Nachruf auf Judith Schossböck (1981-2024)

Mit Trauer und Bestürzung habe ich heute gelesen, dass sich Judith Schossböck am 10. Dezember für Euthanasie entschieden hat, um ihrem schweren MECFS-Leiden ein Ende zu setzen. Ihre Abschiedsnachricht und die Mitteilung von ihrem Partner findet ihr auf ihrer Webseite.

Ich bin im Laufe der Pandemie auf ihren Twitteraccount @judyintheskynet gestoßen und habe ihre Geschichte mit MECFS verfolgt. Sie hat mich neben vielen weiteren Betroffenen darin bestärkt, sich dafür zu engagieren, diese schwere chronische Erkrankung bekannter zu machen, die seit der Pandemie deutlich häufiger geworden ist – und leider immer noch wird, da SARS-CoV2 und auch andere Viren weiterhin MECFS auslösen können. Im August 2023 hab ich ihre Ausstellung im Künstlerhaus Wien besucht und war beim Symposium mit spannenden Vorträgen dabei, die zugleich aufgezeigt haben, wie dringend politisches Handeln ist. Persönlich hab ich sie nie gesehen oder kennengelernt, aber sie zählt zu den MECFS-Schicksalen der letzten Jahre, die mich innerlich berührt haben. Sie gehört zu der Minderheit an Betroffenen, bei denen die Impfung die Erkrankung leider verschlechtert hat. Das ist kein Plädoyer gegen die Impfung. Betroffene anerkannter Impfschäden haben genauso das Recht verdient, gehört statt instrumentalisiert zu werden. Letztendlich ist es durchaus wahrscheinlich, dass ähnliche Mechanismen die Erkrankung auslösen oder beschleunigen, und eine umfasssende Erforschung der Erkrankung hilft dann auch den wenigen Betroffenen, wo die Impfung tatsächlich der Auslöser war.

Wenn junge Menschen keinen anderen Ausweg als assistierten Suizid sehen, um ihre qualvollen Leiden zu beenden, dann läuft etwas gewaltig schief in der Aufmerksamkeit für und der Reaktion auf diese Erkrankung! Ihr Schicksal ist kein Einzelfall! Long Covid und MECFS-Betroffene haben deutlich häufiger Suizidgedanken als die Durchschnittsbevölkerung oder bei anderen, besser therapierbaren Erkrankungen. Die öffentliche Berichterstattung während der Pandemie bis zum Ende der Schutzmaßnahmen war ausgesprochen deprimierend, lange Zeit Spätfolgen negierend. Inzwischen häufen sich sich die Berichte hierzu, doch mit wechselnden politischen Verhältnissen ist nicht gewährleistet, dass auch mittelfristig in den Aufbau von Versorgungsstrukturen investiert wird. Gesundheitsminister Rauch finanzierte zwar das Nationale Referenzzentrum mit einem niedrigen Millionenbeitrag, aber Anlaufstellen für Betroffene sind Ländersache. Wo er Einfluss gehabt hätte, hat er ihn nicht genutzt – indem MECFS nicht in die Einschätzungsverordnung aufgenommen wurde, um einen Grad der Behinderung festzustellen. Was ist der Nationale Aktionsplan für PAIS dann wert, der keine anvisierte Zieldaten enthält?

In die richtige Richtung geht momentan die wachsende Aufmerksamkeit bei MECFS, die aber nicht vergessen darf, dass es auch sehr viele leicht bis moderat Betroffene gibt, die sich kontinuierlich verschlechtern, wenn man sie nicht ernstnimmt, falsch diagnostiziert, falsch therapiert, sie durch unkontrolliert zirkulierende Viruswellen gefährdet und durch die sozialen Netze fallen lässt. Was fehlt, ist neben sozialer Absicherung auch ein klares Bekenntnis der Politik, sich für Forschung einzusetzen, viel Geld zu investieren, um Medikamente zu entwickeln, die die Krankheit verlangsamen, aufhalten, bestenfalls heilen können. Ein Referenzzentrum, wo bestehendes Wissen gebündelt und an die Ärzteschaft weitergegeben wird, deckt die Grundlagen ab, aber nicht mehr. Da ist noch viel zu tun.

Es tut mir für sie leid, dass sie den Zeitpunkt nicht mehr erleben durfte, wo es wirklich einen Durchbruch in der Forschung geben wird. Ich hoffe, viele weitere Betroffene, die um ihr Leben im wahrsten Wortsinn kämpfen, können dies noch erleben.

Rest in peace, Judith.

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