
“Massentierhaltung und Klimakrise haben enorme Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen. Auch die Corona-Pandemie ist ein Resultat der Übertragung eines Virus von Tier zu Mensch. Wir müssen weg von der Reparaturpolitik – hin zu einem nachhaltigen, umfassenden Ansatz, der alle Bereiche miteinschließt und diese Wechselwirkungen zwischen Mensch, Tier und Umwelt versteht.” (Gesundheitsminister Rauch, 03.11.22)
Wenn uns die Pandemie eines gelehrt haben sollte: Prävention ist nachhaltiger als Reparaturmedizin. Ein Mensch, der Covid19 erkrankt, dessen Nerven, Gefäße und Gehirn irreparabel geschädigt werden, wird nicht mehr die gleiche Lebensqualität und -erwartung wie vor der Infektion erlangen. Jede verhinderte Infektion verhindert auch langwierige Verläufe und notwendige Reparaturmedizin, die nurmehr selten 100% wiederherstellen kann.
Meine Lehren aus der Pandemie:
- Wenn ich schon vor Jahren gewusst hätte, wie gut FFP2-Masken vor Infektionen schützen, hätte ich in Öffentlichen Verkehrsmitteln und beim Arzt im Wartezimmer immer eine getragen, jedenfalls zur klassischen Erkältungszeit. Das hätte mir wochenlange Krankenstände bzw. verringerte Leistungsfähigkeit erspart. Ich werde Masken jedenfalls weiter tragen, bis auf weiteres ganzjährig.
- Ich habe zu wenig auf meine Gesundheit geachtet, und gleichzeitig nie darüber nachgedacht, dass mein grippaler Infekt und die Viren, die ich aushuste, Menschen mit Immunschwäche gefährden könnten. Vielen sieht man ihnen ihre Immunschwäche ja nicht an. Zwar war ich auch schon vor der Pandemie nie derjenige, der unbedingt krank arbeiten gehen musste, was mir nicht nur Vorteile eingebracht hat, aber jetzt sehe ich es noch weniger ein, mich (und andere) zu gefährden, sondern ich schätze die Lebensqualität noch mehr als vorher.
- Vor der Pandemie war ich nie Grippe impfen, jetzt bin ich auch durch die MECFS/LongCOVID-Berichte wesentlich demütiger und vorsichtiger geworden. Ich gehe jährlich Grippe impfen und würde nicht mehr so töricht mit nicht auskurierter Infektion wieder Sport treiben wie früher. Schonung für den Körper ist wichtig.
- Viele Menschen hatten schon vor der Pandemie eine sozialdarwinistische Einstellung, stark beeinflusst von Esoterik und Neoliberalismus. Starkes Immunsystem schützt. Ich hatte diese Ansicht am Anfang der Pandemie auch, musste mich aber von dieser Vorstellung verabschieden, als die ersten Longcovid-Berichte eintrudelten von fitten Leistungssportlern. Vielleicht bin ich im Denken flexibler, wobei das höchst ironisch ist, weil ich normalerweise recht lange als Autist brauche, Veränderungen anzunehmen. Bei wissenschaftlichen Fakten geht es aber meistens schneller als bei persönlichen Veränderungen.
- Der sogenannte Qualitätsjournalismus hat bei wissenschaftlichen Fakten vollkommen versagt. Vor der Pandemie war ich regelmäßiger Ö1-Hörer, FALTER-Leser und kaufte auch regelmäßig STANDARD und PRESSE. Mittlerweile les ich nur noch ausgewählte Zeitschriften wie DATUM, DOSSIER oder einzelne ausgewählte Artikel. Nachrichten sind unerträglich geworden.
- Alle Parteien kann man auf den Mond schießen. Die Grünen haben sich 2022 entzaubert durch ein Gespräch mit einem Mitarbeiter aus dem Kabinett Kogler. Esoterischer Flügel, aber im Kern neoliberal wie ihr Koalitionspartner ÖVP. Wirtschaft über Gesundheit. Sie wussten sehr wohl Bescheid über LongCOVID, sind selbst vorsichtig, aber informieren die Bevölkerung falsch, sahen Kinder stärker durch Maßnahmen belastet als durch Krankheit und Verlust von Angehörigen.
- Besonders enttäuscht bin ich von den (roten) Gewerkschaften, die seit Ende des ersten Lockdowns schwurbeln, sich gegen Impf-, Test- und Maskenpflicht werten, und selbst bei Betriebsversammlungen nach Schlupflöchern suchten, keine Maßnahmen anwenden zu müssen. Das ist exkludierend. Mit “Sozialpartnerschaft” hat das nichts mehr zu tun.
