
Mir sind sie nicht egal. Wir haben seit Dezember 2020 einen effektiven Impfstoff gegen schwere Verläufe und Tod, und müssen eine Covid19-Infektion dennoch fürchten. Seit drei Jahren sind es dieselben Personengruppen, die besonders gefährdet sind:
- ältere multimorbide Menschen, die den Immunschutz rascher wieder verlieren (Immunseneszenz)
- immungeschwächte Menschen nach akuter oder überstandener Krebserkrankung (hohe Todesraten v.a. bei Leukämie) und Organtransplantationen sowie angeborener Immundefekte
- Vor allem ungeimpfte Kinder insbesondere nach Mehrfachinfektionen
- Menschen mit besonderen (noch nicht gänzlich bekannten) Risikofaktoren für LongCOVID
- Immunkompente (“gesunde”) Menschen, die sich während/nach der Infektion nicht ausreichend schonen
Die ersten zwei Pandemie blieben ich und mein Umfeld von schweren Verläufen und LongCOVID verschont. Ich hab das nicht gebraucht, um aufzuklären, sondern habe aufgeklärt in der Hoffnung, dass wir weiter verschont blieben. Natürlich war das Wunschdenken, weil die Schutzmaßnahmen sukzessive weiter abgebaut wurden. Jetzt ist die Pandemie persönlich geworden, nicht für mich selbst, aber für Freunde und Bekannte, die sich nicht wieder erholt haben (bisher), die nach der Infektion deutliche kognitive Einschränkungen spüren und hoffen, dass sich das wieder ändern wird. “Ich brauch mein Hirn noch.” liegt mir so oft auf der Zunge, wenn mich jemand fragen würde, warum ich Maske trage. Glücklicherweise fragt niemand mehr.
Ich bringe das Mindestmaß an Empathie auf, dass mir meine Mitmenschen nicht egal sind. Traurig, wie viele Menschen das anders sehen. Liegt das an der Unwissenheit alleine, ist es mit Retourkutschen verbunden? Warum trugen so viele junge Menschen keine Masken mehr in öffentlichen Verkehrsmitteln, als sie noch vorgeschrieben waren? Wir wissen, dass sie in den Schulen schon lange nicht mehr geschützt werden. Sie wissen das wohl auch. Es ist trotzdem nicht richtig, dass sie andere Fahrgäste gefährden, darunter auch Kleinkinder, die keine Maske tragen können. Ich sitze in einem Wartezimmer mit Maske, herein kommen andere Patienten ohne Maske. Warum setzen sie keine auf aus Respekt, wenn sie jemanden sehen, der eine trägt und sich offensichtlich lieber schützen möchte? Der Schutz ist nämlich viel höher, wenn beide eine Maske tragen.
Mir ist es nicht egal, wenn Freunde nach LongCOVID die gemeinsamen Wanderungen oder Radtouren nicht mehr fortsetzen können und man nicht viel tun kann, außer weiter Daumendrücken, dass sich der Zustand von selbst wieder bessert. Mir ist es auch nicht egal, wenn man sich vor Arztbesuchen fürchten muss, wo man die Maske absetzen muss, etwa beim HNO, beim Hautarzt oder beim Zahnarzt, oder bei Untersuchungen mit Kurznarkose. Muss ich jetzt mit jedem Arzt diskutieren, ob er getestet ist, wie er es mit dem Lüften hält, hat er einen Luftreiniger? Trägt er die Maske konsequent? Weist er den Patienten, der mir vor mir dran war, aufs konsequente Maskentragen hin? Ich hab das große Glück, dass ich alle Impfungen bisher problemlos vertragen habe, auch wenn ich die optimalen Impfabstände wegen der verantwortungslosen Pandemiepolitik nicht einhalten konnte und wollte. Doch ich sorge mich auch um jene, die keine gute Immunantwort entwickeln, die die Impfstoffe schlecht vertragen und andere Impfstoffe bräuchten und aus verständlichen Gründen nicht so häufig nachimpfen wollen. Insbesondere, weil es bessere Impfstoffe gegen Ansteckung braucht – weil das bekanntlich LongCOVID am besten verhindert. Unabhängig vom Impfstatus sollte man sich immer nach einer Infektion schonen – Haus- und Sportärzte raten zu 6-12 Wochen verringerte Aktivität.
Das ist kein endemischer Zustand!

Die Zahl der berichteten Fälle (5000 bis 6000) ist erheblich geringer als das Abwassersignal widerspiegelt. Tatsächlich dürften wir derzeit eher 30000 bis 40000 Neuinfektionen pro Tag haben, vergleichbar mit der BA.2-Winterwelle im März 2022.

Die Boston University definiert endemisch als “gewöhnliche Häufigkeit einer Krankheit an einem bestimmten Ort”. Eine Epidemie ist eine Zunahme der Häufigkeit über der endemischen Rate. Epidemie und Ausbruch sind synonym zu verstehen. Pandemie bezieht sich auf zahlreiche Epidemien weltweit. Auch das ist selbstverständlich noch erfüllt. Die Definition Pandemie hat übrigens nichts mit der Schwere der Erkrankung zu tun.
Als Individuum kann man aufgrund der Tatenlosigkeit der Regierung und dem Schweigen der Opposition und Arbeitnehmervertreter (hallo Gewerkschaften, Patientenanwälte, etc.) nur versuchen, das Risiko für sich und seine Mitmenschen nach bestem Wissen und Gewissen zu minimieren.
Ich hab dazu einen Leitfaden (“Survival Guide”) geschrieben – ohne Anspruch auf Erfolg und Vollständigkeit. Davor gab es schon extra Seiten zur Behandlung der akuten Erkrankung sowie LongCOVID-Prophylaxe und Diagnostik beim Hausarzt. Viel ausführlicher will ich das als medizinischer Laie auch gar nicht schreiben (müssen), meine Primärquellen sind LongCOVID-Spezialisten und Hausärzte. Hinsichtlich Nahrungsergänzungsmitteln bin ich sehr vorsichtig, bevor man viel Geld für den Placeboeffekt ausgibt.
Wenn es Hoffnung macht …
- an nasalen/oralen Impfstoffen wird gearbeitet (z.B. Indien)
- es gibt vermehrt Medikamente, die LongCOVID-Symptome reduzieren, z.B. Metformin (42% Reduktion, Bramante et al. 2022), Xucova um 45% (Japan), hochdosiertes Immunoglobulin (Thompson et al. 2023), Paxlovid (25% Reduktion, Xie et al. 2022), H1/H2-Blocker (Antihistaminika, Glynne et al. 2021), bei abnormalen Blutgerinnseln Antikoagulantien, bei Autoimmunerkrankungen wird derzeit an BC007 geforscht, daneben gibt es noch andere Ansätze (Davis et al. 2023)
- Schutz durch Luftreiniger, Luftfilter, UVC-Geräte, etc… leider teuer und ebenfalls “nur” zusätzliche Käsescheibe. Eine voll belegte Tanzfläche oder eine Hochzeitsfeier drinnen bleiben Höchstrisiko.
Mir sind meine Mitmenschen auch nicht egal und ich habe das Glück, zumindest in meinem engen Umfeld von Menschen umgeben zu sein, denen ich auch nicht egal bin. Ich wünschte nur, es gäbe mehr von ihnen.
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