Narrative werden sehr sehr kritisch beäugt – aus gutem Grund!
Der eigentliche Anlassfall war das Facebook-Posting eines in der Akutphase der Pandemie bekannten Arztes, der vor allem Longcovid-Fälle am AKH betreut hat. Das habe ich bereits mit einer E-Mail in die Kritik genommen, erwarte aber nicht wirklich eine Antwort. Die wesentlichen Aspekte seines Beitrages tauchen seit Jahren immer wieder in reichweitenstarken Interviews und öffentlichen Diskussionen auf. Das kann man ignorieren, aber dann besteht die Gefahr, dass sich falsche Narrative in den Köpfen festsetzen. Die übereinstimmende Ansicht einer Mehrheit ist immer nicht wahrheitsgetreu (“major consensus narrative”). Der einhellige Tenor der Pandemieverharmloser und rechtsextremen Profiteure der mangelhaften Risikokommunikation ist der Fokus auf “Pflichten”, “Zwang” und “Bestrafung”. Indem auch seriöse Experten dieses Wording zunehmend in ihre Beiträge übernehmen, wird dieses normalisiert und nicht mehr hinterfragt. Zwang und Bestrafung lösen immer eine reflexhafte Abwehr aus. Davon nehme ich mich selbst nicht aus – ich habe manche Covid-Maßnahmen in der Anfangsphase der Pandemie auch heftig kritisiert, weil ich den Hintergrund dafür noch nicht kannte.
Es kann aber keine kluge und vernunftgesteuerte Vorausschau als Lehre aus der Pandemie entwickelt werden, wenn wir nur den “Zwang” als zentrale Botschaft behalten, und nicht etwa den “Schutz” von Minderheiten. Ich möchte das an den drei folgenden Beispielen festmachen – jeweils an Experten und Medizinern, die ich grundsätzlich für ihre Verdienste schätze und daher nicht umhin komme, Kritik zu üben.
Am 10. September, einen Tag nach dem ersten ganztägigen Regentag seit mehreren Monaten in Ostösterreich, wo am 2. September die Schule wieder begonnen hat, schreibt Molekularbiologe Ulrich Elling folgendes auf X:
“Schmuddelwetter und Winter kommen näher, es wird eng in Bim und Bahn, Corona ist wieder ein Thema. Nach der längsten Pause davon seit Beginn der Pandemie geht es jetzt wieder los.”
Meine zugegeben etwas ungehaltene Antwort darauf fußt auf mehreren Gründen.
Eine längere Pause mit niedrigem Infektionsgeschehen gab es 2021 nach dem Rückgang der Alpha-Variante, wo die erste Impfkampagne erfolgreich war, bis zu den Wiederanstiegen im Juli mit der Delta-Variante, die erst ab Herbst richtig Fahrt aufnahm. Letztes Jahr gab es ebenfalls eine längere Pause nach Rückgang der XBB.1.5-Welle und mit zunächst stagnierender EG.5.1-Welle, ehe mit JN.1 eine signifikant neue Variante die Rakete zündete. Dieses Jahr gab es etwa von März bis Mai ein Herumgrundeln auf niedrigem Niveau, ehe die FLiRT-Varianten ab dem Frühsommer für kontinuierliche Anstiege gesorgt haben.
Doch was heißt niedrig überhaupt? Wie kann man Abwasserwerte in Inzidenzen umrechnen? Dazu gab es in Rheinland-Pfalz eine repräsentative Kohortenstudie namens SentiSurv, womit von der Viruslast im Abwasser auf die Prävalenz in der Bevölkerung geschätzt wurde. Auch beim RKI und in England gab es solche Projekte. Epidemiologe Zangerle nahm für Mitte April rund 4000 Neuinfektionen pro Tag an, im Mai rund 8000, im Juli waren es demnach schon über 10000 Neuinfektionen pro Tag. Die Baseline bewegt sich also bei Werten, wo wir in der zweiten Welle schon über einen Lockdown nachgedacht haben, und im Juli lag sie bereits am Niveau von Delta. Das heißt zugespitzt, dass Corona zwischen den distinguierten Wellen nie verschwindet – etwa 0,5- 1% der Bevölkerung ist ständig infiziert.
