrankung abschwächen, aber die Infektion nicht verhindern können. Ebenso gefährdet sind Kinder und ältere Menschen, die Impfstoffe meist schlechter vertragen. Selbst wenn die verursachte Immunität nur kurz anhält, ist das kein Drama, da ohnehin Auffrischimpfungen angedacht sind. In weiterer Folge werden bessere Impfstoffe kommen, die die ersten Impfstoffe ersetzen. Nachdem ein einziger Impfstoff unmöglich in so großer Anzahl produziert werden kann, um die gesamte Weltbevölkerung damit zu versorgen, ist es von Vorteil, dass derzeit mehr als 180 Impfstoffe weltweit entwickelt werden, davon befinden sich 40 in klinischen Studien und 10 bereits in Phase 3.
Medikamente
Neben der klassischen Impfung lief auch früh die Entwicklung sogenannter monoklonaler Antikörper, ein passiver Impfstoff, bei dem immunologisch aktive Proteine spezifisch auf das SARS-CoV-2-Virus “abgerichtet” wurden. Der Wirkstoff Adalimumab, unter dem Handelsnamen Humira vertrieben, ist z.b. ein monoklonaler Antikörper, der gegen Rheumaerkrankungen eingesetzt wird.
- antivirale Medikamente, die Vermehrung der Viren blockieren oder verhindern, dass sie in Lungenzellen eindringen
- dämpfende Immunmodulatoren, die bei schwerem Lungenbefall die Abwehrreaktion des Körpers so begrenzen sollen, dass sie nicht mehr Schaden anrichten als die Viren selbst
- Medikamente für Lungenkranke, die verhindern, dass die Lunge das Blut nicht mehr mit genug Sauerstoff versorgen kann
- Herz-Kreislauf-Medikamente, die Komplikationen durch Blutgerinnsel oder Herzkrankheiten verhindern sollen
Immunität
- Die ursprünglich angestrebte Herdenimmunität durch eine überstandene Infektion ist nicht erreichbar ohne katastrophale gesundheitliche Folgen.
- T-Zellen Kreuzimunität kann vor einem schweren Verlauf schützen, nicht aber gegen die Infektion selbst – der Nachweis ist viel aufwändiger als gewöhnliche Antikörpertests (12.08.)
- Das Immunsystem von Kindern wird mit dem Virus meist besser fertig als das von Erwachsenen (25.09.)
- Erneute Infektionen sind möglich, die Schwere des Verlaufs hängt von der ersten Erkrankung ab: Scientists are reporting several cases of Covid-19 reinfection — but the implications are complicated (28.08.)
Ein starkes Immunsystem ist nicht identisch mit Immunität! Auch kerngesunde Menschen jeden Alters können (schwer) erkranken, wie bei der Grippe auch. Vor der Infektion mit SARS-CoV-2 schützt ein starkes Immunsystem (z.b. eines Leistungssportlers) nicht.
Spätfolgen (Post-Covid, Long Covid)
Im medizinischen Kontext heißt milder Verlauf, dass die Erkrankung zuhause auskuriert wird. Betroffene empfinden die Erkrankung mitunter gar nicht als mild. Epidemiologin und selbst Longcovid-Betroffene Nisreen A. Alwan plädiert dafür, die Schwere der Covid19-Erkrankung an der Dauer zu festzumachen und nicht danach, ob jemand hospitalisiert werden muss.
- It’s not in my head‘: They survived the Coronavirus, but they never got well (28.09.)
- Interview mit Prof. Michael Wagner, Mikrobiologe (28.09.)
- Rita Rubin, As their numbers grow, COVID-19 „long-haulers“ stump experts (23.09.)
- Post-Covid-Syndrom: Die Spätfolgen einer Corona-Erkrankung – Interview mit Dr. Michael Stingl, Neurologe in Wien (18.09.)
- The lasting misery of coronavirus long-haulers (14.09.)
- Virologe Robert Zangerle (Uni Innsbruck) berichtet über Spätfolgen im FALTER (26.08.)
Übertragung

Der Hauptübertragungsweg sind Aerosole, nicht Tröpfchen- oder Schmierinfektion. Nur Aerosole können Superspreading Events erklären.
Das wohl wichtigste Dokument zu dem Thema behandelt die Aerosole-Infektion und wie man sich davor schützen kann: FAQ on Protecting yourself from aerosol transmission (die deutsche Google-Translate-Version liest sich flüssig).
- Robert Zangerle: Ein oder zwei Meter? Abstand nehmen von falschen Dichotomisierungen! (22.09.)
- Dana G. Smith: The most likely way you’ll get infected with covid-19 (16.09.)
- Two metres or one: what is the evidence for physical distancing in covid-19? (25.08.)
- Aerosolforscher: “Wir müssen ein ganz anderes Lüftungsverhalten entwickeln” (15.08.)
- Jose-Luis Jimenez, PhD: COVID-19 Data Dives: Why Arguments Against SARS-CoV-2 Aerosol Transmission Don’t Hold Water (deutsche Übersetzung) (30.07.)
Prävention
Die zwei wesentlichen Aspekte von Vorsorgemaßnahmen sind ausreichend lüften und Masken tragen. Auch wenn österreichische Experten weiterhin Zweifel streuen, ist die Wirksamkeit von Masken bei Covid19 bewiesen. Gandhi und Rutherford argumentieren in ihrem Paper, dass Masken zudem die eingeatmete Virusdosis verringern und dadurch einen milderen Verlauf ermöglichen können. (abhängig von anderen Faktoren wie Alter, Vorerkrankungen).
- Apoorva Mandavilli, How to keep the Coronavirus at bay indoors – (27.09.) – bei Mitfahrern im Auto hilft schon, das Fenster einen Spalt zu öffnen!
- Aerosolforscher: “Lüften ist in Corona-Zeiten die präventivste Maßnahme überhaupt” (21.09.)
- Verwaltungsgericht in Deutschland: Kein Gesichtsvisier („Face Shield) statt Maske in der Schule (11.09.)
- Positionspapier: Lüftung von Schul- und Unterrichtsräumen – SARS-CoV-2 (08.09.)
- Monica Gandhi und George W. Rutherford: Facial Masking for Covid-19 — Potential for “Variolation” as We Await a Vaccine (08.09.)
Gesellschaft
- Tanja Maier: Open Letter to Austria’s Minister of Education (16.09.)
- Studie: Menschen, die keinen Mundschutz tragen, haben soziopathische Tendenzen (09.09.)
- Heinz Mayer: Kränkelnde Demokratie – Die Zeit (22.08.)
- Falschinformationen: „Das Virus ist ein unbefriedigender Gegner.“ (19.05.)
- Keep the parks open. The benefits of fresh air outweigh the risks of infection. (13.04.)
- Artikelserie über das Verschwörungsvirus von Etosha