Ich hatte schon immer die Muße, über den Ort zu bloggen, in dem ich lebe. Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Das Sein wird allerdings nicht in Salzburg bleiben. Vor zwei Jahren zog ich aus Jobgründen von Wien hierher und nach relativ exakt zwei Jahren werde ich Salzburg in Richtung Wien wieder verlassen. Ich hätte dauerhaft bleiben können, wohl nicht für immer, aber noch einige Jahre. Ich habe mich anders entschieden. Nach vielen Monaten reiflicher Überlegung steht eine endgültige Entscheidung. Ein Résumée, mit etwas Wehmut, aber auch mit vielen Blicken nach vorne.
Salzburg hat sich letzendlich nicht als der Ort herausgestellt, an dem ich länger verweilen möchte. Vorab: Meine Erfahrungen sind natürlich subjektiv und soll nicht jene Salzburger vor den Kopf stoßen, die gerne hier leben, die schon immer hier waren und die hier alt werden möchten. Ich mag die Stadt nicht, ich mag vor allem den Overtourism nicht, die extreme Oberflächlichkeit, die so offensichtliche Zweiklassengesellschaft, der wirklich schlecht ausgebaute öffentliche Verkehr mit Blechlawinen in der Stadt und am Land:

Symbol für die Salzburger Verkehrspolitik: Überfüllter Parkplatz am Gaisberg, blockierter Linienbus (27.12.2018)
Die Innenstadt ist für die Touristen, wer Auswahl für Einkäufe sucht, muss an den Stadtrand, der wiederum öffentlich schlecht erreichbar ist für Menschen, die tagsüber mehr vorhaben als nur einzukaufen. Radwege gibt es natürlich reichlich, für größere Einkäufe ist das Rad aber unpraktisch. Die Stadt ist ganzjährig überlaufen, am Wochenende, wenn es in Wien ruhiger wurde, wird Salzburg voller. Busse im Stau. Stehen sie nicht im Stau, fahren sie oft zu früh ab, ein Umstand, der mich zur Weißglut treibt, weil sich so unmöglich planen lässt. Mit Mozart und Festspielzeit kann ich nichts anfangen. Schaulaufen der Reichen und Schönen und der Politiker.
53 Gaisbergtouren summierten sich zwischen 03. März 2017 und 27. Dezember 2018. So häufig war ich noch nie auf einem Gipfel. Ich fuhr nie mit dem Rad, weil ich oft spontan entschied, wo ich absteigen wollte oder mit dem Bus zurückfuhr. Zudem nutzte ich den Rückweg häufig dafür, anstehende Einkäufe zu erledigen. Ja, den Gaisberg und seine Katzen werde ich definitiv vermissen.
Egal ob Seengebiet, Hohe Tauern oder zeitige Wanderungen im Tennengebirge und Berchtesgadener Alpen – ohne Auto sind viele Touren einfach nicht umsetzbar bzw. sehr umständlich und verhältnismäßig teuer, mangels günstigem Verbundticket. 1400 € für ein Jahresticket war mir dann doch zuviel.
Ich hab hier in zwei Jahren spärlich Kontakte erarbeitet. Nichts für regelmäßige Treffen, nichts für die Ewigkeit, mit dem bekannten Problem, wenn man selbst im Schichtdienst arbeitet und am Wochenende selten Zeit hat. Mit Vereinen tu ich mir schwer, ich bräuchte da bereits einen bestehenden Kontakt, der mich vorstellt, sodass ich nicht von Null anfangen muss. Von Kollegen und anderen Zugereisten wurden mir die gleichen Schwierigkeiten berichtet. Manche sind wieder weggezogen, weil sie nicht Fuß fassen konnten. So gesehen liegt es also nicht (nur) an mir. Die einheimische Bevölkerung ist verschlossen Fremden gegenüber. Das mag historische Gründe haben, bzw. die Abschottungstendenz durch den Massentourismus. Ich finde es einfach schade, dass sich auf meinen Wanderungen kaum Gelegenheiten ergaben, mit Gleichgesinnten in Kontakt zu treten. Erst im 50. Anlauf am Gaisberg führte ich längeren Smalltalk, erst bei den letzten zwei Wanderungen unterhielt ich mich länger mit einem anderen Bergläufer. Bei vielen Anfahrten mit dem Bus oder Bahn innerhalb Salzburgs war ich der einzige Wanderer, die Mehrheit benutzt das Auto. Es gibt auch kaum Wanderführer mit Bus und Bahn. Die meisten Tipps in den Lokalzeitungen sind für Autofahrer gedacht, wo der Ausgangspunkt anders einfach unerreichbar ist. Wie soll sich da etwas ändern, wenn von allen Medien suggeriert wird, dass öffentliche Touren unattraktiv sind?
Ich glaube, es ist auch der langfristig düstere Ausblick, der mich abschreckt, geduldig zu bleiben. Der Tourismus nimmt eher zu, der öffentliche Verkehr wird nicht so schnell ausgebaut, weil dazu die langjährigen Verträge geändert werden müssten, nach denen weitere Tarifkilometer Zuschüsse vom Staat erfordern, die aufzubringen er offenbar nicht politischen Willens ist. Von den Einkaufsmöglichkeiten wird eher noch mehr an den Rand abgesiedelt, weil die Kosten dort niedriger sind. Dabei zählen Anschluss an die Autobahn und Bundesstraße offenbar mehr als an Bus und Bahn. So wurde das Bergsportgeschäft Riap in Bad Reichenhall vom Zentrum an den Ortsrand abgesiedelt, ein Grillgeschäft in Maxglan ist nach Hallwang gewandert, der Iko, ein großes Bergsport- und Radgeschäft befindet sich ebenfalls dort.
Dass ich nicht Skifahren kann, ist in Salzburg gleichermaßen ein Ausschlussgrund für viele Bergsportaktivitäten zwischen November und April. 98% der Bergsportaffinen gehen Schitouren, ein unbekannter Bruchteil wie ich Schneeschuhtouren. In den Programmheften vom Alpenverein und der Naturfreunde sind überwiegend Skitouren ausgeschrieben, die wenigen Schneeschuhtouren sind mir zu anspruchslos oder passen vom Datum nicht. Die Schneesicherheit in den Nordalpen ist dann Segen und Fluch zugleich, denn um alleine Touren zu gehen, liegt leider zuviel Schnee. Dieses Problem habe ich in den Wiener Hausbergen meistens nicht. In den vergangenen zwei Jahren musste ich mich ständig rechtfertigen, warum ich keine Schitouren gehe und Schifahren nicht erlernen will. Dabei ist es relativ einfach: Grobmotorisch ist es nichts für mich, ich habe Probleme, bei hohen Geschwindigkeiten Kontrolle zu behalten. Zudem schätze ich meine entschleunigten Fotowanderungen.
Was geschieht mit dem Blog hier?
Derzeit befindet sich meine langjährige Webseite übers Wetter im Umbau auf WordPress. Dann möchte ich die wichtigsten Inhalte hier dort weiterführen. Es geht also nicht alles verloren, vielleicht ein bisschen Gesuder hier und dort, aber mit Sicherheit nicht die Bilder oder geschichtlich wertvolle Infos. Ich bedanke mich bei allen Lesern, die bis hierhin durchgehalten haben. Pfiat eich, servus und baba!
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