Ein Blick auf den Graphen zeigt aber, dass es seit Juni wieder deutlich nach oben geht. Im Juli war im ORF fälschlicherweise von einer Grippewelle die Rede, bei der “Presse” von einer Sommergrippewelle. Die Sentineldaten von der Virologie in Wien haben das widerlegt. Die letzten fast drei Monate waren durchgehend zu warm, mit einem Rekord an Tropennächsten und sehr wenigen Regentagen. Der Logik der Aussage oben folgend, hätten die Abwasserwerte bis gestern niedrig bleiben müssen, waren sie aber nicht. Im Juli und August haben sich bereits zahlreiche Menschen, abwechselnd beim Urlaub oder bei Spitals/Reha-Aufenthalten mit Corona infiziert.
Gerade in Ostösterreich gab es den Sommer über massive Einschränkungen des öffentlichen Verkehrs mit zahlreichen Baustellen, ausgedünnten Intervallen und Schienenersatzverkehr. Gleichzeitig war einiges los im Sommertourismus. In Bim und Bus war es schon den ganzen Sommer über eng. Jetzt fahren die öffentlichen Verkehrsmittel wieder normal, es gibt also allenfalls einen Wechsel der Gruppe, von den Touristen zu den Pendlern und Schulkindern.
Auf meine Kritik hin begründet Elling seine Aussage so:
“Natürlich gab es viele Infektionen, aber keine voll ausgeprägte Welle. Wellen sind eine Funktion des Abstands zur letzten Welle, der Varianten, UND der Saisonalität. Selbstverständlich.”
Das sind in meinen Augen Spitzfindigkeiten. Wenn man erst am Höhepunkt einer Welle sagt, dass man jetzt eine Welle habe, wiederholt man genau den Fehler, den die Regierung ab der zweiten Welle gemacht hat. Dann ist es zu spät für eine Impfkampagne, zu spät für andere Maßnahmen. Maßnahmen haben keine politische Mehrheit mehr, also sollten wir besser von Risikokommunikation reden, also bestenfalls Empfehlungen, die schon vor dem “Fahrt aufnehmen” der Welle verlautbart werden: Rücksicht nehmen, testen bei Symptomen, rechtzeitig impfen, zuhause bleiben, wenn krank, Kontakte informieren, wenn man Symptome entwickelt hat oder jemand in der Familie erkrankt ist, Maske tragen, um andere nicht anzustecken, etc.
Hinsichtlich Saisonalität sehen wir bei Influenza eine klare Verbindung zu “kaltem Schmuddelwetter”. Die Infektionszahlen steigen etwa ab Oktober, November an, um im Februar, März wieder deutlich abzuflachen. In der warmen Jahreszeit gibt es bis auf reiseassoziierte Influenzafälle keine Viruszirkulation. Bei SARS-CoV2 fehlt das Loch in der warmen Jahreszeit, zumal mit der Klimaerwärmung die warme Jahreszeit auf den April und bis in den September ausgedehnt wird. Letztes Jahr war es noch im Oktober überdurchschnittlich warm, aber die Zahlen stiegen mit JN.1 kräftig, und heuer war es bereits ab Februar sehr mild, aber die Infektionszahlen noch hoch von der abklingenden Welle. Das kalte Schmuddelwetter begünstigt, dass mit einer neuen Variante die Infektionszahlen sehr hoch steigen können, aber das heißt im Umkehrschluss nicht, dass wir im Frühjahr und Sommer eine geringe Viruszirkulation hätten. Das kritisiere ich scharf und weise das Narrativ, dass wir “wieder eine Herbstwelle” hätten, entschieden zurück – da die Welle schon früher da ist, die Impfkampagne hätte früher beginnen sollen, ebenso alle anderen Empfehlungen. Doch ein Influenzavergleich: In der Saison 2022/2023 begann die Influenza früher, bereits ab Mitte Oktober. Ich bin daher am frühestmöglichen Zeitpunkt impfen gegangen.
