
Vor drei Wochen habe ich schon gefragt, wie lange wohl die relativ ruhige Phase andauern wird, und gemeint, dass in den Vorjahren auch zwischen Mitte Juni und Mitte Juli jeweils der Beginn einer neuen Infektionswelle stattgefunden hat. Jetzt sind drei Wochen vergangen und in den Daten sieht man eine klare Trendwende, wenn auch auf niedrigem Niveau. Markov et al. (2023) rechnete noch im April alle vier Monate mit neuen Wellen, basierend darauf, dass die Immunität der Bevölkerung sukzessive abnimmt, während sich neue Varianten mit Wachstumsvorteil durchsetzen. Das würde ungefähr hinkommen, denn im Februar/März war die letzte signifikante Welle mit der XBB.1.5-Variante.
- Im Juli 2020 wies ich auf den Fehler der verfrühten Lockerungen (Präventionsparadoxon) hin und dass ab Mitte Juni wieder steigende Infektionszahlen zu beobachten waren
- Im Mai 2021 habe ich zutreffend analysiert, dass die Ausgangslage ähnlich wie vor den Impfungen sein würde und mit den Öffnungen im Juni steigende Infektionszahlen vorhergesagt, auch auf DELTA habe ich dabei verwiesen.
- Im Mai 2022 habe ich zutreffend erkannt, dass es im Sommer 2022 eine Reinfektionswelle mit BA.5 geben wird.
Bitte nicht falsch verstehen: Ich würde mich wahnsinnig gerne einmal irren und die Infektionszahlen steigen nicht über den Sommer an. Wie jedes Jahr habe ich meinen Haupturlaub erst im Spätsommer bzw. Herbst. Jedes Jahr also, schon seit dem ersten Pandemiejahr, spucken mir die rücksichtslosen und sorglosen Sommerurlauber in die Suppe und zwingen mich zu noch mehr Vorsicht als ich ohnehin weiter betreibe (keine Indoor-Veranstaltungen, weitgehend keine Indoorgastronomie).
In Deutschland fand die Trendwende bereits Anfang Juni statt.
Was spricht für weiter steigende Zahlen?
- viel Reiseverkehr in den kommenden 2 Monaten
- viele Großveranstaltungen
- hitzebedingt vermehrter Aufenthalt in gekühlten Innenräumen (plus trockene Klimaanlagenluft, die Atemwege anfälliger macht)
- geringe Impfquote bei den Auffrischimpfungen mit den bivalenten Impfstoffen (siehe Seuchenkolumne von Robert Zangerle)
- abnehmende Schleimhaut-Immunität gegen derzeitige Varianten
- keinerlei Maßnahmen: keine Tests, keine Masken, keine Isolation
- steigende Abwasserwerte in den Nachbarländern bzw. Reisezielen
Was spricht für einen geringen Anstieg bzw. Stagnation auf niedrigem Niveau im Sommer?
- Schulferien
- derzeit keine Variante in Sicht mit klarem Wachstumsvorteil, die an XBB.1.5 bzw. an der Bevölkerungsimmunität mit Durchbruchsinfektionen mit BA.5 oder XBB* vorbeikommt.
- …
Wie gesagt – ich würde mich gerne einmal irren, so wie mit der XBB.1.16-Welle, die dann ausblieb.