Wie hätte sich die Pandemie entwickeln können, wenn wir auf die Wissenschaft gehört hätten?
Wir wollten noch im ersten Lockdown von Asien lernen, das seit Jahrzehnten Erfahrungen mit Pandemien hat und Masken trägt. Anfang Juli 2020 gab es eine Meldung, die mich aufhorchen ließ: 239 Wissenschaftler hatten eine Botschaft an die WHO: SARSCoV2 wird über die Luft (Aerosole) übertragen – die Maßnahmen müssen entsprechend angepasst werden. Da hätten wir schon beginnen sollen, uns von den Gesichtsvisieren zu verabschieden, endgültig auf Masken zu wechseln. Und dann beibehalten. Ebenso hätte das Thema saubere Luft in Innenräumen aufkommen müssen, wie im “Positionspapier: Lüftung von Schul- und Unterrichtsräumen” vom 08. September 2020 auch vorgeschlagen. Statt frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, die Langzeitwirkung haben und auch gegen andere Infektionskrankheiten – schon alleine eine verbesserte Frischluftzufuhr im Unterricht die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit verbessert, war es den verantwortlichen Politikern und Behörden zu teuer und aufwendig. Zudem rechnete man ja fest damit, dass die Pandemie mit Ankunft der Impfung vorübergehen würde. Warum sollte man teuer investieren, wenn man bald wieder zum status prae Pandemie zurückkehren konnte? Schon am 2. Jänner 2021, wenige Wochen nach der Entdeckung der ersten Virusvariante ALPHA, veröffentliche ein britisch-amerikanischer HIV-Forscher einen zynischen Text darüber, wie wir durch Massenimpfen in hohe Viruszirkulation hinein resistente Virenstämme erzeugen würden. Tan et al. (2022) bestätigten vor kurzem diese Prophezeiung: Hohe Viruszirkulation führt bei steigender Bevölkerungsimmunität zu neuer Variantenbildung, die vor allem auf Immunflucht getrimmt ist. Die Varianten sind also kaum infektiöser, aber können die durch Impfung und/oder Infektion gebildeten neutralisierenden Antikörper besser umgehen. Unzählige Studien haben seitdem belegt, dass nur eine “Impfung plus Maßnahmen-gesamtgesellschaftliche Strategie” die Pandemie langfristig unter Kontrolle bringen kann.
Wir hatten im ersten Pandemiejahr durchaus Ansätze in die richtige Richtung:
- Homeoffice dort, wo es möglich ist
- telefonische Krankschreibung
- Infektionskrankheiten wie Corona behandeln und nicht umgekehrt, also auch bei anderen Krankheiten aufklären, Impfkampagnen forcieren, und vor allem: Wer krank ist, bleibt zuhause.
Was aber von Beginn an gefehlt hat, waren begleitende soziale und psychologische Maßnahmen, auch die finanzielle Abfederung, erhöhter Kündigungsschutz im Krankenstand, kostenlose Masken für finanziell Schwache, zusätzliche Unterstützung für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf bzw. prekär arbeitenden Eltern, kostenlose Tablets, um Distance Learning-Phasen zu ermöglichen, wie es selbst die Ukraine offenbar vor dem Krieg hinbekommen hat. Wir hätten MECFS wie LongCOVID als Volkskrankheit sehen müssen, die noch mehr Anlaufstellen braucht, statt die Betroffenen ins Eck des eingebildeten Kranken zu schieben und abwechselnd durch AMS, PVA und ÖGK zu schikanieren.
Wenn wir all das und noch einiges mehr im ersten Pandemiejahr geschafft hätten – aber auch mit ALPHA und selbst bis zur Frühphase von DELTA war noch die Möglichkeit gegeben -, dann hätten wir SARS-CoV2 weitgehend eliminieren können. Natürlich funktioniert das nur mit Vorbildern. Ich hatte im ersten Pandemiejahr gehofft, dass besonders vorbildliche Gastronomie- und Tourismusbetriebe eine Art Gütesiegel bekommen, wenn sie besonders auf Infektionsschutz achten. Im zweiten Pandemiejahr hätten das Betriebe mit hoher Durchimpfungsrate sein können, denn da hat die zweifache Impfung noch relativ lange effektiv Reinfektionen verhindert. Auch Lüftungsanlagen oder Luftfilter hätten einen Pluspunkt in der Außendarstellung bringen können.