Der Einwand eines Immunologen war, dass es einen Unterschied machen würde, ob 5 oder 50% der Bevölkerung infiziert seien, nicht für Betroffene, aber für die Gesamtheit. Ich kann das Gesamtheits-Totschlagargument schon nicht mehr hören. Mit der Begründung des “Schutz der Allgemeinheit” hat das Oberlandesgericht die Haftung des Bundes im Fall Ischgl praktisch ausgeschlossen, um den Einzelnen ist es nie gegangen. Die Summe der einzelnen Infektionen bildet jedoch eine Welle.
Von der irreführenden Überschrift abgesehen, geht Valipour davon aus, dass in vier bis sechs Wochen der Höhepunkt der laufenden Coronawelle sein wird. Das sehe ich in Abwesenheit einer neuen, signifikant anderen Virusvariante genauso, würde aber erst Recht dem Narrativ widersprechen, dass mit Beginn der kalten Jahreszeit sich erst eine Welle aufbaut. Sie würde sich dann im Oktober, wenn es eher noch kälter und schmuddeliger wird, wieder abflachen. Valipour spricht vor allem Risikogruppen an, allerdings fehlt mir schon seit längerem eine Erweiterung und Aktualisierung der Risikogruppendefinition – denn bereits von Longcovid und MECFS betroffene Menschen zählen ebenso zur Risikogruppe. Bei diesen kann jede Infektion zu einer weiteren und dauerhaften Verschlechterung ihres Gesundheitszustands führen. Das sind nicht wenige in Österreich, etwa eine halbe Million Menschen ist betroffen.
“Bei Kindern besteht keine Impfverpflichtung, da sie in der Regel mildere Verläufe haben.”
Ich lese diese Aussage so, dass der Redakteur das so interpretiert hat, denn niemand sprach von Impfpflichten, weder für Kinder noch für Erwachsene. Natürlich ist es sinnvoll und empfehlenswert, Kinder zu impfen, weil – wie bei Erwachsenen auch – nach milden Akutverläufen Spätfolgen entstehen können, und Kinder darunter – im Gegensatz zu älteren Erwachsenen – viele Lebensjahrzehnte mit den Folgen zurechtkommen müssen, etwa Allergien, Asthma oder Diabetes, aber auch das klassische Post-Covid-Syndrom mit Fatigue und gesellschaftlicher Isolation.
Auf die Frage nach einer möglichen Maskenpflicht antwortet Valipour: „Maske ja, Pflicht nein.“ Anstelle einer Pflicht plädiert der Experte für mehr Bewusstsein zum Schutz gefährdeter Gruppen. Personen mit Symptomen sollten zum Schutz anderer in geschlossenen Räumen eine Maske tragen.
Eigenverantwortung funktioniert nicht, das haben wir nun wirklich jahrelang zur Genüge beobachten können. Gesundheitspersonal sollte außerdem mit gutem Beispiel vorangehen statt Patienten blöd anzuquatschen, die aus Selbstschutz Maske tragen. Stattdessen sehen wir einen klaren Rückfall in der Gesellschaft zu mehr Rücksichtslosigkeit als vor der Pandemie. Krank bleibt kaum noch jemand zuhause. Man erfährt nicht mehr, ob sich jemand getestet hat, ob bereits der Partner oder die Kinder krank sind und man besser Abstand halten sollte. Die Leute gehen krank in den Urlaub, sitzen krank im Frühstücksraum und gehen krank auf Konzerte. Bevor Eigenverantwortung gelebt werden kann, fehlt Aufklärung, aber auch die Bereitschaft sich aufklären zu lassen. Ich sehe beides nicht.
Grundsätzlich stimme ich Valipour zu, hier richtet sich die Kritik eher an den Redakteur des Interview-Abdrucks.
Impfschutz und die Notwendigkeit von Schulschließungen
Ich stimme dem Grundrésumée von Nikzad grundsätzlich zu: Österreich hat die Pandemie schlecht bewältigt. Es findet keine Aufarbeitung statt. Corona ist aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden. Es ist viel schwieriger an Impfungen, Tests und Medikamenten zu kommen. Viele Hausärzte scheinen zudem nicht gut aufgeklärt über Paxlovid oder Metformin für ihre Patienten.
Wir sind aus einer monothematischen Corona-Fixierung in eine ignorante Corona-Negierung gekippt.Urplötzlich.Ich hab den Kipppunkt ehrlicherweise garnicht mitgekriegt.
