Prävention: Ich hab’s versucht. (Kolumne 20/08)

“What is with people watching videos, TikToks, whatever in crowded places without wearing headphones? Everyone else doesn’t was to hear your stuff.”

Helen Branswell, Wissenschaftsjournalistin (16.08.24)

“People stopped caring about others a long time ago…and we see it in various places in our day-to-day. It’s a me-first world out there. [….] When narcissism rises, empathy falls. People are losing the ability to talk to each other, jointly solve problems, and have perspective-taking skills that lead to seeing another’s point of view.”

Dr. Julie Gurner, Psychologin (16.08.24)

Ich blogge nun seit über vier Jahren zur Pandemie und kläre auch über andere Infektionskrankheiten auf. Es ist erstaunlich, wie wenig die Öffentlichkeit schon vorher wusste und jetzt anscheinend noch viel weniger wissen will. Der K(r)ampf um Aufklärung wurde teuer erkauft. Mit dem Verlust von Bekannt- und Freundschaften, mit der Stigmatisierung als Außenseiter und mit Mobbing und Diskriminierung über Jahre, weil ich nicht gewillt war (bin), mich anzustecken wie alle anderen auch. Ohne meine naturwissenschaftliche Ausbildung und die direkten Wahrnehmungen in meinem Umfeld würde ich tatsächlich glauben, mich einer Sekte angeschlossen zu haben, im wahrsten Sinne des Wortes verrückt geworden zu sein und definitiv irgendwo falsch abgebogen zu sein.

Es macht was mit Dir, wenn Du anhand der Fülle an Daten und Studien weißt, dass SARS-CoV2 nie harmlos war und ist, die Menge der Toten real ist und auch die Langzeitgeschädigten keine Einzelfälle sind, wenn Du im direkten Umfeld, bei Bekannten und Freunden siehst, was Covid anrichten kann, und dass es nach einer Weile “nicht wieder gut ist”, und das Thema erledigt, nur weil die Regierung das gesagt hat. Gleichzeitig herrscht ein Ausmaß an Verdrängung und Verharmlosung, das ich mir nicht im Entferntesten vorstellen konnte vor vier Jahren. Nach Corona gibt es nicht. Corona ist jetzt für immer da, aber löst nicht alle anderen Infektionserreger ab, sondern kommt noch hinzu. Das erfordert eigentlich eine fundamentale Anpassung unseres Lebensstil. Statt “No Risk, no fun” heißt es immer öfter “High Risk for Fun” – die bewusste oder unwissende Inkaufnahme erhöhter Infektionsrisiken mit potentiellen Langzeitfolgen, nicht nur für mich, sondern wahrscheinlicher für ein vulnerables Umfeld – oft auch Menschen, die auf Fun verzichten müssen und sich dann trotzdem bei jenen anstecken, die nicht auf Fun verzichten wollen.

Den allerwenigsten ist bewusst und das wird auch nicht kommuniziert, dass Longcovid-Betroffene zum vulnerablen Umfeld zählen. In der öffentlichen Berichterstattung wird – die Pandemie ignorierend – so getan, als wären das immer noch dieselben Altersgruppen: Residenten in Alten- und Pflegeheimen, nicht Menschen jeder Altersgruppe mitten unter uns.

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Es ist verständlich, frustriert zu sein (Kolumne 18/08)

Verlauf der Pandemie in den Abwasserwerten der Bundesländer in Österreich, Stand 07.08.24
“Das unbeugsame Coronavirus” – wie man reagieren sollte, ohne zu verleugnen oder nachlässig zu werden, Eric Topol 03.08.24 (Geschätzte Inzidenz für die USA aufgrund von Abwasserdaten seit Pandemiebeginn)

Seitdem das Virus da ist, steigen die Infektionszahlen im Frühsommer an. Im ersten Jahr fiel es mit Aufhebung der Maskenpflicht zusammen, im zweiten Jahr mit allgemeinen Lockerungen aufgrund der Impfkampagne, im dritten Jahr mit weitreichenden Lockerungen und Aufhebung der Maskenpflicht und im vierten Jahr mit dem Ende der Meldepflicht und Aufhebung aller restlichen Schutzmaßnahmen. Im fünften Jahr ist nichts mehr da zum Aufheben und die Fallzahlen steigen bereits seit Ende April/Anfang Mai.

Mich eingeschlossen schränken hochvulnerable oder aufgeklärte Menschen seit fünf Jahren ihre Urlaubs- und Freizeitpläne unfreiwillig ein, weil sich die Mehrheitsbevölkerung nicht einmal an basale Gepflogenheiten halten will – nicht krank zur Arbeit gehen, nicht krank in ein Restaurant gehen, nicht krank frühstücken gehen im Hotel, keine kranken Kinder in die Schule schicken, etc. Im ersten Pandemiejahr hat das funktioniert, weil man musste oder Hotels schlichtweg geschlossen blieben. Das große Wirtshaussterben ist übrigens ausgeblieben dank der großzügigen Überförderung durch die Regierung, es hat lediglich die Schließungen bei jenen beschleunigt, wo absehbar war, dass kein Nachfolger übernehmen würde.

Auch wenn es nicht klug wäre, sich nicht auszuruhen, könnten Arbeit und Schule mit Fremdschutz stattfinden, wenn die erkrankten Personen eine FFP2-Maske tragen würden. Die gibt es seit Jahren längst in allen Farben. Niemand muss sich als medizinisch vulnerabel zu erkennen geben. Beim Restaurantbesuch sollte eben das Verantwortungsgefühl greifen – die Eigenverantwortung wird zur Fremdverantwortung, wenn mein Verhalten andere Menschen gefährden könnte. So wie ich auf einem schottrigen Steig am Berg keine Steine lostrete, die Wanderer weiter unten gefährden könnten, sondern aufpasse, wohin ich steige. Leider fehlt jegliches Gespür für die Folgen des eigenen Verhaltens, nachdem SARS-CoV2 als harmlose Erkältung oder “nicht schwerer als ein grippaler Infekt” geframed wurde.

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