Stattdessen wurde in Österreich das Narrativ verbreitet, dass die Pandemie mit der Impfung vorbei wäre – was zur peinlichen Aktion im Herbst 2021 führte, dem vierten Lockdown auch für Geimpfte, weil durch DELTA, das bisher aggressivste und ansteckendste Virus, in kurzer Zeit sehr viele Menschen schwerkrank wurden. Bis heute sind die meisten Politiker, viele Pseudoexperten und die meisten JournalistInnen der festen Überzeugung, dass die Impfung ausreichen würde, um die Pandemie zu bewältigen. Dazu kommt die esoterische Immune-Debt-Hypothese, dass regelmäßige Infektionen das Immunsystem trainieren würden, was wohl der maßgebliche Grund ist, weshalb die Mehrheit der Eltern ihre Kinder nicht impfen lässt. Schließlich haben Impfgegner genug Skepsis bis Ablehnung gegen die Impfung gestreut. “Vaccination only” produziert ein perpetuum mobile an Varianten. Mit zunehmender Impfmüdigkeit muss das Virus nicht einmal groß weitermutieren – nachlassende Immunität sorgt dann für erneute Infektionswellen, und jedes Mal werden dabei neue LongCOVID-Fälle produziert. Covid19 schwächt auch das Immunsystem für mehrere Monate, sodass man anfälliger für andere Infektionskrankheiten wird. Die Gruppe der neuen Vulnerablen ist etwas, was man sich noch stärker anschauen sollte.
Was mir vor der Pandemie nie bewusst war: Spitäler waren vor allem zur Winterzeit immer am Kapazitätslimit, meist bei 85-90% Auslastung. Viele Influenzafälle, andere schwere Infektionskrankheiten, aber auch mehr Krankenstände beim Personal. Durch die großen Infektionswellen mit Covid19 wurde regelmäßig eine Überlastung des Personals erzeugt. Mit der Etablierung von SARS-CoV2 als unverändert pandemisches Virus, das nun neben Influenza, RSV und anderen Viren mit saisonalem Auftreten koexistiert, kann man sich auch als Laie leicht vorstellen, dass diese Überlastung ständig vorliegt – insbesondere mit deutlich dezimierten Personal durch Langzeitkrankenstände, verursacht durch LongCOVID oder Burnout. Dazu kommen regelmäßige Krankenstandsspitzen durch die Wellen selbst sowie kranke Kinder und nötige Pflegefreistellungen. Pensionierungswellen und Kündigungen aus Erschöpfung, Resignation oder Frustration setzen das I-Tüpfelchen. Das kann sich alles gar nicht ausgehen.
- Lazarus et al., A multinational Delphi consensus to end the COVID-19 public health threat (03.11.22)
- Dillon and Karan, Overcoming “failures of imagination”—rethinking the US covid-19 pandemic response (05.10.22)
- Sachs et al., The Lancet Commission on lessons for the future from the COVID-19 pandemic (14.09.22)
- Czypionka et al., The benefits, costs and feasibility of a low incidence COVID-19 strategy (13.02.22)
- Covid-19: An urgent call for global “vaccines-plus” action (03.01.22 – Impfen alleine reicht nicht!)
- Oliu-Barton et al., SARS-CoV-2 elimination, not mitigation, creates best outcomes for health, the economy, and civil liberties (28.04.21)
Man wollte auf die guten Vorschläge nicht hören. Jetzt wird es darauf hinauslaufen – in wenigen Jahren, dass eine größtenteils gesunde chinesische, teils auch gesamtasiatische Bevölkerung wahrscheinlich noch eher Zugang zu infektionsverhindernden Impfstoffen (Schleimhautimpfstoffe) haben wird, und damit gesund bleibt, während der Westen auf die bestehenden Impfstoffe und wiederholte Durchseuchung, akkumuliertes LongCOVID-Risiko und chronischen Fachkräftemangel setzt.
Rückschritt ins Mittelalter
Wir hätten all das verhindern können, wenn wir von Beginn an auf die Wissenschaft gehört hätten, insbesondere auf das Ausland mit guter Datenlage und regelmäßiger Überprüfung von Maßnahmen und Beobachtungsdaten von Erkrankten. Stattdesssen wird gerade die ganze Aufbauarbeit der Öffentlichen Gesundheit der letzten 175 Jahre zerstört. Mit den jetz vorherrschenden Narrativen ist es unwahrscheinlich, dass wir wieder gesundheitliche Fortschritte erleben werden. Kranke sind schließlich selbst Schuld an ihrer Krankheit. Vorerkrankung ist Schicksal, aber das kann man der Mehrheitsgesellschaft nicht aufbürden. Vulnerable sollen sich selbst schützen.