Ich schon. Omicron wurde 2022 für “mild” erklärt. Das sei keine Durchseuchung, sondern eine Immunisierung, sagte Simulationsforscher Popper damals. Diese verursachte 2022 ähnlich viele Tote wie im ersten Pandemiejahr. Mit der Verharmlosung sanken die Impfraten, denn wer will schon 1-3 Tage unangenehme Impfreaktionen wegen einem “Schnupfen” hinnehmen müssen? in der zweiten Jahreshälfte 2022 und Anfang 2023 wurde die Maskenpflicht mit der Begründung aufgehoben, dass die Intensivstationen nicht mehr gefährdet seien. Was wurde aus “schau auf mich, schau auf dich”? Nach dem Maskenpflichtende in den Wiener Öffis hat die Mehrheit von einem Tag auf den anderen aufgehört, Maske zu tragen, obwohl die Winterwelle mit XBB.1.5 im Februar/März kurz vor ihrem Höhepunkt stand. Es gab nicht mal eine Empfehlung. Gesundheitsstadtrat Hacker sagte davor schon, wie sehr ihm die Maske zum Hals heraus hängen würde. Dann wurde im Gesundheitswesen die Maskenpflicht aufgehoben. Gesundheitspersonal als unser Vorbild im Umgang mit Krankheiten trug ebenfalls großteils von einem Tag auf den anderen keine mehr. Manche verbrannten sie sogar instagramgerecht. Wie wirkt das wohl auf die Bevölkerung? Im Juni 2023 wurde die Meldepflicht aufgehoben, im Dezember kam das Aufarbeitungspamphlet der Bundesregierung mit dem Titel “Nach Corona” – in der zugehörigen Pressekonferenz wurde kräftig gehustet vom Bundeskanzler abwärts. Nein, es geschah ganz und gar nicht urplötzlich, sondern begann mit der Omicron-Variante ab Weihnachten 2022.
Und heute wissen wir, dass die Impfung vor einem schweren Verlauf schützt, aber nicht vor einer epidemischen Ausbreitung des Virus. Weil man trotz Impfung ansteckbar und somit auch ansteckend ist. Als ich also alle Nichtgeimpften als asozial beschimpft habe, weil sie sich nicht im Sinne der Herdenimmunität impfen ließen, habe ich geirrt. Ich habe mich total geirrt. Ich lag falsch und ich habe Menschen zuunrecht verurteilt und unter Druck gesetzt.
Hier hat Nikzad offenbar eine schlechte Erinnerung an die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen die Virusvarianten. Er irrt sich schlicht und einfach, denn bis zur Delta-Variante, die bis etwa Mitte, Ende Dezember dominiert hat, waren drei Impfdosen weiterhin hochwirksam, um eine Infektion zu verhindern. Zwei Impfdosen erzeugten bereits gegen Alpha (etwa März 2020 bis Juni 2020) rund 90% Infektionssschutz, drei Impfdosen gegen Delta ebenfalls rund 90% Infektionsschutz.
Eine hohe Grundimmunisierungsrate bestehend aus drei Impfungen hätte uns im Herbst 2021 einen Lockdown erspart. Es lagen im Spätsommer und Herbst 2021 überdurchschnittlich viele Ungeimpfte in den Spitälern und verhinderten dadurch einen Regelbetrieb, bzw. kam es teilweise zur Triage. Es gab sicherlich einige, wenige Ungeimpfte, deren medizinische Bedenken unzureichend ausgeräumt wurden, oder denen wegen Unverträglichkeiten/Allergien gegen Bestandteile der Impfung abgeraten wurde. Das waren aber Menschen mit rationalen Argumenten, mitunter schwerem Zwiespalt, eine Infektion in Kauf nehmen zu müssen. Doch um die geht es hier nicht, sondern um eine laute Minderheit, die Desinformation über die Impfung verbreitet hat und bis heute verbreitet, die nicht nur gegen die Impfung waren, sondern sich generell nicht an Schutzmaßnahmen halten wollten, weil sie die Pandemie leugneten.
Zu dem Zeitpunkt, wo man über 3G, 2G-Regeln, über Maske tragen für Ungeimpfte debattiert hat, war die Impfung noch effektiv gegen Infektion, ein echter Solidarakt für die Mitmenschen. Wer sich dem widersetzt hat, nicht aus medizinischen Gründen, sondern weil er es nicht eingesehen hat, der war wortwörtlich asozial.
