
Heute ausnahmsweise wieder ein Text, der sich mit dem Titel meines Blogs beschäftigt. Es geht um die überraschende Ankündigung der Wiener Linien, die Fahrpläne am Wochenende teils deutlich auszudünnen. Das trifft vor allem Mitarbeiter der systemkritischen Infrastruktur, die seit Beginn der Pandemie den Laden am Laufen hält, und das ohne je besondere Wertschätzung, Personalaufstockung oder Gehaltssteigerungen erfahren zu haben. Es sind gerade Krankenhaus- und Pflegepersonal, Sanitäter und generell Schichtarbeiter, die frühmorgens unterwegs sind. Das betrifft auch mich direkt, der zum Tagdienst zwischen 5.50 und 07 Uhr unterwegs ist, und nach dem Nachtdienst zwischen 07 und 08 Uhr zurückkommt.


Im neuen Fahrplan gelten auf einigen Straßenbahn- und Buslinien jetzt 20-Minuten-Takte bis 06 Uhr und ein verlängerter 15-Minuten-Takt bis 07 Uhr (Samstag) bzw. 10 Uhr (Sonn- und Feiertag). Das ist einer Großstadt nicht würdig! Wer bei solchen Intervallen umsteigen muss, wartet schnell mal über eine halbe Stunde. Es war mir seit über 10 Jahren ein Privileg, nicht exakt auf die Uhrzeit schauen zu müssen, wenn ich öffentliche Verkehrsmittel benutze, da ja sowieso bald die nächste Verbindung kommt.
Treue Leser meines Blogs erinnern sich noch an meine Salzburger Zeit und die Flucherei darüber. Nach wenigen Tagen schon stellte ich fest, dass das Salzburger Öffinetz unterirdisch schlecht ist. Das war für mich einer der Gründe, weswegen ich mich nie in Salzburg heimisch gefühlt hatte, sondern bald nach Wien zurück wollte. Im Februar 2018 schrieb ich sogar einen Offenen Appell an die Salzburger Stadtregierung, sich der gravierenden Defizite im Öffinetz anzunehmen.
Und jetzt fällt mir mein geliebtes Wien, in das ich letztes Jahr zurückkehrte, so in den Rücken und will ernsthaft ähnliche Verschlechterungen wie sie in Salzburg seit Jahrzehnten Standard sind! Und das nicht irgendwann, sondern schon in 9-11 Tagen! Ich bin hauptsächlich aus zwei Gründen in den letzten 14 Jahren standhaft geblieben und habe nicht erneut Fahrstunden genommen, um das Autofahren (neu) zu erlernen:
Erstens die visuelle Reizüberflutung durch andere Verkehrsteilnehmer. Ich bin seit meinem Führerschein im Jahr 2003 erst einmal in der Großstadt (Frankfurt) gefahren und das war während einer Fahrstunde. Spurwechsel, zig Verkehrszeichen, Drängler, Rad- und Mopedfahrer, die sich zwischendurch schlängeln, Fußgänger, die zwischen geparkten Autos plötzlich die Fahrbahn betreten – ich kenne das als Fußgänger, Radfahrer, Beifahrer und im Taxi und bin immer froh, nicht selbst am Steuer zu sitzen. Auto fahren selbst auf der Landstraße war für mich in den knapp zwei Jahren, in denen ich regelmäßig fuhr, immer sehr stressig. Ich war schon die Stunden vor dem Auto fahren hypernervös und hatte nassgeschwitzte Hände. Im Studium hab ich das Auto nie vermisst und in Wien nie gebraucht. In Salzburg machte ich es mir zur Herausforderung, ohne Auto durchzuhalten, bis ich nach Wien zurückkehren konnte. Dafür fuhr ich dann ziemlich oft Taxi, obwohl ich das Jahresticket der Salzburger Linien hatte. Selbst die Taxifahrer, die vom schlechten Öffinetz profitierten, schimpften über das schlechte Öffinetz.
Zweitens ist es mein Beitrag zum Klimaschutz. Und in einer Zeit, wo Klimaschutz und Vorbildwirkung so wichtig ist wie noch nie für die Menschheit, will ich erst Recht nicht auf ein Auto angewiesen sein. Ich will zeigen, dass es auch anders geht. Das wird aber nicht leichter, wenn die Frühverbindungen zur Arbeit, aber auch für Ausflüge schlechter werden. In einer Pandemie, mitten im Lockdown, erst Recht nicht. Es sind einfach mehr Stadtbewohner unterwegs als vor Corona, auch zu untypischen Zeiten. Viele wollen eben doch nicht nur zuhause sitzen, sondern sich bewegen. Je mehr Personen pro Verkehrsmittel, desto höher das Infektionsrisiko. Das ist derzeit leider auch Fakt. Ich bin öfters alleine und dadurch zwangsläufig mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs als vorher, wo ich bei anderen im Auto mitfahren konnte. Im Jänner hab ich alle Wochenenden frei. Wenn man den Tag ausnutzen will oder weiter wegfahren will, muss man früh losfahren. Bei solchen Intervallen gerät man zwangsläufig in vollere Garnituren, die man eigentlich meiden will. Bei einem 15-20-Minuten-Intervall macht es auch keinen Sinn, auf die nächste zu warten.
Wenn das wirklich durchgezogen und nicht aufgrund des massiven Protests zurückgezogen wird, dann droht ein Teufelskreislauf: Dann fahren nämlich noch weniger Fahrgäste und steigen aufs Auto um, was weitere Argumente liefert, den Fahrplan noch weiter auszudünnen. Auf diese Weise gab es auch über Jahrzehnte Rückschritte und Stillstand in den Bundesländern, wie in Kärnten, im Burgenland und weiten Teilen Niederösterreichs, wo Nebenbahnstrecken stillgelegt, Intervalle ausgedünnt und Busse nur unregelmäßig eingesetzt wurden. Leidtragende waren vor allem das Waldviertel, das westliche Mostviertel (Ybbstaler und Türnitzer Alpen) und Teile des Weinviertels. Jetzt erst startet eine Revitalisierungsphase, aber jetzt, wo Nebenbahnstrecken durch Radwege und Straßen ersetzt wurden, gibt es nicht überall eine Rückkehr.