“Letztlich betrifft eine Atemwegspandemie wie Corona hauptsächlich die Vulnerablen – also diejenigen, die näher am Ende stehen als andere.” (Klaus Stöhr, Sachverständigenrat Deutschland, 13.07.22)
Q: If not lockdown, what can flatten the curve? Johan Giesecke, GBD-Begründer: One is immunity. The other is when people who are frail and old will die first and when that group will thin out you will get less deaths.” (17.04.20)
Die Stoßrichtung aller westlichen Staaten geht jetzt zu einer besonders perfiden, zynischen Art der Prävention: Wenn sich Vulnerable dauerhaft aus der Gesellschaft isolieren, können sie nicht erkranken. Wer vorerkrankt ist, muss seine Kosten selbst tragen. Gestützt wird das durch esoterische Ideologien, dass man an seiner Erkrankung selbst schuld sei, nur positiv denken müsste (Buchtipp: Radikale Gedankenwelt der Esoterik von Pia Lamberty und Katharina Nocun, 2022). Prävention wird zur individuellen Verantwortung umgedeutet, die Gesellschaft wird aus der Verantwortung entlassen.
Mit der jetzigen politischen Ideologie wären Abwassersysteme, trinkbares Leitungswasser, Schornsteine, Industrieabgasfilter und Abfallwirtschaft nicht mehr durchsetzbar. All das hat es bereits gegeben. Die Bevölkerung wird in mehrere Lager geteilt, nicht nur in “Vulnerable” und “Gesunde”, sondern es werden auch Menschen schlecht und lächerlich gemacht, die Prävention oder Heilung ausüben könnten (damals Hexen, heute Ärzte, die sich für Verhinderung von Infektionen einsetzen). LongCOVID-Ambulanzen sind Feigenblätter ohne Ressourcen. Wissenschaftliche Gremien und Kommissionen haben ebenso Feigenblattfunktion, sie haben oft politische Sprecher, sind intransparent von Entscheidungen, Referenzen und Aussendungen her und dienen dann als Bestätigung der Regierungslinie. Widerspruch ist selten, da alle von einem politisch vereinnahmten Arbeitgeber abhängen. Krankheiten werden als “gottgegeben” betrachtet, nur Durchseuchung würde Wellen brechen können. Alle, die sich dagegenstellen, sind Frevler.
Es ist nicht neu, dass engagierte Pioniere diskreditiert werden.
Der in Budapest geborene Wiener Chirurg und Geburtshelfer Ignaz Semmelweis gründete um 1847 herum an der ersten Wiener Geburtsklinik die strengen Händehygienevorschriften. Die Sterblichkeit bei Kindbettfieber sank deutlich. Die Theorie von Semmelweis, dass Ärzte durch mangelnde Handhygiene Krankheiten vebrreiten, wurde kritisiert, verhöhnt und lächerlich gemacht. Semmelweis wurde gemobbt und galt international als Netzbeschmutzer. Semmelweis wurde 1865 depressiv und starb in der Psychiatrie. Erst nach seinem Tod setzten sich die Hygienevorschriften nach und nach in der Ärzteschaft durch (Bericht im STANDARD, 24.03.20)
Genauso erhält es sich jetzt mit Masken und sauberer Luft. Jene, die für Frischluftzufuhr eintreten, haben mit heftigem Gegenwind zu kämpfen. Zum Einen hält sich hartnäckig der Zugluft-Mythos, zum Anderen wurde die Erkrankung bei Kindern nun jahrelang verharmlost. Die kollabierenden Kinderambulanzen sind ebenso wenig bekannt wie die Gefahren von Covid19 in der Schwangerschaft und für die Kinder selbst ohne Vorerkrankungen. Mehrere Studien haben inzwischen gezeigt, dass selbst bei symptomfreien Verläufen Beeinträchtigungen der Gefäße und der Lunge zurückbleiben können. Seit Monaten zeigt sich bei Kindern unter 15 Jahren in Europa eine anhaltende Übersterblichkeit. Der schwerwiegendste Mythos ist die Immunschuld-Hypothese:

“Immunschuld”-Konzept: Behauptung, dass Mangel an Kontakt mit Infektionen das Immunsystem der Kinder schwächt und dadurch schwerere Infektionen verursacht. Dafür gibt es aber keinerlei Belege.