Mit Omicron galt der Schutz gegen Infektion nurmehr kurzzeitig. Wir haben uns nicht geirrt über die Impfung, sondern Omicron hat die Rahmenbedingungen geändert, die Impfung als einzige Waffe gegen epidemiologische Ausbreitung unzureichend – das war sie vorher schon, jetzt aber noch mehr. Deswegen war der Lockdown gegen Ungeimpfte ein Fehler, der spätestens mit der Erkenntnis, dass Omicron den Ansteckungsschutz unterläuft, hätte rückgängig gemacht werden müssen. Deswegen wurde die Impfpflicht zurecht gekübelt, obwohl sie für das Bildungs- und Gesundheitswesen weiterhin sinnvoll gewesen wäre, weil diese Berufsgruppen besonders oft exponiert sind und hohe Viruslasten inhalieren.
Bis heute sorgt jede Impfung für einen befristeten Schutz gegen Ansteckung, der aber auch davon abhängt, wie viel Virus inhaliert wird und wie stark und schnell sich beim Individuum neutralisierende Antikörper entwickeln. Viele Impfdurchbrüche haben sich wahrscheinlich auch deswegen entwickelt, weil Geimpfte zu früh nach der Impfung wieder unter die Leute gegangen sind, bevor die Immunantwort vollständig ausgebildet war. Es fehlte also an Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung.
Und die Schulschließungen waren ein Riesenfehler!! Sie haben nur einen großen psychosozialen Schaden bei den Kindern und Jugendlichen hinterlassen, aber nur sehr wenig zur Entschleunigung des epidemischen Geschehens beigetragen. Ich war in der Pandemie auch ein Verfechter der Schulschließungen. Und auch da habe ich rückblickend geirrt.
Auch hier irrt Nikzad und zwar gleich mehrfach:
Schulschließungen waren die effektivste Maßnahme gegen die Ausbreitung des Virus: In Klassenräumen treffen rund 30 Kinder aus verschiedenen Haushalten auf engstem ungelüfteten Raum oft über Stunden hinweg aufeinander. Das Virus wird über Aerosole übertragen. Zahlreiche Studien haben schon seit 2020 gezeigt, dass im Kindergarten- und Schulbereich viele Infektionen passieren, dass Kinder häufig als Indexfälle das Virus in die Haushalte tragen, von dort zu den Eltern und Großeltern – wie auch bei anderen Infektionskrankheiten. Das ist nicht wirklich neu, jedes Elternteil kennt das von den eigenen Kindern. Noch im Winter 2019/2020 wurden Tiroler Volksschulen wegen der schweren Influenzawelle geschlossen, begründet wurde das mit “oberste Priorität hat die Gesundheit”
Nationale und internationale Daten zeigen längst, dass es in der Phase der Lockdowns keine Zunahme an Suziden gegeben hat – im Gegenteil, sondern zwischenzeitliche Anstiege mit Schulöffnungen. Schulen sind nicht nur ein Ort der Lebensfreude und des glücklichen Miteinanders – Österreich führt europaweit beim Mobbing in den Schulen.
großer Mangel an Kinderpsychiatern und Sozialarbeitern in Schulen schon vor der Pandemie
In Österreich waren die Schulen nie ganz geschlossen, die angebotene Notbetreuung wurde zahlreich genutzt, im Winter 2020/2021 konnte man beinahe normalen Unterricht machen
Es fehlte an finanzieller Unterstützung, technische Mittel für Homeoffice und Distance Learning, räumliche Enge gerade bei Migrantenfamilien, erhöhter Kündigungsschutz für Menschen, die kein Homeoffice machen konnten (“prekäre Systemarbeiter”). Viele Kinder haben darunter gelitten, dass ihre Eltern ihren Job verloren haben.
Zu hoher Leistungsdruck, vor allem Kinder und Jugendliche, deren Eltern berufstätig waren und denen etwa höhere Bildung fehlte, um mit den Kindern zu lernen, haben durch die Maßnahmen den Aufstieg in die höhere Schule verpasst oder mit schlechten Noten abgeschlossen.
