
Grundlawinenanriss (“Schneemaul”) im steilen Waldgelände, Südhang, Wetterkogel (1115m), Ybbstaler Alpen (19.1.2016)
“Ich geh nur im Wald.”
“Auch da gibt es Lawinen!”
Verkürzte Wiedergabe eines Dialogs in einem Bergsportgeschäft in Berchtesgaden gestern Nachmittag.
Zugegeben, ich bin nicht sehr geübt in langen, ausführlichen Sätzen, insbesondere bei Smalltalk (mit Fremden) nicht. Ich ging dorthin, um mir erstmals ein Lawinen-Set (Suchgerät, Sonde, Schaufel) zu kaufen, weil ich zunehmend solo unterwegs bin und weil ich öfter in Gruppen unterwegs bin, wo ein Set verpflichtend für die Teilnahme ist. Wenn ich solo unterwegs bin, suche ich meine Touren sehr umsichtig aus. Lawinengefährdete Hänge meide ich prinzipiell, ebenso zu steiles Gelände, egal ob Wald oder freier Hang oder Rinne. Ich konnte nicht wissen, dass besagter Geschäftsinhaber Lawinen-Seminare leitet, er konnte nicht wissen, dass ich Meteorologe bin und kein geistiges Nackertbatzerl, was Lawinenkunde betrifft.
Er ging wohl eher vom deutschen Durchschnittskunden aus, der vor allem im Berchtesgadener Gebiet unterwegs ist und nannte mir ein paar lokale Ereignisse, wo auch im steilen Waldgelände Lawinen abgingen und Schneeschuhgeher verschütteten. Ehrlich gesagt hätte ich besagte Routen noch nie ernsthaft fürs Schneeschuhgehen in Erwägung gezogen, alleine schon gar nicht. Natürlich ist eine Tour zum Carl-von-Stahl-Haus verlockend, da es auch im Winter offen hat und eine Übernachtung bietet und bei nicht allzu hoher Lawinengefahr dürfte es auch ungefährdet zu gehen sein, speziell, wenn man die Pistenränder ausnutzt. Auch wie schon absolviert Schmuckenstein und Pfaffenbichel sind gefahrlose, niedrige Gipfelziele. Ambitionierter könnte der Untersberg über die Skiroute sein (mit Abstieg Seilbahn), oder um Kühroint herum. Hier wie dort gerät man aber schnell in steiles Gelände und steile Hang- oder Rinnenquerungen, wo die Lawinengefahr rasch ansteigt. Insgesamt auch eher günstiges Skitourengelände. Als Skifahrer entkommt man einer Lawine noch eher.
Was ich natürlich meinte, aber nicht sagte, ist, dass ich meine Ziele nach anderen Gesichtspunkten auswähle. Kein hochalpines, exponiertes Steilgelände wie im Sommer, sondern eher ein gemütliches Naturerlebnis. Zwar oft weglos, aber ungefährlich. Hierfür bieten sich die Salzburger Schieferalpen an, die sich vom Zeller See ostwärts bis etwa Radstadt ziehen, darunter befinden sich mehr oder weniger bekannte Gipfel wie Schwalbenwand, Schneeberg, Hochkeil, Hochglocker, Hochgründeck, Breitspitz, Schwarzenegg, Höllberg, Tannkoppen und Roßbrand. Dabei handelt es sich durchwegs um Gipfel mit sanften Rücken, zumindest auf einer Talseite, oftmals bewaldet bis Gipfelnähe, und großteils frei von Lawinen. Herausforderung ist eher, da es sich meist um weniger stark frequentierte Gipfel handelt, die Spurarbeit.
Die Osterhorngruppe bietet sich bedingt auch an, wobei zu den harmlosesten Zielen noch Gaisberg, Gurlspitze, Schwarzenberg, Lidaunberg, Filbling, Rannberg, Alpbichl und Trattberg zählen. Einige markantere Gipfel dieser Gebirgsgruppe weisen steile Hänge auf und aufgrund der oft massiven Neuschneefälle ist für mich dort eher Ende Gelände.
Was der Inhaber auch sagte – und überhaupt finde ich es positiv, dass er mir ins Gewissen redete, und ich sagte auch nichts, sondern ließ ihn gewähren – dass es natürlich auch auf die Schneequalität ankommt. Die ist im Winter 2017/2018 vom Schneedeckenaufbau her eher ungünstig. Seit dem Tauwetter über Weihnachten und danach hat es mehrmals in die Schneedecke hineingeregnet, dann ist sie wieder durchgefroren und derzeit brettlhart, teilweise vereist. Der zu erwartende Neuschnee ab Mitte Jänner fällt überwiegend als Pulverschnee bei deutlichen Minusgraden und erheblichem Wind. Dieser weist dann wenig oder keine Bindung zum kompakten Altschnee auf. Es ist, als würde der Neuschnee auf einen Spiegel fallen oder auf blanken Boden. Das wird die Lawinengefahr weiterhin auf hohem Niveau stabil halten.
Alles in allem, inklusive dem Umstand, dass ich viel alleine unterwegs bin, keine günstigen Bedingungen, um im Berchtesgadener Gebiet unterwegs zu sein. Ich bleibe da eher bei flachen Gipfeln ohne Steilhänge, wo ich mich nach Herzenslust austoben kann und meistens auf wenig Menschen treffe, weil sie in keinem Tourenführer stehen oder von der Karte her interessant ausschauen. Und jaaaa, von Salzburg-Stadt aus bieten sich da öffentlich wesentlich mehr Möglichkeiten als die nordstauverseuchte Umgebung im Winterhalbjahr zulässt.