Während der Abwesenheit von Infektionen schläft das Immunsystem nicht. Wir sind ununterbrochen Milliarden von Viren, Bakterien und Pilzen ausgesetzt. Das Immunsystem passt sich ständig diesem Kontakt an. Manche Infektionen können das Immunsystem sehr wohl schwächen, etwa Masern und Covid19. Derzeit sind die Kinderspitäler mit kranken Kindern überfüllt. Derzeit sind RSV, Influenza, Adenoviren, Parainfluenzaviren und viele andere mit höheren Inzidenzen im Umlauf als üblicherweise zu dieser Zeit. In Kanada aber, sind die Fallzahlen von RSV und Influenza nicht höher als letztes Jahr, aber mehr Kinder haben schwere Verläufe und sind deswegen im Krankenhaus.
Mit dem Wegfall aller Maßnahmen wie Masken tragen, können sich die Viren weit verbreiten. Durch die Infektionspause von diesen Viren ist der Großteil der Bevölkerung empfänglich und gleichzeitig exponiert. Das erklärt jedoch nicht, weshalb mehr Kinder schwere Verläufe erleiden. Eine Hypothese ist, dass viele Kinder mit viralen Infektionen nach COVID19-Erkrankung hadern. Wir wissen, dass viele Virenerkrankungen wie Masern und Covid19 für eine Schwächung des Immunsystems sorgen können, selbst nach milden Infektionen. OMICRON-Varianten haben sich unter Kindern leichter verbreitet (das zeigt übrigens auch die öffentlich vielfach falsch wiedergegebene KITA-Studie aus Deutschland) , wodurch viele Kinder nachfolgende Viren und Infektionen mitunter nicht so effektiv abwehren können wie zuvor.
Unglücklicherweise gibt es eine massive Personalmangelkrise im Gesundheitssystem. Gesundheitspersonal ist selbst von der Krankheit betroffen, viele verlassen den Gesundheitsbereich wegen Burnout und Unterbezahlung. Ohne Personal sind Stationen und Betten gesperrt. Ebenso gibt es einen anhaltenden Mangel von fieberreduzierenden Medikamenten für Kinder. Die Kombination aus Atemwegsinfektionswelle und ausgedünntem Gesundheitssystem wird gerne verwendet, um zu behaupten, dass Maßnahmen wie Maske tragen unser Immunsystem beeinträchtigt hätte. Das Gegenteil ist wahr: Die öffentlichen Maßnahmen der letzten Jahre haben die Krankheitslast in der Bevölkerung reduziert und die jetzige Krise nicht verursacht.
(Sinngemäß übersetzter Text der klinischen Immunologin und Allergiespezialistin Dr. Samira Jeimy, @UnambiguousScience, Ontario, Kanada, und der Pharmakologin Sabina Vohra-Miller)
Vorsätzliche Fehlinterpretation von Studienergebnissen über Maßnahmen in Kindergärten
Eine Journalistin der steirischen “Kleinen Zeitung” griff das Medienecho natürlich wie erwartet auf und schrieb am 5.11.22 einen von Falschinterpretationen und kühnen Behauptungen strotzenden Kommentar.
“Eine Studie von Robert-Koch-Institut und dem Deutschen Jugendinstitut zeigt nun, wovon viele Elternvertreter, Pädagoginnen und Ärzte längst überzeugt waren: Die Einrichtungen hätte man gar nicht erst schließen müssen, von den Kindern sei kaum eine Infektionsgefahr ausgegangen. Und noch mehr: Die Schließungen haben Eltern und Kinder stark belastet.”
Hat sie den Abschlussbericht der KITA-Studie überhaupt gelesen?
Warum bekommen dann KindergärtnerInnen doppelt so häufig Covid19 wie andere Berufsgruppen?
In der Executive-Summary (S.6ff) steht, dass Kleinkinder zu Wildtyp-Zeiten seltener infiziert waren als andere Altersgruppen und meist weniger Symptome hatten. Eine ausgeprägte Langzeitsymptomatik war nicht bekannt. Mit dem Auftreten der neuen Varianten änderten sich aber Empfänglichkeit und Übertragbarkeit bei Kleinkindern. Als die Kontaktbeschränkungen aufgehoben wurden, fand ein Nachholeffekt bei anderen Atemwegsinfekten statt, insbesondere im Frühherbst 2021 mit einer starken RSV-Welle. Wie sehr Kinder Teil des Infektionsgeschehen sind, hängt von der vorherrschenden Variante und den umgesetzten Maßnahmen ab. Bereits Hoehl et al. (2020) hat nachgewiesen, dass Kindergärten bei niedrigen Inzidenzen keine “Infektionstreiber” sind. Bei hoher Hintergrundinzidenz, wenn sich also Eltern und Großeltern vermehrt infizieren, gibt es auch mehr Einträge in den Kindergarten durch infizierte Kinder sowie Erzieherinnen. Dann fungieren auch Kindergärten wie Schulen als Virendrehscheibe.