Es hätte also einige begleitende Maßnahmen gegeben, um die schwerwiegenden Folgen geschlossener Bildungseinrichtungen abzufedern. Schaut man aber in Länder, wo die Schulen nie geschlossen waren, wie etwa Schweden, dann ist die Behauptung, dass Schulschließungen nur geschadet hätten, nicht haltbar. Sie haben bei der Pisa-Studie (2020-2022) schlechter abgeschnitten als Österreich, die Zahl der Diabetesfälle ist um 62% gestiegen und Kinder werden vier Mal so oft wie in Norwegen und Dänemark mit Antidepressiva behandelt.
Wie viele Tote und Schwerkranke hätte es ohne Maßnahmen gegeben?
Diese Frage ist es, die nie gestellt wird. Dabei ist sie viel wichtiger. Wie viele Tote, Schwerkranke und chronisch Kranke hätte es zusätzlich gegeben, wenn die Schulen offen geblieben wären? Wie viele Kinder zusätzlich wären zu Halb- oder Vollwaisen verloren, zu einem Zeitpunkt, wo es noch keine Impfung gab? Wie viele Kinder wären zusätzlich noch vor Omicron erkrankt, als das Multientzündungsssyndrom MISC wesentlich häufiger aufgetreten ist? Wie viele vulnerable Kinder wären zusätzlich verstorben, bevor es die Chance gab, sie durch eine Impfung zu schützen?
Die Frage wurde durch ein nicht durch die Eltern authorisiertes Experiment teilweise beantwortet, nämlich in der Deltawelle 2021. Die Bundesregierung koppelte die FFP2-Pflicht im Schulunterricht an die Auslastung der Intensivstationen. Erst mit dem Eintreten der Überlastung im Herbst 2021 gab es eine Maskenpflicht im Unterricht, wo die meisten Infektionen stattfinden. In der Welle 2021/2022 mit Delta und dann BA.1/BA.2 haben sich zahlreiche Kinder und nachfolgend auch Eltern infiziert, darunter schwere Erkrankungen und Todesfälle. Sie hätten von Beginn an geschützt werden können, wenn man eine Maskenpflicht im Unterricht durchgesetzt hätte, unabhängig davon, wie viele Erwachsene auf den Intensivstationen lagen. Die Impfung für Kinder unter 12 Jahren wurde erst im November 2021 zugelassen – das wollte niemand abwarten. Die Strategie war, über die Durchseuchung der Kinder auch die Impfunwilligen zu erreichen, das hätte die zitierte Herdenimmunität generieren sollen – mit der hohen Reinfektionsrate seit Omicron aber nicht mehr erreichbar.
Was man hätte tun können und schon seit Herbst 2020 bekannt war und sogar empfohlen wurde: Für saubere Luft in Innenräumen sorgen, durch Lüftungsanlagen, Fenster öffnen und mobile Luftreiniger, ebenso aber auch konsequente Tests bei Kindern. Natürlich hätten sich Erwachsene stärker einschränken müssen, statt unzählige Ausnahmen zu definieren, nachdem im Lockdown viele heimliche Partys und Feste gefeiert wurden – übrigens auch von Jugendlichen, die man offenbar nie aufklären wollte.
Die psychosozialen Folgen gab es, das negiere ich nicht, aber sie sind differenzierter als es hier suggeriert wird und haben nicht nur damit zu tun, ob eine Bildungseinrichtung zugänglich oder nicht war.
C19 ist gottseidank mittlerweile so wie die Grippe, nicht ganz harmlos, aber auch kein Grund zur Panik.
Weder von der Sterblichkeit, den Hospitalisierungszahlen noch von den Spätfolgen ist Corona “mittlerweile so wie eine Grippe”. Longcovid kommt in seinem Beitrag mit der Überschrift “Post Covid” ironischerweise nicht vor. Dabei trifft das auch Kinder. Unabsehbar lange Isolation durch Krankheit ist ein ungleich schwereres Schicksal als zeitlich befristete Kontaktbeschränkungen.