“Kita-Kinder genauso wie Beschäftigte können bei Corona-Ausbrüchen Kontaktpersonen in ihrer Kita-Gruppe anstecken und das Virus auch in die Familien tragen. Mit der Ausbreitung der Alpha-, Delta- und Omikronvarianten hat sich die Infektiosität hin
Seite 7, Rolle von Kindertagesbetreuung in der Ausbreitung des Infektionsgeschehens
zu einer leichteren Übertragung in allen Altersgruppen entwickelt. Das Virus wird häufiger als anfangs auch aus der KiTa in das familiäre Umfeld getragen, sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen. Die umfangreichen Schutz- und Hygienemaßnahmen, die in der KiTa umgesetzt werden, schaffen es jedoch, das Risiko, sich als Kontaktperson einer infizierten Person in der KiTa anzustecken, deutlich niedriger zu halten als das Infektionsrisiko für Kontaktpersonen in privaten Haushalten.”
In der Diskussion und Schlussfolgerung (S.47ff) werden mehrere Einschränkungen genannt, weshalb die “Second Attack Rate” (SAR, wie viele Personen stecken infizierte Kinder an) bei Kindern geringer ist als bei Erwachsenen:
- geringere Testwahrscheinlichkeit
- geringere Viruslast oder -aktivität
- angeborene Immunität
- indirekter Schutz durch zelluläre Immunität aufgrund früherer Exposition gegenüber saisonalen Erkältungscoronaviren (z.B. OC43)
- Bei 0-5 Jahre alten Kindern liegen zu wenige Daten vor.
Laut Virologe Drosten gibt es weitere Ursachen für vermeintlich geringere SARS bei Kindern in Haushaltsstudien:
- Testanlass war in der Regel eine symptomatische Infektion – bei Erwachsenen natürlich häufiger, dadurch Kinder teilweise in Studien übresehen, obwohl sie das Virus in die Familien eingetragen haben (Antikörpertests besonders im frühen Stadium der Pandemie unzureichend)
- Probenmenge auf teils kleineren Abstrichtupfern bei Kindern in Haushaltsstudien geringer oder “vorsichtigere” Probenentnahme, dadurch weniger Probenmaterial und vermeintlich geringere Viruslast
Zusätzlich muss man beachten, dass in Deutschland Kita-Schließungen viel restriktiver gehandhabt wurden als in Österreich. Bei uns gab es praktisch immer eine “Notbetreuung” während Lockdowns, die bis hin zu einer Normalbewegung ging.
Seite 50: In den untersuchten Kitas steckten sich 9,6% der Kontaktpersonen eines Coronafalls an, in den Haushalten 53,3%. Trotzdem steckten sich in Kitas 33 Personen an, in Haushalten nur 24 – weil es in Kitas 343 Kontaktpersonen gab, in Haushalten nur 45.
Seite 32: “Ab der Alpha-Phase im Frühjahr 2021 waren auch Kinder im Kita-Alter deutlich an der Entwicklung des Infektionsgeschehens beteiligt.”
Die Betreiber des Studienaccounts selbst betonten in einem Twittervideo “Hygienebewusstsein und gegenseitige Rücksichtnahme sowie konsequente Hygienemaßnahmen.”
In Summe erweist sich sowohl Lauterbachs Zusammenfassung “Kitas hätten nie geschlossen werden dürfen” als auch die der “Kleinen Zeitung”-Journalistin “Von Kindern sei kaum eine Infektionsgefahr ausgegangen” als haltlos.
Eltern bilden sich das nicht ein, wenn ihre Kinder, vom Kindergartenalter bis zur Volksschule gefühlt jeden möglichen Infekt nach Hause bringen. Atemwegsinfekte sind an der Tagesordnung, durchaus auch mit unangenehmen Verläufen wie Erstickungsanfälle, Krupphusten, Fieber über 40°C. Warum sollte das bei Covid19, das über ausgeatmette Aerosole übertragen wird, anders sein? Zumal Covid öffentlich als Atemwegsinfekt geframed wird, obwohl das nur die Eintrittspforte ist, aber im ganzen Körper massive Entzündungen ausgelöst werden können. Lasst Euch nichts einreden!
Präventionsparadoxon
Die ersten Lockdowns haben die Fallzahlen nahe Null gedrückt. Zero COVID. Danach herrschte vielerorts der Eindruck, dass die Pandemie vorbei sein würde. Es gab kaum Ansteckungen in Kindergärten und Schulen, nicht einmal bei Notbetreuung, weil die Hintergrundinzidenz sehr niedrig war. Es gab zunächst nur wenige LongCOVID-Fälle. Erneute Inzidenzanstiege in anderen Ländern wurden ignoriert, wir sind ja eine Insel der Seligen. Das ist besonders paradox, da es immer hieß, wir würden ZeroCovid nicht umsetzen können – da wir keine Insel sein würden.
Die Impfung hat dann das zweite Präventionsparadoxon verursacht. Durch die Impfung wurden schwere Verläufe seltener. Da der Fokus von Regierung, Medien und Beratern (kurz: RMB) immer auf den Intensivstationen lag, nahm die Sichtbarkeit der Infektion langsam ab. LongCovid blieb lange unsichtbar. Zudem hielt sich das Narrativ, dass die Infektion mit der Impfung nur ein Schnupfen sein würde. Das würde das Schielen auf Inzidenzen ad absurdum führen, hieß es. Entsprechend zählte die tägliche Veröffentlichung der Inzidenzen nichts mehr, mehrere tausend Neuinfektionen pro Tag verloren ihren Schrecken.
Für den Großteil der ungeimpften Kinder hat sich jedoch wenig geändert. Das Virus ist durch die hohe Kontagiösität weiterhin gefährlich – durch signifikante Absolutzahlen an schwer erkrankten und langzeitbeeinträchtigten Kindern (-> Hepatitis, Diabetes, Asthma, Zöliakie), dazu kommen jetzt die hohen Zahlen an schweren Verläufen bei anderen Infektionskrankheiten, die durch das geschwächte Immunsystem nach Covid19-Infektion hervorgerufen werden. Dazu kommen Studien zu Lungen- und Gefäßschäden auch nach symptomfreien Verläufen. Mit dem Übergang zum politischen Pandemieende durch die Erwachsenenimpfung wurden Kinder ignoriert: Die Zulassung der Impfung für die 5-12jährigen (jetzt 0-4jährige) spielte keine Rolle mehr im öffentlichen Gesundheitsschutz. Der Umstand, dass Kinder und Jugendliche seltener schwere Verläufe haben als Erwachsene, wurde eiskalt genutzt. Einer der perfidesten Schritte war es nach meinem Empfinden, die Einführung von Maßnahmen in der Schule an die Intensivbettenkapazität zu koppeln, wie zu Schulbeginn 2021/2022 geschehen. Da ging es natürlich nie um Schutz der Kinder selbst, sondern die Ausbreitung des Virus über die Drehscheibe Schule zu steuern. Auch die der GÖG in Auftrag gegebene Modellrechnung, wie viele Infektionen man zulassen kann, bis die Spitäler kollabieren, drehte sich nie um die Verhinderung von Infektionen, sondern hier kalkulierte man damit, dass die Infektionswellen von den jüngeren zu den älteren Altersgruppen aufsteigen würden – und von den Jungen konnten eben wesentlich mehr krank werden, bis sich das überhaupt im Spital bemerkbar machen würde. LongCOVID? Auch hier Fehlanzeige.
Die vorsätzliche Falschinterpretation der deutschen KITA-Studie soll das Risiko für Kinder weiter verschleiern und die Öffnungsschritte danach rechtfertigen. Bis überhaupt je eine Aufarbeitung der Schuldfrage stattfindet, sind die Verantwortlichen Politiker längst in Rente oder nicht mehr im Amt.
Vergesst den Begriff VULNERABLE
Ich kann RMB-Vertreter nicht mehr ernstnehmen, die im dritten Jahr der Pandemie von “Vulnerable schützen” reden, oder behaupten, dass OMICRON “nur” für Vulnerable weiterhin gefährlich sein würde.
In einer alternden Bevölkerungspyramide nehmen die Risikogruppen für schwere Verläufe durch altersbedingte Immunschwäche stetig zu. Dazu kommen immungeschwächte Menschen aller Altersgruppen durch angeborene oder erworbene/medikamentös bedingte Immunschwäche. Nun kommen aber auch die LongCOVID-erkrankten Menschen selbst hinzu, das sind grob geschätzt mehrere hundert tausend Menschen, wenn man davon ausgeht, dass der Großteil der Bevölkerung sich schon ein- oder mehrfach infiziert hat.
Die Gruppe der “Vulnerablen” ist also so riesig und mitten in der Gesellschaft, mitten unter uns, dass man sie nicht von den “Unverwundbaren” segregieren kann.