Nikzad möchte für künftige Pandemien besser gerüstet sein. Wir wissen vor der nächsten Pandemie sehr wahrscheinlich noch nicht, ob und wie stark Kinder gefährdet sind. Es muss die Möglichkeit bleiben, dass man auch die Gesundheit der Kinder schützt, auch jetzt noch. Denn kein Kind muss jetzt seine Masern, Keuchhusten, frühen RSV- und Influenza-Infektionen in regelmäßiger Abfolge aufsammeln. Frühe Virusinfektionen im Kindesalter können schädlich sein – bei lange als harmlos betrachteten Rhinoviren (Schnupfenviren) können Infektionen in der Kindheit Asthma und Allergien im Erwachsenenalter begünstigen. Es ist eine Grundsatzfrage, wie wir mit unserem wertvollsten Gut, den nachkommenden Generationen umgehen, mit vulnerablen Kindern und deren Angehörigen, mit Inklusion, aber auch mit Mobbing und ständigem Leistungsdruck in einer Welt, wo viele Krisen aufeinanderkommen, aber statt auf Lösungssuche nurmehr auf Populismus gesetzt wird.
Angst- und Strafsujets sind sicherlich die falschen Ratgeber, aber das gilt auch für pandemierevisionistische Schnellschüsse.
Ich weise abschließend daraufhin, dass wir nicht den doppelten Boden dieser und ähnlicher Aussagen übersehen sollten. Viele Mediziner und Wissenschaftler weltweit sind verbalen und körperlichen Attacken ausgesetzt, weil sie sich überhaupt noch zu Corona äußern, weil sie pro Impfung sind oder pro Masken, weil sie weiterhin für den Schutz anderer werben, weil sie über Longcovid aufklären oder die Kinder in den Schulen schützen wollen. Österreich ist da keine Ausnahme. Die Virologin von Laer ging nurmehr mit Perücke aus dem Haus, nachdem sie Anfang 2021 einen regionalen Lockdown in Tirol wegen der Beta-Variante forderte. Viele Wissenschaftler und MedizinerInnen verharmlosten im Verlauf der Pandemie zunehmend, weil sie sich und ihre Familien aus der Schusslinie von wüsten Beschimpfungen und Bedrohungen nehmen wollten. Umweltmediziner Hutter etwa propagierte nurmehr Händewaschen, weil auf Maskenempfehlungen mit emotionaler Abwehr reagiert wurde. Andere haben sich überhaupt zurückgezogen und geben keine Interviews mehr. In Österreich sind am 29. September Nationalratswahlen und in Umfragen führt die rechtsextreme und verschwörungsideologische FPÖ, die massiv Stimmung gegen die Maßnahmen und Impfung gemacht hat. Gefordert ist also auch ein besserer Schutz von Wissenschaftlern und Medizinern, die sich in die Öffentlichkeit stellen – wobei der Feind da auch in den eigenen Reihen lauern kann, wenn sie sich gegen die Linie ihres Geldgebers stellen und etwa Aussagen treffen, die nicht dem major consensus narrative entsprechen, aber im Gegensatz zu Verharmlosern und Verschwörungsideologen Menschen aufklären und schützen wollen.
One thought on “Wenn Mediziner und Wissenschaftler falsche Narrative übernehmen, ist das gefährlich”
Vielen Dank nochmal für die wichtigen Erklärungen in diesem Blog. Es geht für viele um Leben und Tod, und wenn nicht das, dann trotzdem um schwere Langzeitfolgen.
Habe in der Regenbogenpresse eben von einer Frau in Österreich gelesen, die wegen fahrlässiger Tötung ihres Nachbarn bestraft werden soll. Ich frag mich, hatt sie in unserem Zeitgeist nicht ein Orden verdient? Dezember 2021 ist nicht so weit entfernt. Man mag über die Amplitude von Wellen in Grafiken streiten, aber was die Frau gemacht hatt ist doch damals wie heute die gängige Praxis.