RMB-Vertreter sagen jetzt, dass der politische Rahmen für Gesundheitsmaßnahmen sehr eng geworden sei. Diese Realität müsse man anerkennen. Man könne nur noch auf Schutz für vulnerable Gruppen setzen. Selbst Vertreter der “Vulnerablen” glauben, auf diesem Weg könnte noch etwas gehen. Doch machen wir uns nicht vor: Das Konzept “Vulnerable schützen sich selbst, der Rest lebt wie vorher” funktioniert nicht. In Österreich will es keiner so benennen, aber es ist die Ideologie der “Great Barrington Declaration” (GBD):
Diese wurde am 4. Oktober 2020 ins Leben gerufen, ein einflussreiches Dokument, das ursprünglich von medizinischen Experten ohne klinische Erfahrung stammte, die von einem libertär-rechten Thinktank, finanziert von Koch Industries, umgarnt wurden. Regierungen wurden darin aufgerufen, Masseninfektionen zuzulassen und “konzentrierter Schutz der Risikogruppen” als Weg zur Herdenimmunität. Die USA, Schweden, Österreich, UK, Brasilien, Kanada, etc. sind diesem Ansatz großteils gefolgt. Die Gruppe hinter der GBD ist das harmlos klingende American Institute for Economic Research. Doch das wahre Ziel dahinter ist die akademische Rückendeckung für extreme Anti-Regierung-Ideen, die zum Mainstream werden sollen. Einer der Entwickler der GBD war Scott Atlas, der Trump bei COVID-Fragen beraten hat. Mehr dazu: Koch Industries (22.12.21) und wie Schwarzgeld die Schulsicherheitsdebatte geprägt hat (08.03.22)
Wir wissen, es gibt keine Herdenimmunität, auch nicht von Welle zu Welle. Denn im Hintergrund zu jeder abflauenden Welle bauen sich neue Varianten auf.
Es ist ausgesprochen zynisch jetzt ausgerechnet den “Vulnerablen”, den LongCOVID-Betroffenen und engagierten Citizen Journalists/Scientists vorzuwerfen, sie würden die Realität verdrängen. Wir wissen sehr genau, wie eingefahren die Mehrheitsverhältnisse im Land sind, um etwas zum Besseren zu ändern. Wir wissen aber auch, dass es nie ausreichen wird, sich damit zufrieden geben zu wollen, Vulnerable zu schützen. Warum sterben dann immer noch vor allem Alte und Schwerkranke? Weil viele mitten im Leben stehen bzw ihre Angehörigen es tun. Wenn sie hoffentlich noch welche haben.
Ebenso wenig wird es ausreichen, gegen die rapide Erderwärmung zu hoffen, mit den bisherigen Maßnahmen, die unsere Wirtschaftsform weiter aufrechterhalten, durchzukommen. Auch die Klimaforscher und Meteorologen wie mir, die die Veränderungen sehen, wie beschissen schwierig es wird, da noch “rechtzeitig” das Ruder herumzureißen.
Warum machen wir trotzdem weiter? Weil man sowohl aus der Not als auch aus der Leidenschaft heraus für eine Sache brennen kann, speziell wenn es um etwas so wichtiges wie eine lebenswerte Zukunft geht. Ich will nicht in einer Gesellschaft alt werden, die im entscheidenden Moment versagt hat, solidarisch Rücksicht zu nehmen. Statt öffentlich jene solidarisch zu unterstützen, die für ein absolutes Minimum kämpfen – saubere Luft, Maskenpflicht – obwohl wir Isolationspflicht, breites Testangebot und mehr soziale Abfederung bräuchten mit gerechterer Kostenverteilung, redet man Politikern nach dem Mund.Das macht es dann um nichts besser zu sagen, dass man eine andere Meinung habe. Denn für “Vulnerable” hängt sehr viel von dieser anderen Meinung ab, und das Bild, was dadurch in den Medien erzeugt wird: Dass sie aufhören sollen zu kämpfen, denn es würde eh nicht besser.
Ich möchte auch nicht, dass die Medien ausgewogen über die Pandemie berichten – ich möchte, dass sie faktenorientiert berichten!
Da bin ich mal gespannt, wie das “Vulnerable schützen” aussehen soll, außer geschützte Bereiche wie Behindertenwerkstätten und Sonderschulen schaffen, nur ist das das Gegenteil von Inklusion.
Die unangenehme Wahrheit ist, dass wir diese und andere Krisen nur gesamtgesellschaftlich lösen können, nicht durch Segregation und Exklusion. Das führt in ein brandgefährliches Zeitalter zurück, während die radikalen Ideologien weiter an Boden gewinnen.