So fast vor einem Jahr im Herbst 2023 in Taipei, bin ich ja mal einen Tag lang U-Bahn, S-Bahn und Bus in der Stadt rumgefahren, habe viele Orte besucht, alles ohne Maske. Die Aufteilung unter der Bevölkerung war an dem Tag etwa 60% Maskenträger gegenüber 40% nicht-Maskenträger. Die Maskenpflicht bestand zu dem Zeitpunkt nur in Apotheken und medizinische Einrichtungen/Praxen. Bereits am nächstem Tag habe ich wieder überall dort wo ich eine Ansteckungsgefahr gesehen habe eine Maske getragen, und tu das bis heute weiter so. Es war für mich eine gute Gelegenheit, ohne Druck, weder von der einen Seite noch von der anderen, zu experimentieren und für mich selbst zu entscheiden was richtig ist. Für mich ist Gesundheit wichtiger wie irgend ein Grundschulenanpassungszwang. Ich lass mich da nicht unter Druck setzen. Zumindest wenn Pflichten zum Schutz der Gesundheit und Menschenleben nicht umsetzbar sind, weil sie zu “umständlich” bei trotzigen erwachsenen Kindern umzusetzen sind, sollte es nicht anders sein wie jetzt, wenn ich gleich raus gehe. Es regnet heute in Strömen, hatt nur etwa 6 grad plus. Ich zieh mir meine regenfeste Winterjacke an und nimm mir einen Schirm mit. Ich werde mit Sicherheit etliche Leute ohne Regenschirm begegnen, die einfach patschnass werden, aber auch einige mit Schirm. Vielleicht wirds so um die 50/50 sein. Ich erwarte eher nicht, dass ich von einem nicht-Schirm Träger angegriffen werde (ausser ich steche ihn mit diesem kleinen Metallding ins Auge vielleicht). Es wäre nicht nur schön, sondern meiner Meinung nach einfach 08/15 normal wenns bei FFP2 und ähnlichen Masken auch so wäre.
Vielen Dank nochmal für die wichtigen Erklärungen in diesem Blog. Es geht für viele um Leben und Tod, und wenn nicht das, dann trotzdem um schwere Langzeitfolgen.
Habe in der Regenbogenpresse eben von einer Frau in Österreich gelesen, die wegen fahrlässiger Tötung ihres Nachbarn bestraft werden soll. Ich frag mich, hatt sie in unserem Zeitgeist nicht ein Orden verdient? Dezember 2021 ist nicht so weit entfernt. Man mag über die Amplitude von Wellen in Grafiken streiten, aber was die Frau gemacht hatt ist doch damals wie heute die gängige Praxis.
So fast vor einem Jahr im Herbst 2023 in Taipei, bin ich ja mal einen Tag lang U-Bahn, S-Bahn und Bus in der Stadt rumgefahren, habe viele Orte besucht, alles ohne Maske. Die Aufteilung unter der Bevölkerung war an dem Tag etwa 60% Maskenträger gegenüber 40% nicht-Maskenträger. Die Maskenpflicht bestand zu dem Zeitpunkt nur in Apotheken und medizinische Einrichtungen/Praxen. Bereits am nächstem Tag habe ich wieder überall dort wo ich eine Ansteckungsgefahr gesehen habe eine Maske getragen, und tu das bis heute weiter so. Es war für mich eine gute Gelegenheit, ohne Druck, weder von der einen Seite noch von der anderen, zu experimentieren und für mich selbst zu entscheiden was richtig ist. Für mich ist Gesundheit wichtiger wie irgend ein Grundschulenanpassungszwang. Ich lass mich da nicht unter Druck setzen. Zumindest wenn Pflichten zum Schutz der Gesundheit und Menschenleben nicht umsetzbar sind, weil sie zu “umständlich” bei trotzigen erwachsenen Kindern umzusetzen sind, sollte es nicht anders sein wie jetzt, wenn ich gleich raus gehe. Es regnet heute in Strömen, hatt nur etwa 6 grad plus. Ich zieh mir meine regenfeste Winterjacke an und nimm mir einen Schirm mit. Ich werde mit Sicherheit etliche Leute ohne Regenschirm begegnen, die einfach patschnass werden, aber auch einige mit Schirm. Vielleicht wirds so um die 50/50 sein. Ich erwarte eher nicht, dass ich von einem nicht-Schirm Träger angegriffen werde (ausser ich steche ihn mit diesem kleinen Metallding ins Auge vielleicht). Es wäre nicht nur schön, sondern meiner Meinung nach einfach 08/15 normal wenns bei FFP2 und ähnlichen Masken auch so wäre.
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